Einleitung
Eine Gemeinde
Im gemütlichen Wohnzimmer von Familie Green fand am 24. März 2002 der erste Gottesdienst der Bibelgemeinde Berlin statt. Bibelgemeinde? Zum damaligen Zeitpunkt waren das die drei gläubigen Familien Andresen, Green und Borchmann, die sich im Namen Jesu Christi in Berlin versammelten.
Mehr als 400 Gottesdienste haben die Geschwister der BiGeBe seither gefeiert. Dies geschah freilich nicht immer in der selben Besetzung: Viele Menschen kamen und gingen, viele kamen und blieben etwas länger, und schließlich kamen auch viele, die heute noch dort sind. Sie haben all die freudigen und traurigen, ermutigenden und ernüchternden, herausfordernden und ganz normalen Tage der jungen Gemeinde miterlebt, die der Herr an diesem Ort baut.
Eine Geschichte
Höchste Zeit, all diese Ereignisse, Erfahrungen und Entwicklungen endlich zu sammeln und geordnet festzuhalten – so dachten es sich immer mehr Geschwister. Selbst den Gründern und Mitgliedern der ersten Zeit, die all das live miterlebt haben, schwinden mit fortschreitender Zeit die Erinnerungen – kein Grund zur Panik, aber eine realistische Einschätzung des menschlichen Gehirns.
Seit mehreren Monaten ist nun ein Buch in Arbeit, dass die Geschichte der Bibelgemeinde Berlin erzählt. Wenngleich manch einer sagen mag, dass acht Jahre noch keine sehr lange Zeit sind und dass es ja außerdem komisch anmuten mag, eine Geschichte aufzuschreiben, wenn doch die Geschichte längst noch nicht abgeschlossen ist, so soll dieses Buch doch einigen Mitgliedern den Wunsch erfüllen, die Ereignisse, Hintergründe und Prägungen ihrer BiGeBe besser kennen und verstehen zu lernen.
Zudem hoffen wir, dass es auch Freunden, Bekannten, Unterstützern und Gästen der Bibelgemeinde zum Segen ist, von Gottes gnädigem Wirken in der Gemeinde zu lesen – und dadurch vielleicht die ein oder andere Ermutigung, Ermahnung oder auch Warnung zu vernehmen.
Eine Fortsetzungsgeschichte
Diese Motivation liegt auch dieser Rubrik unserer Website zugrunde: Wir möchten auch denen, die die Bibelgemeinde Berlin im Internet besuchen, eine Möglichkeit geben, die Vergangenheit unserer Versammlung kennen zu lernen.
Aus diesem Grund werden nun fortlaufend in den nächsten 8 Monaten die 8 Kapitel unserer Gemeindegeschichte an dieser Stelle veröffentlicht: jeweils zum Anfang des Monats, beginnend mit dem Dezember 2010.
G ott hält die Fäden in der Hand und führt drei Männer in das Land
Im gemütlichen Wohnzimmer von Familie Green fand am 24. März 2002 der erste Gottesdienst der Bibelgemeinde Berlin statt. Bibelgemeinde? Zum damaligen Zeitpunkt waren das die drei gläubigen Familien Andresen, Green und Borchmann, die sich im Namen Jesu Christi in Berlin versammelten.
Wie aber war es dazu gekommen?
Dazu müssen wir einen großen Sprung zurück ins alte Jahrtausend machen…
Doch wo sollte man angesichts der langen und ereignisreichen Geschichte Berlins mit der Erzählung beginnen?
Vielleicht am 26. Januar 1244 mit der frühesten urkundlichen Erwähnung Berlins?
Oder doch besser im 15. Jahrhundert, als die Familie Hohenzollern in Berlin für das nächste halbe Jahrtausend an die Herrschaft gelangte?
Etwa im 17. Jahrhundert mit dem für Berlin sehr folgenreichen Dreißigjährigen Krieg, im 18. Jahrhundert mit dem Aufstieg des Preußischen Königreiches oder 1806, als Berlin in die Hände Napoleon Bonapartes fiel?
Wann, wenn nicht 1871, als Berlin mit der Gründung des Deutschen Kaiserreiches zur Reichshauptstadt aufstieg und infolgedessen Heimat vieler Bürger und prunkvoller Bauten wurde.
Oder vielleicht doch erst im 20. Jahrhundert, mit Weimarer Republik, Drittem Reich und dem geteilten Deutschland?
Von Berlin gibt es wirklich viel zu erzählen…
Doch für die Chronik der Bibelgemeinde Berlin soll es genügen, im Jahre 1989 zu beginnen.
Am 9. November 1989 „fiel“ die Mauer. Nicht nur Berlin, sondern ganz Deutschland wurde vereint. Die Menschen waren in Aufbruchstimmung und nun sollte alles besser werden. Tatsächlich gab es große Veränderungen. Nicht nur in Deutschland kehrte Frieden ein – auch dem Weltfrieden schien man einen großen Schritt näher gekommen. Doch wer die Bibel liest erkennt, dass der angestrebte Weltfriede eine Utopie bleiben wird, bis der wahrhaftige Friedefürst auf die Erde zurückkehrt und Sein Friedensreich aufrichtet.
Im Gegensatz zum Preußenreich, dem deutschen Kaiserreich, dem Dritten Reich oder gar den heute bestehenden Reichen, Republiken, Staatenvereinigungen, usw. wird dieses Reich nicht durch Menschenhand noch sonstige Mächte gestürzt werden können, da der Regent kein Geringerer als der allmächtige Gott ist.
Aber es gibt noch einen anderen zentralen Punkt, in dem es sich von allen bisherigen Reichen unterscheidet. Die meisten Deutschen haben die deutsche Staatsangehörigkeit, weil zur Zeit ihrer Geburt mindestens ein Elternteil Deutscher war. Andere Möglichkeiten deutscher Staatsbürger zu werden sind unter anderem Adoption, Geburt im Inland oder Einbürgerung. Bürger des Reiches Gottes wird man allerdings nicht durch Geburt, Adoption oder Einbürgerung von Menschen. Im Gegenteil: Keine noch so große Bemühung reicht aus, um das Bürgerrecht dieses Reiches zu erwerben.
Dennoch spricht die Bibel vom „Bürgerrecht im Himmel“[1], von einer Möglichkeit, für alle Ewigkeit an Gottes Reich teilzuhaben – auf der Erde und im Himmel. Dies erfolgt wie gesagt nicht durch menschliche Abstammung oder menschliche Handlungen. Vielmehr handelt es sich um eine göttliche Geburt[2], eine göttliche Adoption[3], eine göttliche Einbürgerung[4].
Gott sagt über jene, die dieses Vorrecht haben, Bürger in Seinem Reich zu sein: „Denn aus Gnade seid ihr gerettet durch Glauben, und das nicht aus euch, Gottes Gabe ist es; nicht aus Werken, damit niemand sich rühme.“[5]
Damit wird zweierlei klar: 1.) Das Bürgerrecht jenes Reiches wird nicht durch menschlichen Willen oder menschliche Macht erworben, sondern von Gott verliehen. Und 2.) das Bürgerrecht jenes Reiches ist nicht durch Gesetze und Anforderungen limitiert, sondern kann von jedem erworben werden, der gemäß der Schrift an den sich darin offenbarenden Gott glaubt.
Die logische Konsequenz dieser wunderbaren Botschaft ist, dass sie unbedingt allen Menschen verkündigt werden muss.
Unabhängig voneinander erkannten das auch Christian A., Dieter B. und Cary G.. Dass sie dieses Ziel jedoch eines Tages gemeinsam verfolgen würden, konnten sie lange nicht ahnen…
…1989 wusste es nur Gott.
Die Öffnung der Mauer und das Abdanken der Führungskräfte der DDR erlebte keiner der drei Männer mit – sie alle waren zu dieser Zeit im Westen Nordamerikas.
Christian A befand sich in Los Angeles, Kalifornien, in den Vereinigten Staaten von Amerika. In der „Grace Community Church“ diente er als Praktikant in Jugend und Missionsabteilung. Doch bereits ein Jahr später verließ er mit seiner Frau Sheryl und seiner ersten Tochter Katrina die USA und kam als Praktikant für Mission nach Braunschweig in Deutschland.
So ergab es sich, dass er die ersten Wochen und Monate der wiedervereinigten Bundesrepublik Deutschland live miterlebte. Sein Hauptaugenmerk galt aber selbstverständlich anderen Dingen: In Zusammenarbeit mit einem Pastor, den Christian bei zwei Hirtenkonferenzen der Grace Community Church kennen gelernt hatte, arbeitete er an einem Gemeindeaufbau im Rahmen der Landeskirche in Braunschweig.
„Braun. Schweig!“ könnte Dieter B. geflüstert haben, als er in den Wäldern des Yukons, einem Territorium im äußersten Nordwesten Kanadas, unterwegs war. Dort nämlich gab es unter anderem braune Grizzlybären, Kojoten, Pumas, kanadische Luchse, und zahlreiche Nagetiere. Allerdings waren Dieter B. und seine in Island gebürtige Frau Kristjana nicht nach Kanada gekommen, um jagen zu gehen oder die Landschaft Kanadas zu genießen, sondern um den Indianern im Yukon das Evangelium Gottes zu bringen.
Im geteilten Deutschland hatten sie zwar viele Jahre verbracht, sich kennen gelernt und geheiratet, aber 1989 verließen sie die Heimat, zunächst für einige Monate der Vorbereitung gen USA, um schließlich 1990 nach Kanada weiter zu reisen. Während die Deutschen „Wir sind ein Volk“ riefen und eine Versöhnung der beiden Staaten wollten, lud Dieter also Indianer in Nordamerika ein, Gottes Volk zu werden und sich durch Christus mit Gott versöhnen zu lassen.
Leider drang dieser Aufruf viele Jahre nicht bis zu Cary G. vor. Seine Eltern waren nicht gläubig und so wuchs er ohne Gott auf.
Dabei befand er sich zumindest örtlich auf einer Linie mit Dieter und Christian: Seine Heimat war nämlich der Bundesstaat Washington im Nordwesten der Vereinigten Staaten von Amerika – also ungefähr die Mitte zwischen Los Angeles und dem südlichen Yukon, wo Christian und Dieter zu diesem Zeitpunkt waren.
Von der Wiedervereinigung bekam Cary indes wenig mit – wenn überhaupt. Anders als die anderen beiden hatte er bis dato keinerlei Bezug zu Deutschland und auch keinen blassen Schimmer, dass er einmal als Missionar in diesem Land landen sollte.
Bereits an diesem Ort im Dienst war Christian A.. Während auch seine Familie wuchs – seine zweite Tochter Stephanie und sein Sohn Philip wurden geboren – wuchs bei ihm mehr und mehr die Überzeugung, dass sein Einsatz in Braunschweig dem Ende zuging, da die Theologie der dortigen Landeskirche einige Differenzen zu seinem Schriftverständnis aufwies. So kam es 1993 schließlich zum Abschied aus der Bundesrepublik: Christian und seine Familie gingen zurück nach Los Angeles an die Grace Community Church.
In Kanada trug sich derweil ähnliches zu: Nachdem Dieter und Kristjana bereits zwei Jahre vor den finalen Aufständen in der DDR ihre erste Tochter Stefanie bekommen hatten, folgten im Jahr der Maueröffnung Hanna und 1992 Kristin. Und auch im Dienst bahnten sich Veränderungen an. Dieter war nun schon mehrere Jahre relativ abgeschieden von der Außenwelt… „und dort habe ich mich gefragt: Wo kann ich gute Theologie lesen? Ich kannte den Büchermarkt nicht und in meiner Missionsgesellschaft konnte mir auch keiner so richtig weiterhelfen und Bücher empfehlen“, berichtet Dieter von dieser schwierigen Zeit. Aber es gab einen Lichtschimmer, wie aus der weiteren Erzählung deutlich wird: „1994 kamen wir zu einem Ehepaar in Vancouver und von denen haben wir einige gute Kassetten erhalten. Ganz beiläufig haben sie auch ein paar von einem gewissen John MacArthur dazu gelegt…“
Halleluja! Der Ruf zum Glauben war endlich auch zu Cary durchgedrungen. Kurze Zeit nach der Wiedervereinigung Deutschlands wurde der junge Mann aus Washington ein Kind Gottes. Seine Freunde am College hatten ihn für eineinhalb Jahre mit zum dortigen Bibelstudium genommen – für Cary G. war es der Beginn eines neuen Lebens. So sagte er: „Nachdem ich gerettet wurde, führte der Herr mich gnädigerweise zu einer wunderbaren bibeltreuen Gemeinde, und als ich im Glauben gereift war, absolvierte ich in dieser Gemeinde ein Praktikum. Der dortige Pastor empfahl mir, zum Master’s Seminary zu gehen, und so zog ich 1995 nach Kalifornien um dort ausgebildet zu werden.“
„The Master’s Seminary“ (TMS)? Da für die weitere Geschichte der drei Männer von nicht geringer Bedeutung, ist eine kurze Erklärung dazu angebracht: Es handelt sich bei TMS um eine Art theologische Hochschule der Grace Community Church in Los Angeles zur Ausbildung für den pastoralen Dienst. Die daran teilnehmenden Männer sollen primär dafür zugerüstet werden, eine Gemeinde zu leiten und das Wort Gottes gründlich auszulegen.
Christian studierte beim Master’s Seminary zu diesem Zeitpunkt schon seit zwei Jahren. Er hatte 1993, als er zurück nach Kalifornien kam, direkt die vierjährige Ausbildung begonnen.
Während Chrsistian und seine Familie bereits vor ihrer Rückkehr in die Vereinigten Staaten kurz in Berlin waren, um dort entstehende Gemeinden anzuschauen, war es zwei Jahre später Zeit für den ersten Einsatz in der Bundeshauptstadt Deutschlands: „Im Sommer 1995 kamen wir mit einem ‚Short-term Team’[6] nach Berlin. Dort haben wir evangelistische Aktionen gestartet und Traktate und Einladungen verteilt. Und auf der Marzahner Promenade haben wir eine Befragung durchgeführt“, erzählt Christian von dieser Reise nach Deutschland. Eingeladen wurden sie von zwei amerikanischen Missionaren, die in Marzahn-Hellersdorf eine Gemeinde gründen wollten. Er fährt fort: „Die zwei Männer haben wir gut kennen gelernt und sie haben mich dann am Ende auch gefragt, ob ich hier an der Gemeindegründung mitwirken und ganz konkret eine Bibelschule aufbauen wolle. Ich habe erst einmal abgelehnt, weil ich hier gesehen habe, dass einige aus geschlossenen Brüderkreisen kamen. Aber die Beziehung zu den beiden Familien haben sich bestätigt.“
Gottes Weg für Christian führte also 1993 wieder zur Grace Community Church, Cary hatte Er zwei Jahre später nach Los Angeles gebracht, und Dieter? Er war begeistert von den ersten Kassetten, die er von John MacArthur hörte, dem Pastor der Grace Community Church in Los Angeles.
Über den Feldleiter in Kanada war Dieter an weitere Predigten dieses Mannes gekommen und hat so in 3 Jahren fast 1.000 Kassetten gehört. Seine Frau Kristjana erinnert sich an diese Zeit: „Wir waren begeistert von den Predigten und hatten beide so ein Aha-Erlebnis. Zu Weihnachten 1995 habe ich ihm das Buch ‚Ashamed of the Gospel’ von John MacArthur geschenkt und dann lag Dieter auf der Couch, las das Buch und rief immer wieder ‚Das Stimmt!’ und ‚Der Mann hat recht!’ und dann blätterte er zu einer Stelle und sagte ‚Hör mal zu, hier sagt er folgendes…’ und las dann vor.“
Gleichzeitig bemerkten sie immer mehr, dass ihre Überzeugungen sich deutlich von jenen ihrer damaligen Missionsgesellschaft abhoben. „In dieser Situation haben wir dann die Grace Church um Rat gefragt, weil uns bei unserer Missionsgesellschaft offensichtlich keiner verstanden hat. Die Grace Church wusste sofort bescheid, hat uns sofort verstanden und sagte, dass das so gängig wäre im Evangelikalismus dieser Zeit. Mein Telefongespräch wurde dann an einen gewissen Christian A. weitergeleitet…“
„Ich habe damals im Missionsbüro der Grace Community Church gearbeitet. Dieter hatte dort angerufen, um Rat zu bekommen und so kam der Kontakt zwischen uns zustande. Ich habe ihn dann zur Hirtenkonferenz eingeladen, das war am Anfang des Jahres 1996. Da haben wir viel Zeit miteinander verbracht und ich habe ihn herausgefordert, nach Deutschland zu kommen“, kommentiert Christian diesen neu entstandenen Kontakt mit Dieter. Er selbst plante, 1997, nach dem Ende des Master’s Seminary, nach Deutschland zu gehen, um dort Gemeindegründungsarbeit zu leisten.
Für Cary war zu diesem Zeitpunkt das TMS in vollem Gange und er studierte fleißig. Schon früh machte er sich Gedanken, wo sein späteres Aufgabenfeld liegen könnte und so erzählt er von interessanten Begegnungen, die von nicht geringer Bedeutung für seine spätere Entscheidung waren: „Als ich auf dem Seminary war, lernte ich eine Reihe von Kommilitonen kennen, die aus Deutschland kamen. Durch Gespräche mit einem von ihnen, Jürgen G., wurde mir klar, dass das heutige Deutschland kein gutes Zeugnis vom Evangelium hatte. Ich plante auch schon, mit ihm nach Abschluss des Seminarys nach Deutschland zu gehen. Doch Gott hatte andere Pläne…“
„Ich lernte Cary in meinen letzten Jahren am Seminary kennen“, erzählt Christian, der mittlerweile zum vierten Mal Vater geworden war – Gott hatte ihm mit Elisabeth noch eine Tochter geschenkt. „Cary war damals noch unverheiratet. Er hatte großes Interesse für Europa und da ich nach Deutschland wollte, hatten wir von Anfang an recht viel Kontakt.“ Als sie sich besser kennen lernten, sprachen sie auch vermehrt über Deutschland und die Idee einer Zusammenarbeit im bevölkerungsreichsten Land Europas nahm Konturen an.
Für Christian A. gingen die vier Jahre am TMS dann auch schon dem Ende entgegen, während Cary noch mittendrin in Studium und Zukunftsüberlegungen steckte, und Dieter…
… immer noch in Kanada diente – mit den frischen Eindrücken seines ersten Besuches in der Grace Community Church 1996. Dieter hatte also seine erste Hirtenkonferenz erlebt und den Kontakt zu Christian aufgebaut. Doch wie reagierte er auf dessen Aufruf, nach Deutschland zu kommen? Dieter sagt selbst: „Wir wollten nicht. Wenn du erst einmal den Norden geschnuppert hast, dann gehst du nicht so schnell weg… und nach Deutschland wollten wir schon gar nicht!“
So verbrachten sie auch das nächste Jahr noch auf dem Missionsfeld im Yukon. Ein Jahr später nahm Dieter nichtsdestotrotz die erneute Einladung zur Hirtenkonferenz gerne an: „Ich war wieder bei Christian untergebracht und war dieses Mal schon mit offenem Herzen bei der Hirtenkonferenz. Christian hatte dort dann im Geheimen ein Treffen mit mir und einigen Ältesten vereinbart, die dann sagten: ‚Das hört sich ganz gut an – du kannst zum Seminary kommen’…“, erzählt Dieter von seinem zweiten Besuch in Kalifornien. „Ich dachte, ich rufe erst einmal meine Frau an, die sagt bestimmt ‚Nein’. Aber dann rief ich bei ihr an und die sagte direkt ‚Go for it!’[7] und schickte zudem gleich alle Papiere… So wurde also im März 1997 die Entscheidung zum Seminary getroffen.“
Cary führte derweil weiterhin Gespräche über Deutschland und wurde ermutigt, den oft als „Land der Reformation“ bezeichneten Staat im Herzen Europas – trotz seiner im geistlichen Bereich teilweise glorreichen Vergangenheit – als ein bedürftiges Missionsfeld zu sehen. Das veranlasste ihn, im Sommer 1997 als Leiter eines „Short-term Teams“ zu einem Sommereinsatz nach Berlin zu kommen. Vor allem sollte diese Reise dazu dienen, die Übergangszeit von Familie A. zu unterstützen, die in diesem Sommer selbst nach Deutschland umgezogen war. Aber für Cary hatte sie noch einen anderen Effekt: „Diese Reise bestärkte mich in dem Gedanken, dass ich selbst nach Deutschland kommen wollte…“
Christian A. hatte im Mai 1997 das TMS abgeschlossen und war schließlich im Juni in der Grace Community Church ordiniert und als Missionar nach Deutschland ausgesandt worden. Als Cary mit dem Team kam, „waren wir gerade umgezogen und so halfen sie uns, ins Haus einzuziehen. Cary lernte bei diesem Einsatz dann auch die Arbeit in Berlin kennen“, beschreibt Christian den im wahrsten Sinne des Wortes bewegenden Sommer dieses Jahres.
Doch was war das eigentlich für eine „Arbeit in Berlin“? Als Christian zwei Jahre zuvor selbst im Rahmen eines Sommereinsatzes nach Berlin gekommen war, hat er dort zwei Missionare kennen gelernt, die in Marzahn-Hellersdorf Gemeindegründung[8] betrieben – namentlich handelte es sich um Dave S. und Daniel W.. Ihren Bemühungen schloss sich die Familie A. nun an.
Während Familie A. also aus Los Angeles wegzogen, kam Famile B. im selben Jahr eben dort hin. Auch Dieter hatte nun das Vorrecht, am TMS zu lernen und für seinen weiteren Dienst ausgebildet zu werden. Diesen Dienst konnte er sich aber nicht wirklich in Deutschland vorstellen, obwohl einige Leute „schon von Anfang an ziemlich an mir gearbeitet haben, dass ich nach Deutschland gehe.“
Schon in seinem ersten Jahr beim Master’s Seminary traf er aber auf einen Amerikaner, der genau dorthin gehen wollte – sein Name: Cary G.. Dieter verrät, wie er ihn kennen lernte: „Irgendwann lief mir so ein junger Kerl über den Weg. Er hatte gerade in Deutschland einen Einsatz gemacht und so kam er zu mir und sagte: ‚Hey, ich will nach Deutschland gehen… ich brauche nur noch eine Frau’. Ich dachte mir nur, ob das wohl so einfach ist? Aber ein Jahr später stand er wieder vor mir und hatte nicht nur eine Frau, sondern auch vier Kinder dazu.“
Das verlangt nach einer Erklärung, die Cary selbst gibt: „Ich habe Lois während meiner Zeit am Seminary kennen gelernt. Ihr erster Mann war ebenfalls Student am Master’s Seminary und ich habe ihn gebeten, mich im Bereich von Ehe und Familie anzuleiten. Er hat das TMS vor mir absolviert und ging dann nach Philadelphia, um dort eine Gemeinde zu leiten, doch kurze Zeit später kam er bei einem Autounfall ums Leben – und ließ Lois mit vier Kindern zurück. Sie kam einige Zeit später zurück nach Kalifornien und so heiratete ich sie schließlich im September 1998… und am 13. Oktober 1999 führte der Herr uns nach Deutschland.“ Cary hatte mittlerweile das Master’s Seminary abgeschlossen und von Lois das fünfte Kind bekommen – Joshua. Da Dieter und Kristjana ein Jahr zuvor ihre vierte Tochter, Laura, geschenkt wurde, hatten die drei Männer für kurze Zeit alle jeweils vier Kinder. Doch nun hatte Cary die größte Familie – ein „Titel“, dessen er sich in den folgenden Jahren zweifelsohne würdig erwies…
Christians Auftrag in Deutschland war dreierlei: Gemeindegründungsarbeit, die Aufrichtung eines Bibeltrainingszentrums und Publikation. Für letztere wurden im Jahre 1998 „Grace To You Deutschland“ gegründet und in der Folgezeit viele Bücher aus dem Englischen in die deutsche Sprache übersetzt und publiziert. Auch die Gemeindegründungsarbeit in Marzahn-Hellersdorf ging voran. Doch dort erwies sich die Gründung eines Bibeltrainingszentrums als nicht so einfach, wie Christian schildert: „Sie waren mit der Bibelschule noch nicht so weit, weil die Mitglieder jener Brüdergemeinde ein schlechtes Gewissen bei einer Bibelschule hatten. Sie wollten gerne lernen, aber waren von ihrem Hintergrund nicht offen dafür.“ Hinzu kam, dass schon zwei vollzeitige Mitarbeiter an diesem Gemeindegründungsprojekt arbeiteten, was schließlich dazu führte, dass die „Christen von Marzahn und Hellersdorf“ sowie die Grace Community Church die Familie A. erneut sendeten, um eine weitere Gemeinde zu gründen.
Quasi einher mit der Sendung erging der Ruf der FESB (Freie Evangelische Schule Berlin[9]), im Bezirk Prenzlauer Berg eine neue Gemeinde zu gründen.
Gemeinsam mit Clemens V. und Johannes K. gründete Christian A. dort schließlich im August 1999 eine neue Gemeinde.
Wenig später, im Oktober, „kam dann Familie G. zu uns“, berichtet Christian von ihrem Umzug. „Bei ihnen war erst mal viel los: Ich weiß nur noch, dass sie sehr viel zu tun hatten – und viele Kinder bekamen…“
Namentlich waren das nach Joshua 1999, ein Jahr später Josiah und noch ein Jahr später Jonathan. Aber nicht nur die sieben Kinder hielt Familie G. auf Trab: Europa bzw. Deutschland waren völliges Neuland für die junge Familie – im Gegensatz zu Familie A. und Familie B., die in diesem Land schon mehrere Jahre zugebracht hatten. Hinzu kamen die Sprachschwierigkeiten, wie Cary in mittlerweile sicherem Deutsch erklärt: „Ich konnte kein Wort Deutsch als ich hierher kam, und Lois auch nicht. Wir fanden eine Wohnung im Prenzlauer Berg, aber die Umgebung dort war schrecklich. Dann kam unser sechstes Kind und war ständig krank. Vieles war nicht einfach, als wir nach Berlin zogen.“
Wenn auch mit so manchen Startschwierigkeiten, hatte in Deutschland doch die Gemeindegründungsarbeit begonnen. Aber was machte die Familie B.? Dieter wollte eher wieder nach Kanada zurück und während Christian das Master’s Seminary schon abgeschlossen hatte als Dieter dort anfing, war auch der Kontakt zu Cary nicht sonderlich intensiv gewesen, wie Dieter zu erzählen weiß: „Man hat sich nur so gegrüßt. Wir waren schon auf der Abschiedsfeier von Cary und Lois – aber mehr auch nicht. Wir hatten sie nicht wirklich gekannt und auch nicht gedacht, dass wir sie wieder sehen werden.“
Die 4 Jahre TMS gingen aber auch für Dieter bald zu Ende, sodass die Zukunft seines Dienstes bald entschieden werden musste: „Ich hatte wie gesagt bis dahin nicht so ganz die Bereitschaft gehabt, nach Deutschland zu gehen. Aber wir mussten ja dann gegen Ende schon langsam eine Entscheidung treffen und da hatten wir auch schon Kontakt zu Familie G. und Deutschland aufgenommen. Außerdem habe ich bereits für ‚Grace To You Deutschland’ gearbeitet und Christian wollte schon zu diesem Zeitpunkt, dass ich ‚die Stimme von John MacArthur in Deutschland’ werde.“
So kam Dieter im Juni 2001 nach Berlin und damit waren die drei Männer endlich versammelt. Der Herr hatte Sich zu Seiner Zeit drei Männer und ihre Familien für den Dienst in Berlin erwählt und sie auf so manchen Umwegen schließlich in die Bundesrepublik Deutschland gebracht. Wenn auch viele Indianer und Amerikaner diesen Weg bedauerten, so war es doch die Führung des souveränen Gottes, der diese Männer vor Grundlegung der Welt dazu bestimmt hatte, in der Bundeshauptstadt des vereinigten Deutschland Seine Gemeinde zu bauen.
Mit dem Zusammentreffen der drei Wege treffen jetzt auch die Berichte von drei Schauplätzen zusammen und verschmelzen zu einer gemeinsamen Erzählung.
Dieter B. war nun also der Dritte im Bunde. Nachdem er Berlin erreicht hatte, blieb ihm allerdings nicht viel Zeit, um sich in der neu gegründeten Gemeinde im Prenzlauer Berg zu akklimatisieren, wie Kristjana schildert: „Es ging gleich richtig los. Volle Kanne. Dieter sollte direkt predigen und hatte gar nicht so die Zeit, die Leute kennen zu lernen, die zu diesem Zeitpunkt schon in der Gemeinde waren.“ Das waren damals immerhin schon ca. 60-70 Personen, wie sich Cary erinnert. Er selbst brachte viel Zeit mit Sprachstudium zu und war in seinen Möglichkeiten, zu predigen und zu leiten noch etwas eingeschränkt. Dennoch hielt auch er Predigten – zunächst auf Englisch mit Übersetzung von Christian ins Deutsche, aber nach etwas mehr als zwei Jahren auch zum ersten Mal auf Deutsch. Dennoch könnte auch Cary gut und gerne auf den Turmbau zu Babel verzichten, wie er heute, nach fast zehn Jahren in Deutschland selbst sagt: „Deutsche Sprache – schwere Sprache. Wir sind seit zehn Jahren hier und lernen immer noch Deutsch… das ist ein Kampf fürs ganze Leben.“
Im September 2001 durften sich die drei Männer darüber freuen, dass endlich das „Europäische Bibeltrainingszentrum“ („European Bible Training Center“, EBTC) gegründet wurde. Vor allem Christian investierte viel Zeit und Kraft in dieses Projekt, das doch ein wichtiger Bestandteil seines Dienstes in Deutschland war. Die Studenten des ersten Jahrgangs kamen ab September monatlich zu den Unterrichtswochenenden nach Berlin und durften so erstmalig die dreijährige Ausbildung in Bibelkunde und Auslegungspredigt genießen. Untergebracht wurden sie in Familien der Gemeinde und lernten auf diese Weise auch das Gemeindeleben kennen. Das EBTC veranstaltete seit seiner Gründung im Jahr 2001 auch mehrmals im Jahr Seminare und eine Hirtenkonferenz, um nicht nur seine Studenten zu schulen, sondern auch der Christenheit in Deutschland weitere Möglichkeiten zu geben, Gottes Wort ausgelegt zu bekommen.
Das EBTC befand sich also in seinem ersten Unterrichtsjahr und bot damit ständig neue Herausforderungen. Doch nicht nur das EBTC steckte in den Kinderschuhen, auch die junge Gemeinde war noch im Aufbau. Vor allem herrschte noch Unklarheit über die Frage der Gemeindeleitung und der Gemeindestruktur. Mehr und mehr zeigte sich, dass die Vorstellungen der Brüder dort teilweise recht weit auseinander lagen und so kamen sie schließlich zur schmerzlichen Entscheidung, dass es besser sei, getrennte Wege zu gehen: Am 18. März 2002 wurde im Rahmen einer Gemeindestunde bekannt gegeben, dass die Familien G., B. und A. die Gemeinde verlassen würden.
Bei allen positiven Dingen, die in dieser Zeit schon wuchsen, hat es doch auch einige Missverständnisse gegeben, sowie sich unterscheidende Dienstphilosophien. „Bei alledem müssen wir uns auch demütig eingestehen, dass wir Fehler gemacht haben…“, räumt Dieter ein, bevor er hinzufügt „aber das ist Gemeinde. Und trotzdem segnet der Herr Gemeinde!“ Christian stimmt ihm zu: „Ich hätte heute vieles anders gemacht als zu dieser Zeit, muss ich sagen. Aber dankbar können wir sagen, dass eine Versöhnung stattgefunden hat. Das war sehr wichtig.“
So endete für Christian, Cary und Dieter also bereits nach gut zweieinhalb Jahren das Gemeindegründungsprojekt im Prenzlauer Berg. Cary ließ in einem Gespräch mit Dieter durchblicken, wie hart diese Zeit war: „Wenn du nicht gekommen wärest – ich wäre weg gewesen.“ Dieter selbst ging es ähnlich: „Mit Cary wuchsen wir total gut zusammen. Wir merkten schnell, dass wir die gleichen Auffassungen vom Dienst hatten und verstanden uns super!“
Der Wunsch, Menschen in Deutschland für Christus zu gewinnen, wurde nach diesem holprigen Beginn also keineswegs begraben: Dieter, Christian und Cary waren in der Grace Community Church zum Ältestendienst eingesetzt worden und hatten den Auftrag, in Berlin eine neue Gemeinde aufzubauen und zu leiten.
…
Wir schreiben den 24. März 2002, und wie anfangs erwähnt befinden wir uns im kleinen Wohnzimmer der Familie G. in der Eddastraße 17 in Französisch Buchholz. Hier, im Bezirk Pankow im hohen Norden Berlins, war an jenem Sonntagmorgen die Geburtsstunde oder besser der Geburtsgottesdienst der Bibelgemeinde Berlin.
Im Gegensatz zu manch anderem hat Kristjana noch einige Erinnerungen an diese gemeinsame Versammlung: „Beim ersten Gottesdienst waren wir drei Familien zusammen – und auch der EBTC-Student Martin M. war dabei. Das Wohnzimmer war sehr klein für uns, die Stühle hatten wir im Kreis angeordnet und alles hatte eher einen Hauskreischarakter. Cary hat an diesem Sonntag gepredigt – und die Predigt im Sitzen gehalten.“
E r hört die Bitten, lenkt die Schritte, und schickt den Hirten nun auch Dritte
„So haben wir angefangen. Aus einem schmerzhaften Grund hat alles begonnen, und es hat uns alle echt umgehauen und wirklich wehgetan“, nimmt Cary Bezug auf die Zeit bis zum ersten Treffen der Bibelgemeinde, „aber aus so etwas Schlimmen entstand etwas so Wunderbares!“ Ein Tag nach dem ersten gemeinsamen Gottesdienst, am 25. März 2002, gründeten Christian, Dieter und Cary den Bibelgemeinde Berlin e. V. Als eingetragener Verein konnte man rechtlichen Schutz in Anspruch und die Haftung von den Schultern der Privatpersonen nehmen, sowie steuerliche Vergünstigungen bekommen. Solche organisatorischen Dinge gingen in diesen ersten Tagen erstaunlich schnell. Kristjana erklärt dies folgendermaßen: „Wir haben nach der Trennung nicht groß überlegen müssen, sondern einfach weitergemacht. Wir waren schon ein festes Team. Auch beispielsweise, wie die Gemeinde heißen sollte, oder wie wir die Website nennen, war keine große Frage. Das ging alles Schlag auf Schlag!“
Das Wohnzimmer von Familie G. war dagegen nur eine Übergangslösung und obwohl es einige Wochen gute Dienste leistete mussten neue Räumlichkeiten her – wollte man doch die Menschen in der Hauptstadt mit dem Evangelium erreichen und auch zur Gemeinde einladen können. Von der folgenden Suche erzählt Dieter: „Im Frühling 2002 haben wir uns bei Familie G. getroffen, aber da waren ja noch keine Geschwister bei uns, denen wir dienen konnten. Also haben wir uns darauf konzentriert, verschiedene Gemeinden in Berlin anzuschauen.“ Das Ziel war, zu erkennen, wo es bereits ein klares Zeugnis des Evangeliums gibt, und wo das nicht der Fall ist. So war es erforderlich, jegliche Gemeinden ausfindig zu machen und diese dann auf ihr Bekenntnis, ihre Struktur und ihre Verkündigung zu überprüfen. Dazu wurden die Treffen bei Familie G. schon bald wieder ausgesetzt, weil die Ältesten der Bibelgemeinde Sonntag für Sonntag die Gemeinden der Umgebung besuchten. Schließlich war dies die Grundlage für die letztendliche Wahl des Versammlungsortes, wie Kristjana Einblick gewährt: „Deshalb konnten wir dann auch beurteilen, dass es gut ist, in diesem Umfeld eine Gemeinde zu gründen, und dass wir damit niemandes Dienst verkennen.“ Von welchem Ort Dieters Frau gesprochen hat? Dazu braucht es noch ein wenig Geduld.
Trotz aller Neuerungen und Ungewissheiten ging während dieser Zeit die Arbeit des EBTC weiter: Die Studenten des ersten EBTC-Jahrgangs kamen zu den weiteren Wochenend-Treffen nach Berlin, um unter nun etwas schwierigeren Umständen im Wohnzimmer der Greens unterrichtet zu werden. Kristjana erinnert sich aber, dass ihr Kommen für die junge Gemeinde ein großer Segen war: „Auch die EBTC-Studenten kamen ins Wohnzimmer und das hat uns irgendwie ermutigt, dass sie bei uns geblieben sind und auch die Trennung total verstanden und uns gestärkt haben.“ Und noch jemand kam schon während der Suche nach einem geeigneten Versammlungsort zur Bibelgemeinde: Sheryl A. Vater Don K., der auf diesem Wege noch die Wohnzimmergottesdienste kennen lernte. Auch Christian A. Eltern, Walter und Gunnel A., lebten in Berlin. Sie schlossen sich allerdings erst im Herbst der BiGeBe an, nachdem sie ihren Wohnort von Südberlin in die Nähe der neuen Gemeinde verlegt hatten. Über sie bestand außerdem der Kontakt zu Reinhard und Karin W., mit denen man im Übrigen schon gemeinsam die Gemeinde im Prenzlauer Berg besucht hatte. Obwohl das Ehepaar W. ebenfalls erst Ende des Jahres in die Gottesdienste der Bibelgemeinde kam, leisteten sie den Geschwistern schon lange vorher einen großen Dienst: Für die letzten Unterrichtswochenenden des EBTC-Jahrgangs 2001/02 stellten sie ihr Büro in der Lindenberger Straße zur Verfügung.
Eine folgenschwere Entscheidung…
Neben den Besuchen in verschiedenen Gemeinden hielten die Bibelgemeindler auch schon die Augen offen, wo geeignete Gemeinderäumlichkeiten zu finden seien. In diese Phase nun fiel der Unterricht in besagtem Büro im Frühjahr 2002, in dem an jenen EBTC-Wochenenden dann auch gleich die sonntäglichen Gottesdienste stattfanden. Dieter berichtet von Gottes Führung der jungen Gemeinde: „Wir haben uns ein paar Mal bei Familie W. im Büro getroffen. Dieses befand sich über dem Italiener gegenüber von der Dorfstraße in Wartenberg. Dort haben wir aus dem Fenster geschaut und interessante Räumlichkeiten über dem Reifenhaus gesehen.“ Die Ältesten der Gemeinde erkundigten sich auch sogleich nach den Räumlichkeiten und untersuchten verstärkt das Umfeld dieses Gebäudes im Berliner Ortsteil Wartenberg (Bezirk Lichtenberg, im Nordosten Berlins).
Für diesen Ort sprachen vor allem die vielen zu erreichenden Menschen in der unmittelbaren Umgebung und besonders im Neubaugebiet Wartenberg, das zum benachbarten Ortsteil Neu-Hohenschönhausen gehört. Außerdem mangelte es dort – wie an so vielen Orten Berlins – an biblischer Verkündigung, sodass sich die drei Männer nach eingehender Prüfung tatsächlich für besagte Räumlichkeiten in der Dorfstraße 7a entschieden, wie Cary zusammenfasst: „Wir haben viel gebetet: ‚Herr, zeig uns einen Ort wo es keine biblische Gemeinde, aber viele, viele Menschen gibt’… und dann hat der Herr uns nach Hohenschönhausen-Wartenberg geführt.“ Während im Erdgeschoss ein Reifenhändler eine Niederlassung hatte, konnte die Bibelgemeinde darüber eine ganze Reihe von Büros und das dortige Dachgeschoss mieten. Cary fährt fort: „Das war für eine kleine Gemeinde eigentlich perfekt. Und auch für das EBTC.“
Nach der langen und intensiven Suche durfte die Gemeinde schließlich ab dem 13. August in die Räumlichkeiten in der Dorfstraße. Lange Zeit für Vorbereitungen wurde nicht gebraucht, sodass bereits fünf Tage später der erste Gottesdienst gefeiert werden konnte. Am 6. Oktober veranstaltete die BiGeBe schließlich eine richtige Einweihungsfeier ihres neuen Zuhauses im Ortskern Wartenbergs.
Nachdem die Geschwister der Bibelgemeinde in den vergangenen Wochen und Monaten mehrfach ihre Flexibilität unter Beweis stellen mussten, hatten sie nun endlich eine Bleibe gefunden, mit der dann auch mehr Ruhe und Regelmäßigkeit einkehren sollten.
Ruhe und Regelmäßigkeit sollten aber selbstverständlich nicht die einzigen Gäste der BiGeBe bleiben – schließlich war es das Ziel der Gemeinde, an diesem Ort das Wort Gottes zu verkündigen, um sowohl Gläubige durch eine sorgfältige Auslegung der Bibel zu geistlichem Wachstum zu führen als auch die Verlorenen mit dem Evangelium Gottes zu erreichen. Zunächst waren es vor allem Erstere, die von der neuen Gemeinde erfuhren und sich ihr anschlossen:
Vom Spätsommer bis Winter 2002 kamen immer wieder neue Gesichter in die Gemeinde, die meist durch die drei Familien G., B. und A. auf die Versammlung der Geschwister aufmerksam wurden. Neben Sheryls Vater und später auch Christians Eltern sowie dem Ehepaar W., kam auch über Familie G. ein Mann in die Gemeinde: Wade D.. Er hatte einst an der gleichen Universität wie Cary Orgelmusik studiert und kam nun für einige Zeit nach Deutschland, um hier weiter seiner beruflichen Ausbildung nachzugehen. Wohnen konnte er in der 2-Zimmer-Wohnung im Dachgeschoss der Dorfstraße 7a und war damit ganz nah dran an der BiGeBe. Für die Gemeinde war er durch seine außergewöhnlichen Fähigkeiten auf dem Klavier sehr wertvoll, wie Dieter zu erzählen weiß: „Wade war ein überdurchschnittlicher Klavierspieler. Er hat uns im Gottesdienst mit dem Klavier begleitet und das war für eine so kleine Gemeinde sehr wichtig: Egal wie wenige Leute da waren und sangen – es gab schöne Musik dazu und das hat uns sehr ermutigt. Auch hat Wade unsere Kinder in Musik unterrichtet. Leider gab er im Rahmen seiner musikalischen Berufsausbildung im Sommer 2003 sein Abschlusskonzert und verließ schließlich 2004 die Gemeinde in Richtung Amerika.“
Ein weiterer junger Mann, der sich früh der Gemeinde anschloss, war Martin M.; aber anders als Wade kam er nicht allein, sondern brachte seine Frau Gabi und seine drei Kinder – Joelle, Lois und Joshua – mit in die Bibelgemeinde.
Auf Berlin waren sie allerdings nicht erst 2002 aufmerksam geworden. Ursprünglich aus der Schweiz kommend, hatte Martin schon lange vorher Bücher von John MacArthur gelesen und seine Auslegung hoch geschätzt. Als er dann Wind davon bekam, dass in Berlin mit dem EBTC ein Trainingszentrum zur Predigerausbildung entsteht, dauerte es nicht lange, bis er sich zu den Studenten des ersten Jahrgangs zählen durfte. So erlebte er natürlich auch die Gründung der BiGeBe aus nächster Nähe und traf sehr bald die Entscheidung, die Zelte in der Schweiz abzubrechen, und nach Berlin zu ziehen, um sich der Bibelgemeinde anzuschließen. Als EBTC-Student hatte er insbesondere die Arbeit dieser Predigerschule kennen gelernt und nun das Anliegen, im Dienst für das EBTC seine Fähigkeiten einzubringen; unter Anleitung von Christian konnte Martin auch dieses sehr bald in die Tat umsetzen.
Stück für Stück kamen Schafe zur Herde der neuen Berliner Gemeinde hinzu. Im November kam nach Mantens die nächste junge Familie: Aleksander (Alex) und Jelena H. mit ihrer Tochter Susanne. Cary weiß, dass „sie unsere miserable Website gesehen haben und auf uns aufmerksam wurden. Sie waren schon längere Zeit auf der Suche und ihre Suche war katastrophal…“ – doch dazu haben sie selbst eine Menge zu erzählen:
Im Januar 2000 sind Alex und Jelena aus der Ukraine nach Deutschland gekommen. Sie waren zu diesem Zeitpunkt nicht nur frisch verheiratet, sondern auch jung im Glauben. In ihrer Heimat hatte man ihnen eine Gemeinde in Dresden empfohlen, die sie zunächst auch regelmäßig aufgesucht haben, obwohl der Weg von Bernau sehr weit war. Mit der Geburt von Susanne wurde es aber bald noch schwieriger, die weite Wegstrecke in die sächsische Landeshauptstadt zurückzulegen. Alex berichtet von der Gemeindesuche in Bernau und Berlin: „Wir haben einige Gemeinden angeschaut, aber keine war zu empfehlen. Einige waren sehr gesetzlich, in anderen haben sie rumgetanzt und Geschichten erzählt. Wir sind in dieser Zeit für mehr als ein Jahr zu einem Hauskreis in Bernau gegangen, haben aber weiter nach einer bibeltreuen Gemeinde gesucht. Wir wollten an einen Ort, wo die Bibel gepredigt und nicht zu viel Wert auf Traditionen gelegt wird.“
Im Berliner Raum zunächst erfolglos, hegten sie den Wunsch nach Dresden zu ziehen, aber als Alex seine berufliche Weiterbildung begann, rückte ein etwaiger Umzug in weite Ferne. Dennoch half ihnen der Pastor der Gemeinde in Dresden bei der Gemeindesuche, und empfahl, auf der Liste der KfG („Konferenz für Gemeindegründung“) nach einer bibeltreuen Gemeinde zu suchen. Alex wurde auch bald fündig: „Wir haben zwei in die engere Wahl genommen, wollten aber zuerst zur BiGeBe, weil wir die Website lasen und dachten ‚das muss wirklich gut sein.’ Ich habe dann mit Christian A. telefoniert und er sagte ‚Ja, kommt doch gerne vorbei.’“
Doch so einfach sollte es nicht werden… „Wir haben daraufhin im Internet nach der Dorfstraße 7a gesucht und die erstbeste Adresse genommen. Dummerweise landeten wir in einer Dorfstraße in Malchow und fanden dort nur die Dorfstraße 7. Wir suchten eine Stunde nach der Hausnummer 7a und fragten allerlei Leute, aber keiner hatte jemals etwas von einer Gemeinde an diesem Ort gehört. So sind wir schließlich völlig entnervt nachhause gefahren…“, fasst Alex die schwierige Suche zusammen. Nachdem sie sich in den nächsten Wochen eine andere Gemeinde angesehen hatten, wollten sie der Bibelgemeinde schließlich doch noch eine zweite Chance geben, wie Jelena einleitet: „Wir haben uns nun noch einmal angesehen, was es mit der Dorfstraße auf sich hatte.“ Alex fügt mit Kopfschütteln über die Straßenbenennung in Berlin hinzu: „Da habe ich gesehen, dass es ganz nahe beieinander drei Dorfstraßen gibt – so ein Blödsinn!“ So kam es aber, dass Familie H. letztlich doch die Dorfstraße 7a und mit ihr die Bibelgemeinde Berlin finden sollte. „Wir haben beide gespürt, dass das das Richtige für uns war. Es hat einen sehr ordentlichen Eindruck auf uns gemacht, die Frauen waren anständig gekleidet, die Leute waren sehr freundlich – und wir konnten auch noch zum Gemeindeessen bleiben“, gibt Alex seine ersten Eindrücke aus der BiGeBe wieder, bevor er mit einem breiten Grinsen ergänzt: „natürlich – auf das Essen kann ich nicht verzichten! Dabei haben wir uns unterhalten und die Leute waren sehr freundlich zu uns. Dieser nette Eindruck blieb hängen. Das ist auch heute für uns als Gemeinde sehr wichtig, dass wir Gästen freundlich begegnen!“ Auch Dieter erinnert sich noch gut an den ersten Besuch von Familie H. in der Bibelgemeinde, wobei sein Kommentar nicht den Anspruch erhebt, besonders tiefgründig zu sein: „Als Alex das erste Mal in die Gemeinde kam, hatte er eine total hübsche Krawatte an und sah ganz schick aus, der kleine Milchbubi.“
Aber es sollte nicht nur bei guten Gesprächen und gemeinsamem Essen bleiben, wie Alex fortfährt: „Ich habe gleich gefragt, was für Dienste ich übernehmen könnte. Ich war wirklich sehr brennend und war so froh, dass wir endlich eine gute Gemeinde gefunden hatten!“ Die „miserable Website“ sollte in ihm ihren Meister finden und wurde für Gemeindesuchende innerhalb und außerhalb Berlins mehr und mehr zu der wichtigen Anlaufstelle, die sie heute ist. Für Medienarbeit bereits beruflich prädestiniert erzählt Alex, wie sich aber auch andere Dienstmöglichkeiten in der Gemeinde ergaben: „Damals hatten wir beim Abendmahl Saft und Brötchen und wir waren der Meinung, dass das Brot beim Abendmahl keinen Sauerteig haben sollte. Davon waren wir überzeugt und so habe ich schließlich auch mit den Ältesten geredet – es war für uns damals eben ein Anstoß. Heute weiß ich, dass man nicht so sehr an äußerlichen Dingen festhalten muss… aber sie haben gemeinsam darüber gesprochen und es dann auch geändert. Das war für mich ein Super-Zeugnis, dass sie nicht gesagt haben: ‚Ich bin Pastor und du hast nichts zu sagen.’, sondern dass die Hirten auch bereit sind, auf andere zu hören und Dinge zu ändern.“ Jelena ergänzt schmunzelnd: „Und dann waren sie so lieb und haben gesagt: ‚Gut, dann kümmert ihr euch jetzt um das Abendmahl, okay?’“
„Aber das war etwas, was wir an der Gemeinde wirklich gut fanden, dass gelehrt wurde, dass jeder ein Diener ist und zum Dienen berufen ist – nicht so wie es oft gelehrt und praktiziert wird, dass der Pastor der Boss ist, und so weiter…“, führt Alex den Gedanken des Dienens fort. Aber auch in anderen Bereichen zeigt er seine Dankbarkeit für die gute Belehrung in der BiGeBe: „Wir haben auch sonst vieles gelernt – in theologischen Fragen und besonders auch bezüglich der Familie –, was wir nie gehört hatten und uns zuvor einfach nicht so bewusst war.“
Das Jahr 2002 ging langsam zu Ende, aber der Zustrom von Geschwistern in die Gemeinde riss nicht ab. Auch eine Schülerin aus Berlin war darunter: Dany B. hatte ihr letztes Schuljahr in Los Angeles verbracht, um in der Grace Community Church ein Praktikum zu absolvieren. Nach diesem Auslandsjahr kehrte sie 2002 vorerst wieder nach Deutschland zurück, um hier ihr Abitur zu machen. Danach wollte sie aber gerne wieder in die Vereinigten Staaten von Amerika, um am Master’s College[1] zu studieren, und konnte diesen Wunsch schließlich auch realisieren. Zunächst kam Dany aber zurück nach Berlin und bald auch in die Bibelgemeinde. Doch nicht nur sie selbst kam treu zu den Veranstaltungen: Wenig später brachte sie auch ihre Eltern Manfred und Elvira und ihre kleine Schwester Anne mit in die BiGeBe.
Dem einen oder anderen Leser erscheint diese Truppe vielleicht als ein ziemlich bunt zusammen gewürfelter Haufen – und er liegt damit nicht falsch… Ob Amerikaner, Isländer, Ukrainer, Schweizer oder Deutsche – Gott bereitete sich schon jetzt aus vielen Völkern Seinen Lobpreis. Aber Er war noch lange nicht fertig!
Denn kurze Zeit später kamen in Person von Olaf B., seiner Frau Yolanda und ihren drei Kindern auch Christen aus Südamerika in die Bibelgemeinde. Durch eine Missionarsfamilie – bei denen es sich um Freunde und Unterstützer von Familie B. handelte – waren sie in Equador mit dem christlichen Glauben in Berührung gekommen, haben mit ihnen in der Bibel gelesen, und sind schließlich gläubig geworden. Als sie aus beruflichen Gründen für zwei Jahre nach Berlin kommen mussten, suchten sie sogleich eine Gemeinde und gerieten über den deutschen Missionar aus Equador an Dieter. „Damals gab es die BiGeBe noch nicht und wir haben in Berlin sehr viele Gemeinden besucht aber nichts gefunden. Als es dann losging mit der Bibelgemeinde wurden wir von Dieter zur Gemeinde eingeladen und sind sehr gerne dorthin gegangen. Besonders war die Gemeinschaft mit den Geschwistern, die wir so noch nicht erlebt hatten. Wir haben außerdem sehr vieles aus der Bibel gelernt und ausgelegt bekommen. Nicht nur im Gottesdienst, sondern auch sonntags in der Bibelstunde vor dem Gottesdienst, bei den anderen Bibelstunden unter der Woche, oder auch unserem Hauskreis mit Familie B.“, berichtet Olaf freudig von der Zeit in der Bibelgemeinde und führt anschließend weiter aus: „Als wir in die Gemeinde kamen, waren wir erst sehr frisch im Glauben: Ein Jahr bevor wir nach Berlin kamen, sind wir erst zum Glauben gekommen, und in Equador haben sie mehr Wert auf Lobpreis denn auf Bibelstudium gelegt. Wir hatten damals wenig Ahnung, haben aber immer mehr wissen wollen und uns daher gefreut, dass wir nun die Bibel ausgelegt bekamen.“ Ende 2003 verließ Familie B. Berlin und die BiGeBe zum Leidwesen ihrer Geschwister wieder in Richtung Südamerika, wo sie dem Herrn auch heute noch dienen.
Olaf deutete bereits an, dass in der Bibelgemeinde schon in dieser Zeit viel Wert auf biblische Belehrung gelegt wurde. Die Geschwister kamen anfänglich mittwochs zur Bibelstunde und sonntags zum Gottesdienst zusammen. Doch bereits im Jahr 2003 wurde das Programm um eine zusätzliche Bibelstunde am Sonntagmorgen vor dem Gottesdienst und eine Bibelstunde am Freitagabend erweitert. Warum aber so viel Lehre? „Sollen wir nicht vielmehr als Christen leben – anstatt alle Theologie-Experten zu werden?“ Gewiss ist das eine Gefahr für gläubige Menschen, dass man bei allem Hören das Tun vergessen kann – auf der anderen Seite sieht jeder aufmerksame Bibelleser aber auch, von welch großer Bedeutung gesunde Lehre und eine korrekte Theologie ist. Wie Ehepartner sich wesentlich besser lieben können, wenn sie sich gut kennen und verstehen, so ist es auch für einen Christen ungemein wichtig, Gott zu kennen, um Ihn lieben zu können – wie Christus selbst sagt: „Wenn ihr mich liebt, so werdet ihr meine Gebote halten!“[2]
Interessant ist auch zu sehen, wie die neutestamentlichen Briefe an die jungen Gemeinden aufgebaut sind. Wiederholt sehen wir, wie die inspirierten Schreiber zunächst ein lehrmäßiges Fundament legen, ehe sie in praktische Aufforderungen an die Adressaten übergehen: So weist beispielsweise der Römerbrief elf (!) Kapitel überwiegend theologischer Ausführungen auf, ehe Paulus in Römer 12,1 anfängt, vermehrt praktische Aufforderungen an den Empfängerkreis zu richten: „Ich ermahne euch nun, Brüder, durch die Erbarmungen Gottes, eure Leiber darzustellen als ein lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Opfer, was euer vernünftiger Gottesdienst ist.“ Ebenso baut der Apostel auf vier Kapiteln tiefgründiger Lehre im Galaterbrief auf: „Für die Freiheit hat Christus uns frei gemacht. Steht nun fest und lasst euch nicht wieder durch ein Joch der Sklaverei belasten!“ Schließlich dient auch der Epheserbrief als ein gutes Beispiel jenes Prinzips, dass uns im Neuen Testament so deutlich vor Augen geführt wird: „Ich ermahne euch nun, ich, der Gefangene im Herrn: Wandelt würdig der Berufung, mit der ihr berufen worden seid, mit aller Demut und Sanftmut, mit Langmut, einander in Liebe ertragend!“[3] Mit diesen Worten geht Paulus auch hier nach drei Kapiteln des Grundlagenlegens zur Anwendung dieses Wissens über. Schließlich bringt er es in seinem Gebet für die Gemeinde in Kolossä sehr deutlich auf den Punkt: „Deshalb hören auch wir nicht auf, von dem Tag an, da wir es gehört haben, für euch zu beten und zu bitten, dass ihr mit der Erkenntnis seines Willens erfüllt werdet in aller Weisheit und geistlichem Verständnis, um des Herrn würdig zu wandeln zu allem Wohlgefallen, fruchtbringend in jedem guten Werk und wachsend durch die Erkenntnis Gottes, gekräftigt mit aller Kraft nach der Macht seiner Herrlichkeit, zu allem Ausharren und aller Langmut, mit Freuden dem Vater danksagend,…“
Neben der hohen Priorität, die der Lehre in der Bibelgemeinde zugedacht wurde, waren aber auch Gemeinschaft und Jüngerschaft zentrale Anliegen.
Olaf hat bereits einen Hauskreis angesprochen, den Familie B. und B. bildeten. Parallel dazu traf sich auch Familie A. einmal die Woche abends mit ihren Eltern, Familie M, W. und B.. Der dritte Hauskreis schließlich fand bei Familie G. statt. Zu diesem kamen neben Wade auch regelmäßig einige Ungläubige, wie beispielsweise Carys Fahrlehrer. Ziel dieser Hauskreise war es, in den drei verschiedenen Gegenden, in denen die Ältesten wohnten, eine Möglichkeit für die dort wohnenden Gemeindeglieder zu schaffen, auch unter der Woche zusammen zu kommen: Christians Hauskreis fand in Ahrensfelde statt, Carys in Französisch-Buchholz und Dieters in Weißensee. Auch sollten in diesen Gegenden gezielt ungläubige und suchende Menschen eingeladen und unter das Wort Gottes gebracht werden.
Mit Beginn des Jahres 2003 starteten zudem die Frauenstunden, bei denen die Frauen der Gemeinde zunächst alle zwei Wochen – ab Sommer nur noch alle vier Wochen – montags zusammenkamen und frauenspezifische Themen („also eigentlich immer Titus 2 und Sprüche 31“, geben die Frauen tiefe Einblicke in die Inhalte…) ansprachen. Inoffiziell hatte es aber auch davor schon Treffen der Frauen gegeben, wie Lois anmerkt: „Die Frauenstunde hatten wir eigentlich schon von Anfang an – aber beim ersten Mal waren es einfach nur Kristjana, Sheryl und ich.“
Die Männer hatten ebenfalls ein besonderes Treffen unter sich: Sie kamen mittwochs in der Frühe zum so genannten „Männerfrühstück“ zusammen. Alex erzählt begeistert: „Das war eine echt coole Zeit! Mit Lachs und Würstchen und Gebet und… ach, das war wirklich super! Da bin ich um 5 in Bernau aufgebrochen, um rechtzeitig um 6 Uhr 30 beim Männerfrühstück zu sein.“ Dass sie noch nicht so viele waren in der BiGeBe, störte ihn indes überhaupt nicht: „Uns war ziemlich egal, ob wir 100 oder 10 Leute waren. Es war sogar eine schöne Atmosphäre mit so wenigen in der Gemeinde. Wir waren wie eine größere Familie und hatten ein sehr enges Verhältnis.“
Während das enge Verhältnis blieb, wurde die besagte „größere Familie“ immer größer: Am Ende des ereignisreichen Jahres 2002 hatten sich nochmals neue Gesichter in der Gemeinde gezeigt: Familie G.. Zum Zeitpunkt ihres ersten Besuches in der Bibelgemeinde Berlin waren sie noch Missionare in Russland. Wie war es dazu gekommen? „Wir hatten das Verlangen in die Mission zu gehen, wir wollten schon immer etwas Missionarisches machen. In Russland haben wir interessante Gemeinden gefunden und dachten, das sei ein guter Ort. Tatsächlich war es aber naiv, da sich diese Gemeinden als sehr pfingstlerisch herausstellten und es dort viele Irrlehren gab. Auch hatten sich unsere Gemeinden eigentlich dagegen ausgesprochen, dass wir gehen. Wir hatten nie eine Bibelschule gemacht sondern sind einfach drauf losgegangen“, fasst Pascal G. zusammen, wie er und seine Ehefrau Beatrix (Bea) im Oktober des Jahres nach Russland gekommen sind.
Offensichtlich wollte Gott sie aber in Berlin haben und führte sie neun Monate nach Gründung der BiGeBe erstmals dorthin, wie Pascal weiß: „Über Weihnachten 2002 sind wir nach Berlin gekommen, um unseren Bekannten, Martin M., zu besuchen. Über ihn haben wir dann die Bibelgemeinde kennen gelernt. Wir hatten durch Martin schon Kassetten von John MacArthur bekommen, als wir noch in der Schweiz waren, und damals bereits gemerkt, dass da mehr Substanz dahinter ist. Aber so wirklich verstanden und auch gelebt gesehen haben wir das erstmals in der Bibelgemeinde.“ Mit Familie M. führten sie dann das ein oder andere hilfreiche Gespräch – eine Entscheidung bezüglich ihrer weiteren Zukunft wurde aber nicht getroffen. Bea beschreibt die Situation wie folgt: „Dass wir unseren Dienst in Russland wieder abbrechen, wussten wir bis zum Berlin-Besuch nicht. Wir wussten dann zwar, dass es in Russland nicht gut war, aber wir hatten noch keine Ahnung, wo wir hingehen sollten und wären wahrscheinlich wieder zurück nach Russland oder womöglich sogar zurück in die Schweiz gegangen.“
Dass es dazu nicht kam, ist vor allem den Gesprächen zuzuschreiben, die Familie G. in den nächsten Tagen mit den Ältesten der Bibelgemeinde führen sollten. Zunächst arrangierte Martin ein Treffen mit Familie A., wenig später sollte ein Gespräch mit allen Ältesten folgen. Pascal erinnert sich an diese Unterredung: „Christian kannten wir dann schon, Cary, war von Anfang an lustig und vor dem hatten wir keine Angst, aber Dieter…“ – „vor Dieter hatten wir richtig Angst!“ wirft Bea ein (…sind das Schweißperlen, die sich da auf ihrer Stirn zeigen?), bevor Pascal ihr zustimmend fortfährt: „Dieter hat uns auch wirklich hart angepackt und gesagt, dass es erstmal der richtige Weg ist, selbst Ältester zu werden bevor man hinaus geht. Sie haben uns alle gefragt, ob die Ältesten in der Schweiz dahinter gestanden haben, dass wir in die Mission gingen. Auch informierten sie uns, dass sie die Ältesten dort kontaktieren würden, um zu erfahren, wer wir sind… aber sie haben uns auch deutlich gemacht, dass sie uns eine Chance geben würden in Berlin – das hätten wir nie für möglich gehalten. Das war zu schön um wahr zu sein und diese Einladung haben wir dann direkt angenommen.“ Bea ergänzt: „Es hat uns schon gleich fasziniert, dass sich Älteste überhaupt so viel Zeit für uns nehmen und Interesse an uns hatten. Auch die Gemeinde hat uns beeindruckt, denn sie war weder gesetzlich noch liberal – einfach biblisch. Vor allem in den Bereichen der Ehe, Familie und Kindererziehung ist uns das schnell aufgefallen.“ Pascal führt diesen Gedanken noch weiter aus: „Also einfach, dass die Gemeinde klare Grenzen zieht, wo es biblische Grenzen gibt – sei das in Ehe und Kindererziehung oder auch bis hin zur Gemeindezucht. Aber auf der anderen Seite macht sie keine dogmatischen Aussagen, wo die Bibel nichts sagt, zum Beispiel bezüglich Musik, Kleidung, und so weiter… und nach einer solchen Gemeinde haben wir uns immer gesehnt. Auch haben wir verschiedene Familien gesehen – B., G., A., M. – und da haben wir uns gedacht, so wollen wir auch einmal unsere Familie haben.“
Stellte sich nur die Frage, was aus dem Einsatzfeld in Russland werden sollte?! Für das Ehepaar G. war diese Frage allerdings nicht so schwierig zu beantworten, wie aus Beas Kommentar deutlich wird: „Wir haben denen gesagt, dass wir gehen und sind innerhalb von eineinhalb Wochen weg gewesen. Die haben uns dort gesagt: ‚Ihr folgt dem Weg des Teufels’ und es gab viel Kritik. Aber das war uns dann alles egal – wir wollten nur noch nach Berlin.“ Dort kamen sie auch Ende Januar wieder hin, um ihre sieben Sachen abzuladen, die sie aus Russland mitbrachten. Daraufhin schickten die Ältesten sie aber noch einmal auf eine Reise in die Schweiz, in der das junge Ehepaar in den nächsten drei bis vier Wochen die Gemeinden besuchte, die sie kannten und unterstützt haben. Bei ihnen haben sie sich entschuldigt, Fehler eingeräumt und nicht wenig „Wir haben es euch ja gesagt“ gehört. Auch sagte man „Erst charismatisch in Russland und nun das krasse Gegenteil: John MacArthur in Berlin? Jetzt seid ihr total abgedreht…“ Pascal und Bea waren sich trotz alledem ihrer Sache sicher und kehrten so schon am 1. März wieder nach Berlin zurück. Dort konnten sie zunächst für drei Monate in das Haus der Familie G. einziehen, da diese sich zu jener Zeit im Heimaturlaub in Washington befand.
Was aber war dran an der Skepsis ihrer Bekannten? Wie sollte es nun in Berlin weitergehen? Zunächst wurden die beiden in ihren Vorstellungen von Berlin korrigiert: „Am Anfang wollten wir nur schnell das EBTC machen und dann wieder gehen“, spricht Bea von den anfänglichen Gedanken, aber Pascal zeigt auf, was sie in Berlin tatsächlich erwartete: „Wir kamen aus der Schweiz zurück und man hat uns gesagt: Lebt euch mal ein, sucht euch einen Job,… Was wir da nicht wussten: Die Ältesten wollten uns in dieser Zeit erst einmal prüfen und schauen, ob wir treu sind, uns bemühen und bereit sind, uns unterzuordnen.“
Für einige womöglich überraschend, folgten sie dem Rat der Ältesten ohne Murren und schon bald fand Bea einen Job als Hauskrankenschwester. Pascal fiel auf, dass sie in Berlin wie verrückt Taxifahrer suchten: Also „habe ich eine Taxischule besucht, alle Straßen Berlins gelernt, und einen Job gefunden. Bea hat dann wieder aufgehört zu arbeiten, weil sie mit David-Elia schwanger war“, erzählt Pascal von seiner beruflichen Situation und ihrem ersten Sohn, der nun „unterwegs“ war. Bea staunt über Gottes Wirken hinter den Kulissen: „Gott hat einfach alles wunderbar geführt. Es hat alles so genau zusammengepasst: Dass Familie M. uns hierher gebracht haben, dass ich einen Job gefunden habe und damals noch nicht schwanger war, als Pascal noch kein Geld verdiente, dass Familie G. im Heimaturlaub waren, als wir kamen, und uns einfach in ihrem Haus wohnen ließen und wir in ihrem Ehebett schlafen durften… das war für uns überwältigend!“
Das Ehebett von Familie G. verließen sie aber im Juni wieder und konnten eine 3-Zimmer-Wohnung direkt über der Gemeinde mieten. Dieser neue Wohnort dicht am Gemeindegeschehen half sehr dabei, schnell in der Gemeinde Fuß zu fassen. Pascal schätzt diese Zeit sehr: „Uns war es erst einmal das Wichtigste, in der Gemeinde zu sein und zu dienen, da hineinzuwachsen. Bea hat geputzt und für Christian Briefe eingetippt, ich habe die ersten Aufnahmen gemacht, die Technik übernommen, CD’s gebrannt. Eigentlich haben wir genau das Gegenteil von dem gemacht, was wir in der Schweiz getan haben: Wir haben uns untergeordnet und sind nicht mehr die eigenen Wege gegangen. Wir wurden sehr genau beobachtet und kontrolliert, gerade beim Schneiden und Editieren der Predigten. Aber so durften wir uns bewähren und das war auch gut so.“
Rückblickend sind beide sehr dankbar für diese Zeit des Mitgehens und Lernens, wie Pascal zusammenfasst: „Wir haben einfach alles miterlebt und gesehen und zwischendrin immer mal wieder mit Dieter oder Cary geredet. Da haben wir so viel gelernt! Wenn jemand einfach in der Gemeinde mit lebt, bei allen Bibelstunden und Predigten dabei ist und eben nachfragt, wenn er Fragen hat, oder zum Beispiel auch mal an einem Nachmittag das Treffen sucht, dann lernt und wächst man so viel.“ Bea stimmt dem zu und merkt an: „Wir hatten eigentlich nie eine 1-zu-1-Jüngerschaft, aber das war aufgrund all der gemeinsamen Zeit mit den Familien der Ältesten auch gar nicht zusätzlich nötig.“
Auch der damalige EBTC-Student W. G., kann das „Wunder von Ber(li)n“ in Person der beiden Schweizer (ausBern und Winterthur) und seit 2003 Wahl-Berliner kaum fassen – erinnert er sich doch noch allzu gut daran, wie er Familie G. das erste Mal gesehen hat: „Mei o Mei, als ich die gesehen habe, habe ich gedacht: ‚Sind das verrückte Vögel!’. Dass der Herr die noch gebrauchen kann, das bedarf echt einer Menge Gnade.“ Doch beeilt er sich nun, mehr als sechs Jahre später, hinzuzufügen: „Umso mehr freut es mich, wenn ich jetzt sehe, wie ihr euch entwickelt habt. Gnade über Gnade!“
Im Sommer 2003 konnte die BiGeBe sogar ihren ersten Praktikanten begrüßen und von seinen wertvollen Diensten zehren: Vitali F. kam für 3 Monate von der Bibelschule Brake und absolvierte sein Gemeindepraktikum in der Bibelgemeinde. Dieter erzählt: „Es war für uns sehr hilfreich, in dieser Zeit noch jemanden als Unterstützung zu haben. Vitali hat z.B. Schilder und Autoaufkleber für Gemeinde und EBTC hergestellt. Auch hat er für die Freiversammlungen sämtliche Genehmigungen eingeholt…“
Freiversammlungen? Ja, in diesem Sommer trug die BiGeBe einige Veranstaltungen aus, um nun auch mehr Leute von außerhalb auf die Gemeindearbeit und das Evangelium, das sie verkündigte, aufmerksam zu machen: „Wir haben in diesem Sommer mehrere Freiversammlungen gemacht. Wir haben Musik gemacht, kurze Ansprachen gehalten und Zeugnisse gegeben“, berichtet Dieter von den Bemühungen, die Menschen in der Umgebung mit dem Evangelium zu erreichen und zur Gemeinde einzuladen. Schmunzelnd fährt er fort: „Das war so laut! Die Leute haben alle aus den Fenstern geguckt und sich gewundert. Aber wir hatten drei Genehmigungen und waren damit abgesichert.“ Für die Musik sorgten indes Wade D. und Pascal G.. Gott hatte nämlich in Person von Pascal für den näher rückenden Abschied von Wade bereits wunderbar vorgesorgt. Wenngleich sein Stil sich doch recht deutlich von dem des amerikanischen Pianisten unterschied, stand er seinem Vorgänger doch in seiner Fähigkeit, die Anbetung Gottes zu fördern und die Gemeindeglieder durch schöne Musik zu erfreuen, in nichts nach.
Bei den Freiversammlungen gab es übrigens noch weitere Unterstützung: Einige Geschwister von der Grace Community Church waren Ende Juli für zwei Wochen in Berlin. Sie waren das erste einer Vielzahl von Teams aus den USA, die seitdem jedes Jahr nach Berlin kamen, um bei der Gemeindegründungsarbeit zu helfen. In diesem Sommer probten die Amerikaner fleißig Lieder für die Straßeneinsätze. Außerdem brachten sie sich tatkräftig bei der Ausrichtung einer Kinderwoche vom 22.-26.07.2003 ein.
Jedes Jahr kamen ein bis drei solcher Sommerteams in die Bibelgemeinde. Für die Teilnehmer war es ein großer Segen, nach Berlin zu kommen, wie Cary erläutert, der den Großteil dieser Einsätze organisierte: „Für die Mitglieder der Teams waren diese Trips sehr prägend. Viele von ihnen haben nie zuvor die USA verlassen und so wurde es für sie zu einer neuen und aufregenden Erfahrung, ein anderes Land mit einer anderen Kultur kennen zu lernen. Es ist wirklich gut für sie, Christen zu treffen, die eine andere Sprache sprechen, aber denselben Heiligen Geist in sich wohnen haben und denselben Retter lieben. Die Menschen, die mit einem Sommerteam nach Deutschland kamen, kehrten mit einem wesentlich klareren Bild von Mission wieder nachhause zurück.“ Vor allem aber profitierte die Bibelgemeinde sehr: Jedes Team half der Gemeinde durch praktische Dienste – z.B. bei Umzügen – und vor allem durch Unterstützung der evangelistischen Bemühungen. So wurden jedes Jahr viele Tausend Traktate an die Menschen verteilt und in die Briefkästen der direkten oder weitläufigeren Umgebung geworfen. Auch finanzierten die Teams ihre Einsätze in Deutschland mithilfe von Unterstützern aus ihren Heimatgemeinden und eigenen Ersparnissen und fielen so der Bibelgemeinde nicht zur Last – vielmehr unterstützten sie häufig noch finanziell die Produktion der zu verteilenden Schriften.
Alljährlich avancierten die Besuche solcher Teams zu den Highlights des Sommers und leisteten große Dienste beim Aufbau der Bibelgemeinde.
Gemeindegründungsarbeit in Berlin. Ja, das war ihr Ziel gewesen, als Cary, Christian und Dieter in den Vereinigten Staaten von Amerika das Vorrecht hatten, Gottes offenbarten Willen intensiv zu studieren und zu lernen, worauf es im Leben eines Christen – insbesondere im Leben eines Hirten – ankommt. Die Liebe zum Worte Gottes ist stark in ihnen und wächst beständig. Wäre dem nicht so, hätten sie nach den ersten Misserfolgen und Dürrezeiten wohl schnell wieder ihre Koffer gepackt. Dieter nimmt ein weiteres Mal Bezug auf die Zeit vor Gründung der Bibelgemeinde: „Es war sehr gut, dass wir gedemütigt wurden. Dass wir nicht meinen: Wir kommen vom Master’s Seminary und jetzt wird alles hier laufen. So ist das nämlich nicht und wir durften auf diese Weise Demut und viel für den weiteren Dienst lernen.“
In Anbetracht der totalen Verdorbenheit des Menschen, ist die Tatsache mehr als verwunderlich, dass Gott aus sündigen Menschen Seine Gemeinde baut – schließlich handelt es sich bei der Gemeinde um die Braut Christi! Noch erstaunlicher ist aber, dass Er sich bei jenem Bau ebenfalls in solch hohem Maße sündiger Menschen bedient und ihnen Verantwortung überträgt, der niemand je gerecht werden könnte ohne von Gott selbst dazu ausgerüstet zu sein!
Schnell wird auch klar, wie eine solche Arbeit wachsen und gedeihen kann. Etwa durch annehmliche Räumlichkeiten, eine große Menge Bibelstunden, gute Musik, Freiversammlungen, oder großflächiges Verteilen von Einladungen? Durch gut ausgebildete Pastoren, ihre ehrbaren Ehefrauen und wohlerzogenen Kinder? Ja, das sind gute Gründe und wichtige Voraussetzungen – aber auch ein Garant für Gemeindewachstum? Mitnichten! So lehrt uns Paulus im 1. Korintherbrief: „So ist nun weder der pflanzt noch der begießt etwas, sondern Gott, der das Gedeihen gibt.“[4] Dass eine Gemeinde zahlenmäßig und in ihrer geistlichen Reife wachsen darf ist das Werk Gottes und muss auch im Falle der Bibelgemeinde klar betont werden. Ja, Gott wird geehrt durch Gehorsam gegenüber Seinem Wort und ja, Er segnet und belohnt Gehorsam! Aber doch obliegt es Seiner Souveränität, Menschen zu ziehen, zu überführen, auf die Knie zu bringen, umzugestalten. „Ihm sei die Ehre in der Gemeinde!“
[1] „The Master’s College“ (TMC); Hochschule, die eng mit dem Master’s Seminary und der Grace Community Church in Kalifornien verbunden ist.
[2] Johannes 14,15
[3] Epheser 4,1-2
[4] 1. Korinther 3,7
M isstionsdienst hier in Ostberline heisst Gott muss blinde Sünder zieh'n
In den ersten Monaten nach Gründung der Bibelgemeinde fanden also einige, die bereits Christus angehörten, in der BiGeBe ihre geistliche Heimat und schlossen sich den Geschwistern in Berlin an, um dort anzubeten, zu lernen und zu dienen. Die mit der Gemeindegründungsarbeit betrauten Ältesten durften sich daran erfreuen, immer mehr Menschen das Wort Gottes zu predigen und ihnen dadurch und durch ihren Hirtendienst zum Segen zu werden. Gleichermaßen freuten sich Christian, Cary und Dieter an der tatkräftigen Unterstützung durch viele der neu hinzugekommenen Gemeindeglieder.
Nun war es ja das Ziel des Gemeindebaus in Berlin-Hohenschönhausen, nicht nur eine Versammlung der Heiligen zu sein, sondern auch die zahlreichen Menschen mit dem Evangelium zu erreichen, die im Umfeld der Bibelgemeinde zuhause waren. Dass die Bemühungen gesegnet wurden, ist einmal mehr dem Rettergott zu verdanken, der reichlich Seine Gnade ausgoss: So brachte das Jahr 2004 verstärkt solche in die BiGeBe, die lange Zeit ohne Gott lebten, bis es Ihm gefiel, sie zu sich zu ziehen.
Zunächst war da Ursula. Durch ihre katholische Erziehung war ihr die Bibel bereits in der Kindheit vertraut. Doch als sie sich mehr und mehr von geistlichen Dingen entfernt hatte und ihre erste Ehe in die Brüche gegangen war, stand sie Gott zwischenzeitlich sehr fern. Dies sollte sich erst ändern, als sie ihren späteren Mann Rubin kennen und lieben lernte: Er hat sie immer wieder ermutigt, die Bibel zu lesen, Gottesdienste zu besuchen und sich einer Gemeinde anzuschließen. Und tatsächlich folgte Ursula dem Rat ihres gläubigen Mannes nach und nach, indem sie in der Bibel las, viele Fragen stellte und sich Predigten im Fernsehen anhörte. Aber einer Gemeinde wollte sie sich nicht anschließen: „Rubins Gemeinde hat mich nicht so angesprochen. Auch im Fernsehen hatte ich schon charismatische Gemeinden gesehen und dort hat es mich abgeschreckt, wenn die komisch gelacht haben und umgefallen sind“ gibt Ursula Einblick in ihre Eindrücke und der Entscheidung gegen die Gemeinde ihres Mannes. Dieser „akzeptierte meine Entscheidung, wollte aber, dass ich wenigstens in eine andere Gemeinde gehe“ fährt Ursula in ihrer Erzählung fort, was sich aber als gar nicht so einfach darstellte: In ihrer Umgebung wusste sie von keiner bibeltreuen Gemeinde, und sonntagmorgens früh weite Strecken zu fahren, war ihr dann doch zu viel…
„Kurz vor Ostern bin ich aber mit Rubin zum Film ‚Die Passion Christi’ gegangen. Vor dem Kino standen Dieter und Cary und verteilten Prospekte von ihrer Gemeinde. Mit denen sprachen wir dann auch und ich merkte ‚Wow – das ist ja ganz nah bei mir. Dahin schaffe ich es auch sonntagmorgens’“, erinnert sich Ursula noch an die erste Begegnung mit Leuten von der BiGeBe, bevor sie auch von ihrem ersten Besuch in dieser Gemeinde berichtet: „Ich bin dann zur Gemeinde gegangen und fühlte mich von Anfang an zugehörig! Ich fühlte mich überhaupt nicht als die Neue, als Fremde, als Außenseiterin. Es war so, als käme ich in eine Familie und gehörte direkt dazu. Dieses will ich auch gerne weitergeben, dass das etwas Wunderbares ist und mich sehr beeindruckt hat! In der Kirche war immer alles so auf Distanz und es gab höchstens mal kleine Grüppchen. Dabei merke ich heute, dass so viel mehr dazu gehört und es nicht nur reicht, sonntagmorgens zum Gottesdienst zu gehen. Ich finde es auch gut, dass die Pastoren nie auf einer höheren Stufe standen. Als Kind dachte ich immer ‚Oh, ein Pastor. Das ist so etwas Erhabenes.’ Aber das ist hier nicht so: Wir sind wirklich Geschwister! Auch geht das mit jedem: Ich habe das Gefühl, dass jeder für einen da ist – man kann einfach anrufen und reden.“
Auch ihr Mann Rubin war mit der Gemeindewahl seiner Frau zufrieden, nachdem er sich persönlich davon überzeugt hatte, dass dort die Bibel gelehrt und gelebt wird. Wie seine Ehefrau bedauerte er, nicht gemeinsam mit ihr in eine Gemeinde zu gehen, sah aber mit Freuden, wie Ursula seitdem regelmäßig in diese Versammlung von Gläubigen ging – und das nicht nur zu den Gottesdiensten, sondern auch zu den Bibelstunden, weil sie nach eigener Aussage gerade im Bereich der Belehrung „viel Nachholbedarf hatte“: „Als ich dann auch hier in der Gemeinde war, hat es noch einige Zeit gedauert, bis ich wusste, dass ich errettet bin. Bei mir war noch viel das Denken aus der Kindheit drin, dass man Werke tun müsse. Gerade deshalb war mir die Bibelstunde sehr wichtig und hilfreich: Wir brauchen das wirklich als Christen… Ich merke auch, dass ich ohne Gemeinde nicht dahin gekommen wäre!“
Dieses Statement könnte ebenso von Kathrin S. kommen, von der bei ihrem ersten Auftritt in der Bibelgemeinde wohl niemand eine so krasse Lebenswendung erwartet hätte: Bea trifft es – wie gewohnt ohne große Umschweife – auf den Punkt: „So eine Kleine, Dicke, Freche.“ Obwohl mit ihren 18 bzw. 19 Jahren eigentlich zu alt, bekam Kathrin nach ihrem Psychiatrie-Aufenthalt eine Genehmigung, in eine WG vom Jugendamt zu ziehen. Ohne einen Vater aufgewachsen hat sie bereits in ihrer Jugendzeit auch ihre Mutter und Halbschwester verlassen, um frei von aller Einmischung zu sein. Ganz gelang ihr das aber nicht, wie sie ihre WG-Zeit kommentiert: „Es gab eigentlich kaum Einschränkungen für mich. Außer, dass man keine Drogen und Alkohol konsumieren durfte – das habe ich aber gleich am dritten Tag gebrochen…“
Wie war sie aber zur BiGeBe gekommen? Über eine WG-Kollegin hatte sie von einem Hauskreis erfahren, der sich für Jugendliche ganz interessant anhörte – zumindest für solche, die nicht wussten, was sie sonst mit sich anfangen sollten. Mit den dortigen Leitern, Manfred und Andrea S., kam Kathrin schließlich das erste Mal in die Bibelgemeinde Berlin. Obwohl dieses Ehepaar der Gemeinde selbst nicht beitreten wollte und ihre Besuche auch nach ca. einem Jahr wieder einstellten, hatten sie auf diese Weise dafür gesorgt, dass Kathrin zum ersten Mal eine Predigt hörte, von der sie folgendes erzählt: „Die erste Predigt ging darüber, wie sündig der Mensch ist – aber ich habe nicht gedacht, dass die für mich war. Ich dachte immer, das wäre für die Leute in der Gemeinde, aber nicht für mich. Trotzdem hat mich diese Predigt nicht mehr losgelassen, denn so etwas habe ich in diesem Hauskreis nie gehört. Ich war sehr neugierig auf das, was in der Bibel steht.“
Kathrin kam in der Folgezeit öfter mal zur Gemeinde, wobei es noch sehr unregelmäßig war. Dennoch bekam sie in dieser Zeit mehr Kontakt zu Bea, den diese initiierte: „Wie ich halt so bin, habe ich direkt mit Kathrin geredet und sie ausgefragt. Ich habe sie gefragt, ob sie mich mal besuchen will, habe ihr aber auch gesagt, dass ich mit ihr in der Bibel lesen will.“ Kathrin störte sich daran nicht so sehr, ließ aber auch durchblicken, dass es sie nicht besonders berührte: „Mir war das egal – Hauptsache ich konnte bei Bea essen!“ Daran erinnert sich auch Bea noch gut: „Ich hatte immer extra eine größere Auflaufform, damit ich noch etwas für den nächsten Tag habe – aber sie hat einfach alles aufgegessen. Beim nächsten Mal habe ich ihr die Auflaufform einfach weggenommen!“ Damit wollte Bea Kathrin eigentlich nur helfen, auf einen guten Weg zu kommen: „Nachdem Kathrin selbst öfter erwähnte, dass sie abnehmen möchte, habe ich ihr gesagt, dass ich ihr helfen könnte. Aber bei aller Hilfe haben wir schon auch etwas von ihr gefordert und ihr gesagt, dass kein Leben mit Gott und der Welt geht.“ Ausführlichere Gespräche mit der jungen Frau gab es auf den Heimfahrten vom Hauskreis bei Familie H., der seit 2004 mit Familie G. und B. in Bernau stattfand, während die beiden anderen Hauskreise von Familie A. und G. keinen Ortswechsel vollzogen. Kathrin erinnert sich noch gut an besagte Fahrten: „Auf der Heimfahrt nach Hohenschönhausen haben mich Pascal und Bea dann immer vollgepredigt, dass ich Buße tun müsste, und so weiter. Wir haben seit wir uns kennen, immer sehr direkt miteinander gesprochen und sie haben mir auch immer ganz offen gesagt, was ich tun und ändern muss. Das betraf vor allem Alltagsdinge, von denen sie anhand der Bibel aufzeigten, dass das Sünde war.“ Doch bei Kathrin war es noch nicht dazu gekommen, sich unter den Herrn Jesus Christus zu beugen, wie sie traurig feststellt: „Obwohl ich zu diesem Zeitpunkt nicht gläubig war, haben einige aufgrund meines äußeren Verhaltens angenommen, dass ich gläubig sei. Ich hätte mir auch gewünscht, dass ich gläubig gewesen wäre – aber es war nicht so.“
Daran änderte auch das Chronologische Bibelstudium erst einmal nichts: Im Herbst 2004 fand donnerstags in der Bibelgemeinde ein Kurs statt, der chronologisch den Roten Faden durch die Bibel zeigte. Kathrin ging regelmäßig dorthin und lernte vieles, doch noch immer war sie ein Sklave der Sünde.
Schaute man bei jenem Kurs durch die Reihen, sah man neben Kathrin auch viele andere neue Gesichter, die im Sommer den Weg in die Bibelgemeinde Berlin gefunden hatten.
Zwei davon waren Wilhelm und Rosemarie (Rosi) N.. Sie hoben nicht nur den Altersdurchschnitt der BiGeBe, sondern brachten auch eine lange und leidvolle Geschichte mit sich.
Wilhelm wuchs in einem ungläubigen Elternhaus auf: Während der Vater Alkoholiker war und gar nichts mit Glauben in irgendeiner Form am Hut hatte, hörte Wilhelm durch seine Mutter doch ab und zu mal ein Gebet, einen Bibelvers oder besuchte gar einen Kindergottesdienst. Sein Lebenslauf ist dennoch von viel Leid geprägt: Nach seinem Hauptschulabschluss absolvierte er zwar eine Ausbildung als Maschinenschlosser, fand aber in seinem Beruf zunächst keine Anstellung und arbeitete daher als Kellner und Baumaschinist. Einige Zeit später kam er zum britischen Militär nach Bergen-Belsen und bestritt auf dem dortigen NATO-Schießplatz elf Jahre als Betriebsschlosser seinen Lebensunterhalt. Selbst wie sein Vater dem Alkoholismus verfallen, wurde Wilhelm durch den Selbstmord seines ältesten, ebenfalls alkoholabhängigen Bruders stark getroffen. Auch sein Schwager hatte sich bereits das Leben genommen, weil er keinen anderen Ausweg aus Alkoholismus und Familienproblemen fand. Eingedenk dieser schlimmen Situation erzählt Wilhelm von einem denkwürdigen und folgenreichen Gespräch: „Ich war eines Tages bei meiner Schwester und meiner Mutter und wir saßen so zusammen und redeten miteinander – auch über den Tod der beiden Männer. Plötzlich sagte meine Mutter: ‚Ja, Wilhelm. Und der nächste, den wir beerdigen, bist du…’ Das fuhr mir durch Mark und Bein und seitdem wollte ich aufhören zu trinken. Bereits am nächsten Tag suchte ich einen Arzt auf.“
Während seiner halbjährigen Therapie im Sauerland bekam er immer wieder Besuch von einem Ehepaar mit Namen S., das ihm von Jesus erzählte. Mehr als ihr Reden beeindruckte Wilhelm aber ihr gelebtes Zeugnis: „Sie waren die ersten Menschen, die sich wirklich um mich gekümmert haben, und das hat mich sehr bewegt. Bei ihnen erlebte ich wirkliche Nächstenliebe, ein echtes Hingeben für den anderen Menschen.“ Wenig später schenkte der Herr ihm die neue Geburt, wie Wilhelm freudig bezeugt: „Mit diesem Ehepaar ging ich dann auch in einen Hauskreis, wo mich vor allem die Chorusse bewegten, die davon sprachen, dass man sich nicht fürchten müsse. In dieser Gemeinschaft kaufte ich mir eine Bibel, las sie, und kam schließlich auf einer evangelistischen Veranstaltung in Celle zum Glauben.“
Binnen weniger Monate hatte sich Wilhelms Leben also von Grund auf geändert. Der körperliche und geistige Verfall durch den Alkohol war aufgehalten, aber der Tod hatte ohnehin seinen Stachel verloren: Wilhelm hatte nun Hoffnung und erwartete sein unvergängliches Erbe – ganz gleich, was sein weiteres Leben noch mit sich bringen würde.
Doch der Herr hatte in diesem Leben noch eine Menge mit ihm vor – und wieder gebrauchte er die S. dazu: Sie kannten nämlich eine Familie in Berlin, die wiederum Rosi kannten. Während sie ihrer Mutter die Liebe zu Jesus abspüren konnte, erlebte sie bei ihrem Vater eine starke Ablehnung gegen Gott und Sein Wort. Da es für die Familie nach seinem Willen keinen Gott und kein Glaubensleben gab, wurde Rosi vor allem durch ihre Tante und die Gemeinde, wohin diese sie mitnahm, mit der Bibel vertraut gemacht. Als sie älter wurde, entschied sie sich selbst für ein Leben mit Gott – stieß aber damit auf Unverständnis und Ärger bei ihrem Vater, sodass sie ihre Familie schon in frühen Jahren verließ. Dass Rosi dann zunächst in charismatische Kreise kam, störte sie zunächst überhaupt nicht: „Ich dachte anfangs wirklich: ‚Das ist es!’ Zwar bekam ich mehr und mehr Zweifel daran, aber es gab ja keine Bücher dazu auf dem Markt und außerdem fand ich in Berlin nichts Anderes.“ Auch ihre eigene familiäre Situation stellte sie vor nicht geringe Herausforderungen: Aus erster Ehe hatte sie zwei Töchter, die allerdings weitgehend ohne Vater aufwuchsen, weil dieser „ständig betrunken war und mich irgendwann ganz verlassen hat“.
Einen Anderen hatte Gott allerdings von seiner Trunkenheit befreit und ihn zu einer neuen Kreatur gemacht. Dieser Mann, Wilhelm N., trat nun in Rosis Leben: „In Berlin lernte ich Rosi und ihre 2 Mädchen kennen, die bereits 14 und 16 Jahre alt waren. Wir schrieben uns erst ein paar Mal und merkten dann, dass wir zusammen gehören.“ Für Wilhelm als (noch) ledigen Mann war es natürlich einfacher umzuziehen, und so kam er im November 1985 nach Berlin. Dort schloss er sich dann auch Rosis Gemeinde an, wurde getauft und heiratete sie. Rosi weiß, dass dies nicht nur für sie und Wilhelm ein großer Segen war, sondern auch für ihre Töchter: „Die Mädchen sind so dankbar, dass Wilhelm gekommen ist. Sie sagen, dass sie da erst wirklich erlebt haben, was ein Vater ist.“
Mit der charismatischen Gemeinde konnte sich Wilhelm aber weniger gut anfreunden: „Ich war zwar bei den Versammlungen der Charismatiker, aber das war mir alles so fremd und ich habe mich überhaupt nicht wohl gefühlt. Es gab auch Heilungsgottesdienste dort. Ich bin nicht nach vorne gegangen, weil ich da sehr skeptisch war, aber das war ja auch echt komisch, dass die zwei treuesten Gemeindeglieder im Rollstuhl saßen und nicht geheilt wurden. Und diejenigen, die geheilt wurden, denen tat nur der Arm weh…“ Seine Frau sah das genauso: „Das meiste ist echt Schauspielerei. Ich habe schon auch Dinge gesehen, die echt passiert sind, aber überall steht dabei der Mensch im Mittelpunkt: ‚Gott will nicht, dass wir Leid und Not haben’ sagen sie.“
Es folgten viele unzufriedene Jahre in Berliner Gemeinden. Auch waren Wilhelm und Rosi immer wieder auf der scheinbar hoffnungslosen Suche: „Wir haben wirklich gemeint, dass wir keine gute Gemeinde mehr finden. Denn viele Gemeinden in Berlin sind eigentlich charismatisch unterwandert. Und wir dachten uns dann schon, dass wir vielleicht mal ab und zu in die Kirche gehen bei einem einigermaßen gläubigen Pfarrer…“ gibt Rosi Einblick in die Verzweiflung, die diese Situation für sie beide – ihre Töchter waren längst erwachsen und hatten eigene Familien gegründet – mit sich brachte. Wilhelm betont, dass sie nicht schlecht von den Gemeinden sprechen wollen, die sie besuchten: „Wir wollen gar nicht so darüber reden, was dort alles lief. Es gab auch dort viele liebe Geschwister, aber wir hatten einfach nicht den Eindruck, dass wir dorthin gehen sollten… Als wir so ratlos dastanden, riefen wir schließlich bei Ulrich S. an, weil er ja eine Menge Kontakte hat und Gemeinden kennt. Er sagte uns dann: ‚Eine Gemeinde kenne ich selbst nicht, aber ich weiß, dass Christian A. dort in Berlin ist. Ich gebe euch mal seine Adresse.’ Und so kamen wir dann in die Bibelgemeinde.“
Dort waren sie froh über die freundliche Begrüßung und erwarteten gespannt den Gottesdienst. Dieser entsprach auch zunächst ihren Hoffnungen – ehe Cary nach vorne kam, um die Gemeinde während dem Liederblock zu leiten, wie Wilhelm erklärt: „Als Cary dran war, dachte ich nur: ‚Ach du liebe Zeit, das hat mir gerade noch gefehlt! Ein amerikanischer Lobpreisleiter’.“ Seine Frau dagegen war von Anfang an begeistert: „Rosi ist da immer ein bisschen forscher und plante gleich, auch schon zu den Bibelstunden sonntagmorgens zu gehen. Ich war erst einmal etwas verhalten, aber ein Gespräch mit Dieter war dann sehr hilfreich für mich. Und auch mit Cary habe ich mich angenähert.“ Cary selbst kann sich bei der Erinnerung an die ersten Begegnungen mit Wilhelm auch kaum das Lachen verkneifen: „Wilhelm und Rosi haben am ersten Sonntag einen ziemlich verrückten Amerikaner gehört und schon das Schlimmste befürchtet. Aber dann lernten wir uns kennen und dann war es gut… zumindest behaupten sie das jetzt.“
Auch die anderen Bibelgemeindler lernte das Ehepaar nach und nach kennen, wie Wilhelm erzählt: „Familie H. – vor allem Jelena – waren sehr schüchtern. Pascal war eher so ein Wirbelwind wie Cary und hat mir gleich das ganze EBTC erklärt. Und er saß immer am Klavier, wobei ich mich gefragt habe, warum er so auf die Tasten haut.“ Besonders angetan war Ehepaar N. von Anfang an von den Predigten, wie Wilhelm durchblicken lässt: „Mir hat besonders gefallen, dass es fortlaufende Predigtserien waren und nicht so ein Durcheinander.“ Seine Frau stimmt ihm ohne Umschweife zu: „Das war wunderbar. Vor allem war es nicht so ein wirres Herumblättern, sondern eine klar nachvollziehbare Auslegung. Da konnte man wirklich viel lernen… Überhaupt fühlte ich mich gleich wohl in der Gemeinde, weil sie bibeltreu aber gleichzeitig nicht so altbacken war.“
Nun fanden also mehr und mehr Frauen, die ihre Wurzeln in der Bundeshauptstadt hatten, den Weg in die neue Berliner Gemeinde: Ursula, Kathrin und Rosi. Eine jung im Glauben, eine noch nicht zur Umkehr bereit und eine schon lange dabei. Doch der Sommer 2004 brachte noch eine junge Dame in die BiGeBe, wobei es sich dabei eigentlich um ein altes Gesicht handelte, weil sie Familie B., G. und A. schon 2001 das erste Mal begegnet war: JulianeW. .
Aber der Reihe nach: Mit 17 Jahren ging Juliane für ein Austauschjahr in die Vereinigten Staaten von Amerika. Obwohl sie in einer „total unreligiösen Familie“ in Berlin-Lichtenberg aufgewachsen war, erwarteten ihre gläubigen Gasteltern von ihr, dass sie zumindest die ersten vier Wochen drei Mal wöchentlich mit in die Gemeinde kommen sollte. „Für mich war das gar nicht weiter schlimm, da ich ja auch in der Absicht nach Amerika gegangen war, den christlichen Glauben kennen zu lernen. In Deutschland habe ich zwar vieles in der Schule gelernt, aber ich hatte noch nie eine Bibel in der Hand gehabt“, lässt Juliane durchblicken, wie die geistliche Situation in ihrer Heimatstadt Berlin war und ist. Trotzdem befremdeten sie die neuen Eindrücke in den USA nicht sonderlich: „Ich bin gerne in die Gemeinde gegangen. Es waren viele freundliche Leute dort und vor allem mein Gastvater hat mir immer viel von seinem Glauben erzählt. Zunächst hörte ich das aus Interesse gerne, aber irgendwann wollte ich es nicht mehr hören, weil ich merkte, dass je mehr ich hörte, meine Verantwortung vor Gott desto größer wurde.“
Dennoch konnte sie dem Wort Gottes nicht erfolgreich aus dem Weg gehen: Über einen Hauskreis, der auch des Öfteren bei ihrer Gastfamilie stattfand, hörte Juliane weiterhin viel aus der Bibel und glaubt, dass sie schließlich im November 2000 gerettet wurde. Dies behielt sie aber erst einmal für sich: „Meinen Gasteltern habe ich nichts davon erzählt, weil es von der Austauschorganisation her nicht erlaubt war, im Rahmen dieser Zeit seinen Glauben zu wechseln. Wahrscheinlich haben sie es schon gemerkt, aber wir haben nicht darüber gesprochen. Ich habe dann für mich die Sunday-School-Heftchen durchgelesen und mit ihnen weiter die Gemeinde besucht. Am äußeren Leben hat sich also erstmal gar nicht so viel geändert – die Veränderung erfolgte im Inneren.“ Infolge mangelnden Redens über Julianes geistlichen Wandel wusste die junge Dame allerdings auch nicht, wie es für sie weitergehen sollte, wenn sie zurück in Deutschland sein würde.
Ihr Gott war in Seiner Vorsehung aber kräftig am Wirken, sodass sie eines Tages eine E-Mail von Familie B. bekam und zur Gemeinde im Prenzlauer Berg eingeladen wurde. „Am Anfang habe ich mich nicht getraut, auf die E-Mail zu reagieren, aber Ende Sommer 2001 bin ich dann in die Gemeinde gegangen. Das war für mich ganz schön komisch, weil ich gar keine Gemeinden in Deutschland kannte und es so anders war, als in Amerika. So hatte ich auch nicht wirklich Kontakt zu irgendjemandem aus der Gemeinde. Ich bin dann zwar regelmäßig dort hingegangen, aber ich hatte nicht wirklich Kontakt zu den Leuten“, erzählt sie von ihren ersten Gemeindebesuchen in Berlin, die aber schon bald ein jähes Ende nehmen sollten: „Irgendwann waren dann Famile G. und B. auf einmal weg und ich wusste gar nicht wo sie hingegangen waren. Als sich dann auch in der Gemeinde einiges änderte, bin ich ca. einen Monat später ebenfalls ferngeblieben.“
Auch Kristjana erinnert sich noch gut an diese Zeit und ihre Sorgen um die junge Frau: „Am meisten tat es mir Leid um Juliane, als wir die Gemeinde verließen, weil wir sie dann total aus den Augen verloren haben. Dabei wohnte sie ja eigentlich bei uns um die Ecke. Ich hatte so befürchtet, dass ich sie eines Tages mit Ring in der Nase und mit Freund auf der Straße sehe.“ Gelobt sei Gott, dass Kristjanas Befürchtung sich im Nachhinein als gänzlich unbegründet erwies: Heute sieht sie Juliane mit Ring am Finger und mit gottesfürchtigem Ehemann in der Bibelgemeinde…
Erst einmal war dies aber tatsächlich nicht zu erwarten, denn nachdem die junge Dame die Gemeinde im Prenzlauer Berg verließ, war sie eine Zeitlang nirgendwo. Während sie die Schule mit dem Abitur abschloss und nach dem Amerika-Jahr wieder bei ihrer Familie wohnte, war Juliane mehr als ein Jahr ohne Gemeinde: „Ich habe mir einmal eine Gemeinde in Weißensee angesehen – dort schauten sie mich allerdings komisch an, weil ich eine Bibel dabei hatte. Und ich kannte in Deutschland ja nichts an Gemeinden, also habe ich einfach wieder meine Bibel gelesen und die Sunday-School-Heftchen studiert. Eine Zeit lang schaute ich mir dann sonntagmorgens ‚Chrystal Cathedral’, einen bekannten Fernsehgottesdienst aus Amerika an. Obwohl ich einiges nicht verstanden habe, war die Musik toll und es war schön, wie einige Leute Zeugnis gegeben haben. Erst nach einiger Zeit habe ich gemerkt, dass da was nicht stimmt, was sie dort gepredigt haben“, wobei ihr künftiger Ehemann, der allerdings erst drei Jahre später ein Teil der BiGeBe-Geschichte wurde, ergänzt: „Gott hat dein Gedächtnis in dieser Zeit zum Glück wie ein Sieb gemacht.“
Im Oktober 2003 zog Juliane nach Dresden, um dort zu studieren. Dort fand sie dann endlich wieder eine geistliche Heimat, wie sie erläutert: „In Dresden habe ich nach einer Baptistengemeinde gesucht und fand eine solche, die von einem amerikanischen Pastor geleitet wurde. Währenddessen habe ich von Familie B. eine E-Mail bekommen, dass sie eine neue Gemeinde gegründet haben, aber das hat mich natürlich in Dresden nicht besonders interessiert.“ Dies sollte sich erst ändern, als Juliane merkte, dass sie das Studium nicht weitermachen wollte, und auch eine Suche nach einer Ausbildung in Dresden erfolglos war. Dann nämlich „wurde im Büro von meiner Mama eine Ausbildungsstelle frei. Dort habe ich mich beworben und am 15. August die Ausbildung zur Steuerfachangestellten begonnen.“ Nun war es nicht mehr weit zur BiGeBe, in der sie bereits wenige Tage nach ihrem Umzug zurück in die Bundeshauptstadt zum ersten Mal den Gottesdienst besuchte.
„Christian A. hat damals die Gäste begrüßt und da haben sie mich dann erkannt, bzw. ich habe erzählt, dass ich schon früher mal in ihrer Gemeinde war“, berichtet Juliane von ihrem ersten Besuch in der Dorfstraße. Wie auch 2001 fiel es ihr drei Jahre später ebenfalls nicht leicht, den Anschluss zu finden: „Zu dem Zeitpunkt war ich nicht so der kontaktfreudigste Mensch und eher zurückhaltend. Ich erinnere mich da vor allem an Bea, dass sie immer sehr forsch war. Allerdings war sie auch die erste, die mich zum Essen nach der Gemeinde eingeladen hat.“
Im September begann das bereits erwähnte chronologische Bibelstudium, was für Juliane sehr wertvoll war, „da ich das erste Mal die grundlegendsten Dinge auch auf deutsch gelehrt bekam. Das war sehr wichtig und hat mir viel geholfen.“ Im Rahmen dieses Kurses fand Juliane dann auch schnell die erste Dienstmöglichkeit, die zugleich mit einem besonderen Vorrecht verknüpft war, wie sie grinsend erwähnt: „Für das Chrono habe ich recht bald immer den Tee vorbereitet, und war daher die einzige Frau, die beim Männerabend dabei war – zumindest die letzten fünf Minuten.“ Dieses abendliche Treffen war nämlich aus dem einst so hoch geschätzten Männerfrühstück entstanden. Dass er nicht weniger geliebt wurde, lässt sich aus Wilhelms Kommentar schließen: „Zum Männerkreis bin ich immer besonders gerne hingegangen. Das war wirklich sehr schön. Und im Anschluss daran kam immer Juliane und hat erst einmal abgewaschen und unseren ganzen Müll weggemacht, bevor es schließlich mit dem Chrono weiterging…“ „Dort waren wir eine ganz kleine Runde“, erinnert sich Juliane, „an neuen Leuten waren wir nur Wilhelm, Kathrin, ein bis zwei andere Männer, ich und Klaus.“ …Klaus?
Ja, auch Klaus B. darf nicht fehlen, wenn es um diejenigen Berliner geht, die seit 2004 die Bibelgemeinde bereichern. Obgleich ein paar Jährchen älter, weist seine Geschichte gewisse Ähnlichkeiten zu der von Juliane auf; denn auch Klaus wuchs in Berlin atheistisch auf und musste erst in die USA gehen, um den ersten Kontakt mit einer christlichen Gemeinde und dem Wort Gottes zu bekommen. Wie war es dazu gekommen? „Ich hatte früher ein ausschweifendes Leben: Ich war in der Welt und habe das getan, was die Welt macht – Trinken, Rauchen, Frauen,… Aber als 1990 mein Bruder gestorben ist, habe ich mir gesagt: ‚Was tust du da eigentlich? Das brauchst du doch gar nicht!’“ erinnert sich Klaus an dieses einschlägige Erlebnis in seinem Leben. Noch vor seinem ersten Aufenthalt in Kalifornien 1992 kämpfte Klaus gegen diese Sünden an und erlebte schon als Ungläubiger einen beachtlichen Wandel – der Herr bereitete ihn zweifelsohne auf ein neues Leben zu Gottes Ehre vor. Davon nämlich sollte Klaus während der Zeit bei der amerikanischen Gastfamilie erstmals hören. Auch bei ihm war es der Gastvater, der ihn mit in die Gemeinde nahm, und auch Klaus’ erste Bibel war eine englische. Wieder zurück in Deutschland las er ab und zu darin, aber zu einem Leben für Gott schien er lange noch nicht durchgedrungen. Während Klaus auch in den folgenden Jahren im Zweijahresrhythmus für vier Wochen in den Vereinigten Staaten von Amerika weilte, fehlte ihm doch in Berlin die biblische Belehrung und Anleitung im Rahmen einer Gemeinde.
Dies sollte sich erst im Sommer 2004 ändern, als die Bibelgemeinde drei Sommerteams aus den USA empfing, um mit ihnen verstärkt evangelistisch aktiv zu werden. Ein Team aus der Grace Bible Church in Marysville (Washington), wo Carys Zwillingsbruder Chris als Ältester diente und viele Geschwister die Arbeit der Familie G. in Deutschland unterstützten, und zwei aus der Grace Community Church in Sun Valley/Los Angeles (Kalifornien) kamen über den Sommer verteilt mit einer Menge fleißiger Helfer, um bei der Gemeindearbeit zu unterstützen. Unter anderem wurden 45.000 Traktate in der Umgebung der BiGeBe verteilt. Eines davon fand den Weg in Klaus’ Briefkasten – und auch das ist Gottes Vorsehung zuzuschreiben, wollte Klaus auf diesem doch eigentlich schon längst „Bitte keine Werbung“ deklariert haben.
„So habe ich also diesen Flyer in meinem Briefkasten gefunden, ihn genau angeschaut und erstmal nachgesehen, ob das mit meiner Bibel übereinstimmt. Dann habe ich mir gedacht: ‚kannste ja mal hingehen’“, erzählt Klaus, wie er auf die Bibelgemeinde aufmerksam wurde. Kurze Zeit später sah man ihn dann auch schon in der Dorfstraße, wie Wilhelm sich noch gut entsinnt: „Das war wirklich lustig, als Klaus kam. Er stand da mit dem Traktat in der Hand und fragte: ‚Ist das hier?’. Dieter und Cary nahmen ihn in Empfang und bejahten seine Frage, woraufhin er entgegnete: ‚Gut. Dann möchte ich mich hier mal melden.’“ Klaus selbst spricht von einem guten ersten Eindruck, der sich auch in der Folgezeit bestätigen sollte: „Ich wurde sehr freundlich von Dieter und Cary empfangen. Sie haben mir zunächst das Büchlein ‚Von größter Bedeutung’ gegeben, damit ich erst einmal die Grundlagen verstehe. Sie haben mir noch vieles Weitere zum Lesen gegeben und ich bin auch immer in die Kurse gegangen: Ins Chrono, zu den ‚Grundlagen des Glaubens’, zum ‚Training im Christentum’.“ Damit gibt er auch etwas Einblick in die Kurse, die die Bibelgemeinde gerade für jene durchführte, die neu im Glauben standen, oder gar noch nicht entschieden waren. Immer wieder gab es aber auch intensivere Studien eines Briefes oder Buches in den Bibelstunden unter der Woche und sonntags, die vor allem die stärken sollten, die bereits nach „fester Speise“ hungerten. Auch die Predigten in den Gottesdiensten waren aufgrund ihrer gründlichen Auslegung häufig eher von der anspruchsvolleren Sorte, und erforderten viel Sitzfleisch, wie Kristjana bemerkt: „Sie haben von Anfang an viel gelehrt und darauf den Schwerpunkt gelegt. Immer gab es laaaaange Predigten.“
Zu lange für Klaus? Nein – einmal dazu gestoßen, war er ein treuer Gemeindebesucher und nahm auf, was er konnte. Zudem nahmen sich die Ältesten Zeit für Gespräche mit ihm, insbesondere als Christus der Herr seines Lebens wurde. So erläutert Klaus: „Dass ich den Herrn als Retter brauche, habe ich verstanden, als mir gesagt wurde, dass ich mich um 180° wenden muss. Ich wurde gefragt, ob ich bereit sei, mein Leben nach dem Herrn zu richten und mich symbolisch dafür taufen zu lassen. Mit Cary habe ich dann die Vorbereitung für die Taufe gemacht, weil ich bereits vorher einige Gespräche mit ihm hatte und des Öfteren bei ihm im Hauskreis war. Während dieser Vorbereitung kam es zum richtigen Wandel in meinem Leben, weil ich nun lernte, was ich tun muss, um dem Herrn wohlgefällig zu sein – und was ich lassen sollte. In dieser Zeit habe ich auch verstanden, warum ich auf der einen Seite gute Werke bringen soll, aber sie mir doch nichts helfen.“
Die Taufe fand dann auch bald statt – es war im Übrigen bereits die zweite Taufe in der BiGeBe, nachdem im August 2003 schon StefanieB. sowie Dany und Anne B. diesen Gehorsamsschritt gegenüber ihrem Herrn gegangen waren. Im Januar 2005 wurden nun also Klaus und Ursula im Taufbecken getauft – die Wassertemperatur in Berlins Seen diente zu dieser Jahreszeit als ausreichende Abschreckung, um die Taufe im geschlossenen Raum durchzuführen.
Klaus war zu diesem Zeitpunkt seit längerem auf Arbeitssuche und machte es sich zur Hauptaufgabe, Arbeit zu finden, wovon seine Unmengen an Bewerbungen ein starkes Zeugnis sind. Die übrige Zeit diente er aber bereitwillig der Gemeinde, wie er selbst noch gut weiß: „Ich habe mich in der Gemeinde handwerklich eingebracht, weil ich ja Gasinstallateur gelernt habe und auch einige Zeit als Hausmeister arbeitete. Die Pastoren fanden das gut und haben es unterstützt – und ich habe mich gefreut, handwerklich helfen zu können.“
An dieser Stelle sollte auch eine andere sehr praktische Hilfe zu der ihr gebührenden Ehre kommen: Rudi W. absolvierte ein dreimonatiges Sommerpraktikum in der Bibelgemeinde Berlin. Wie sein Vorgänger Vitali war auch er Bibelschüler in Brake; zudem kannten sich die beiden gut aus ihrer Heimatgemeinde. Nachdem Rudi also 2004 als Praktikant eine Gemeindegründungsarbeit unterstützte, dient er heute selbst als Ältester in einer neu gegründeten Gemeinde in Berlin-Spandau. Den Ältesten der BiGeBe konnte er vor allem durch das Erstellen von Materialien und Büroarbeit eine Hilfe sein, sodass diese sich stärker darum kümmern konnten, die ihnen anvertrauten Schafe zu weiden.
War diese Aufgabe ohnehin schon herausfordernd genug, bekamen die Hirten der Bibelgemeinde ja zudem ständig neue Schafe anvertraut. Zwei davon waren auch Dirk und Ann, die im Jahre 2004 als Paar in die Gemeinde kamen und ab Januar 2005 den gemeinsamen Nachnamen M. trugen. Cary und Lois kümmerten sich um eine gute Vorbereitung der beiden auf die Herausforderungen und Segnungen der Ehe, bevor sie sich in den Räumlichkeiten einer befreundeten Gemeinde in Marzahn-Hellersdorf, zu der zu einem späteren Zeitpunkt noch einiges gesagt wird, das Ja-Wort gaben.
Der Herr gab also weiter Gedeihen und segnete das Pflanzen und Begießen der Bibelgemeindler. Die Menschen kamen aus fernen Ländern, aus verschiedenen Orten Deutschlands, und aus Berlin selbst. Aber manche hatten einen noch kürzeren Weg, ja, für sie musste man nicht einmal die eigenen vier Wände verlassen:
Mit Familie B, A. M. und allen voran G. waren schon überdurchschnittlich kinderreiche Familien in der BiGeBe. Aber dem Herrn gefiel es, weiter zu segnen und „natürliches Gemeindewachstum“ zu schenken. Lois Green brachte 2003 Joseph und 2005 Abigail auf die Welt, Jelenas zweite Tochter Johanna wurde 2004 geboren, Anfang 2004 bekam Gabi M. mit Timon ihr viertes Kind, und auch Bea wurde im Dezember 2003 zum ersten Mal Mutter: David-Elia wurde der neue Erdenbürger genannt. Bevor sich seit Anfang 2005 dann sein Bruder im Bauch seiner Mutter immer breiter machte, hatte sich bei Familie G. auch sonst einiges geändert: Pascal hielt 2004 seine erste Bibelstunde und wurde nun immer mehr in der Zurüstung der Gemeinde eingesetzt und auf Lehrfähigkeit hin geprüft – wie er selbst erzählt: „Ich habe selbst und vor allem im Gespräch mit Dieter und Cary entdeckt, dass ich eine Lehrgabe habe und das auch sehr gerne mache, und so bin ich da hineingewachsen. Zunächst habe ich einige Bibelstunden gemacht und später im Zuge des EBTC kamen dann auch die ersten Predigten“. Mit dem von ihm angesprochenen Grundlagenjahr des EBTC hatten Pascal und Bea beide 2004 begonnen. Pascal schloss nach diesem auch noch die zwei Jahre Predigerausbildung an, bevor er 2007 absolvieren sollte. Auch wenn sein Abschluss des EBTC an diesem Punkt der Gemeindenhistorie noch Zukunftsmusik ist, fragt sich so mancher vielleicht, ob Familie G. etwa mit dem Gedanken spielten, nach Russland zurückzukehren. Diese Frage klärten die beiden in einem kurzen aber interessanten Dialog ziemlich eindeutig: Bea, gewohnt sicher: „Mich würden keine zehn Pferde dahin zurückbringen.“ Pascal, etwas vorsichtiger: „Naja, es kann schon sein, dass der Herr uns in 10-15 Jahren vielleicht doch noch mal in Russland haben will…“ – „Nein!“ unterbricht Bea entschlossen, aber nicht ohne Augenzwinkern.
Eine weitere wichtige Änderung im Leben der Familie G. hat mit Autofahrten, Auflaufformen und Ausdauer zu tun – kurz Kathrin. Das chronologische Bibelstudium war mittlerweile zu Ende gegangen, die Junggläubigen hatten vieles gelernt und waren auch immer besser in die Gemeinde hineingewachsen, aber Kathrin bereitete noch eine Menge Sorgen. Zu Beginn des Jahres 2005 brach sie den Kontakt zu Bea ab und verließ die Gemeinde wieder. Über Grosjeans sagte sie: „Ich habe bei ihren ganzen Zurechtweisungen immer zwischen zwei Gedanken geschwankt: Entweder sie wollen mir wirklich helfen, oder sie mögen mich nicht und wollen mich wegekeln. Und dann hat bei mir das Negative überwogen, sodass ich mich abgewendet und mein Leben weitergelebt habe. Ich ging dann nur noch in den Hauskreis von Manfred und Andrea, aber nicht mehr in die Gemeinde.“ Dies ging einige Monate so, in denen sich die BiGeBe und insbesondere die Familie G. viele Sorgen machten. Im Frühling selbigen Jahres „habe ich aber gemerkt, dass mein Denken blöd war und es ja paradox gewesen wäre, wenn sie mich wegekeln wollten und mich gleichzeitig ständig einladen, etwas mit mir unternehmen und sich Zeit für mich nehmen“, gibt Kathrin Einblick in ihren Gesinnungswandel und ihre folgende Rückkehr: „Dann bin ich einfach mal wieder zur Gemeinde gekommen und auch wieder öfter zu Bea.“
Anfang Juni kam es endlich zur Bekehrung, von der Kathrin rückblickend sehr gerne spricht: „Ich bin mit einigen Jugendlichen losgezogen um zu saufen. Ich hatte dabei ein schlechtes Gewissen gehabt, weil ich schon vieles durch die BiGeBe wusste. Dann war drei Tage ein Nichts und am Dienstagabend saß ich in meiner 1-Zimmer-Wohnung und bin mir meiner Sünde bewusst geworden. Ich habe mich gefragt, was ich jetzt machen soll, habe darüber nachgedacht, was ich am Samstag gemacht habe, und auch über mein ganzes Leben nachgedacht. Es war richtig ruhig – endlich einmal kein Radio, was im Hintergrund dudelte und auch kein sonstiger Lärm. Nur meine zwei Ratten haben vielleicht etwas Krach gemacht, während ich da saß und nachdachte. Gott hat diese Zeit benutzt, um mich zu überführen: Ich wusste, dass ich meine Sünden bekennen muss und sie auch lassen soll. Ich wusste, was Buße ist und wollte nun anders leben. Aber ich wusste einfach nicht, wie ich es schaffen soll, das umzusetzen, was in der Bibel steht, und wie ich die Sünden von jetzt an wirklich fliehen kann. So habe ich gedacht, dass mir am ehesten jemand aus der Gemeinde damit helfen kann und dann habe ich Bea eine SMS geschrieben und gefragt, ob ich kommen kann“…
Natürlich durfte sie kommen.
Der Herr war mächtig am Werk. Hilflose Sünder wurden ihrer Sünden überführt und taten Buße. Die Gemeinschaft mit den Geschwistern, das Hören und Lernen bei Bibelstunden, Gottesdiensten und außerordentlichen Kursen, das persönliche Gespräch mit Hirten und Schafen – all das wurde dankbar angenommen. Aber konnte es die tiefe Not aus den Herzen der Menschen entfernen, die in die Bibelgemeinde kamen? Die Antwort wäre „Ja“, wenn diese Menschen nur auf der Suche nach einer Steigerung der Lebensqualität gewesen wären, wie es beispielsweise beim „reichen Jüngling“ der Fall war, von dem drei Evangelisten im Neuen Testament berichten[1].
Was war das für ein Mann und was lehrt uns seine Geschichte? Dieser junge, reiche, angesehene Mann hatte eigentlich alles und war doch nicht zufrieden. Aber was war es, das ihm fehlte? Die Gebote glaubte er gehalten zu haben – warum also kam er zu Jesus Christus, fragte nach ewigem Leben und nannte Ihn einen „guten Lehrer“? Jedenfalls nicht, weil er nach Vergebung der Sünden suchte – die Erkenntnis dafür fehlte ihm zumindest bei diesem Gespräch noch gänzlich. Viele moderne Gemeindewachstumsbewegungen würden Jesu Vorgehen aufs Schärfste kritisieren: Er ließ einen Mann gehen, der mit Jesus offensichtlich die richtige Adresse aufsuchte, eine Not darüber fühlte, dass er kein ewiges Leben hatte, und dann auch noch die richtige Frage stellte: „Was soll ich tun, damit ich ewiges Leben erbe?“ Eine perfekte Ausgangssituation. Wäre es nicht ein Leichtes, so jemanden in die Gemeinde einzugliedern? Wahrscheinlich schon. Aber wahrscheinlich ist das auch der Grund für viele, die einen Lebenswandel zur Ehre Christi vermissen lassen, weil sie nie wirklich Buße über ihre Sünden getan haben und mit der Herrschaft Satans über ihr Leben gebrochen haben… Darum erstaunt es auch nicht, weshalb Jesus Christus den Mann noch auf einem anderen Weg zu überführen sucht, indem er ihn zur grenzenlosen Hingabe auffordert. In Lukas 14,33 finden wir – in einem anderen Zusammenhang, aber mit der gleichen Intention – die Worte Christi: „So kann nun keiner von euch, der nicht allem entsagt, was er hat, mein Jünger sein.“ Eine Aufwertung des Erdenlebens durch frommes Gehabe mag für manche erstrebenswert sein, aber es ist letztlich wertlos im Blick auf die Ewigkeit[2].
Das wussten auch diejenigen, die sich der Bibelgemeinde anschlossen. Nein, ein oberflächliches Bekenntnis vermag letztlich keine Änderung herbeizuführen. Diese ist nur durch die Kraft Gottes möglich, wenn Er in Person des Heiligen Geistes Wohnung in einem Menschen nimmt. Lois bezeugt, dass das Hinzukommen und Wachsen junger Gläubiger für sie die größte Freude und der stärkste Grund ist, warum sie an der Gemeindegründungsarbeit mitwirkt: „Es gibt nichts Schöneres, als einen neugeborenen Christen zu sehen und dann zu sehen, wie er wächst.“ Auch Dieter weist auf diesen Punkt nachdrücklich hin, wenn er sagt: „Heute kommt man rein und denkt, es sei schon immer so gewesen, aber wenn wir zurück denken, wie eine Juliane, eine Kathrin, eine Familie G. einmal waren. Und dann sehen wir sie heute – das sind so veränderte Menschen! Das ist wirklich ermutigend und wunderbar zu sehen.“
Möge Gott schenken, dass Seine Gemeinden, die Er an so vielen Orten baut, die wunderbare Botschaft der Bibel in Wahrheit und Klarheit verkündigen. Dann wird Gott, dessen Worte nicht leer zu Ihm zurückkehren, sondern bewirken und ausführen, wozu Er sie gesandt hat[3], durch das Wort vom Kreuz vielen Menschen ihre missliche Lage vor Augen führen und ihnen rettenden Glauben geben, wie geschrieben steht: „Also ist der Glaube aus der Verkündigung, die Verkündigung aber durch das Wort Christi.“[4]
Mögen wir, als Botschafter an Christi statt, diese Wahrheit immerzu verkündigen, indem wir allezeit bereit sind zur Verantwortung gegenüber jedermann und weder hinzufügen noch hinweg tun, auf dass wir nicht die falschen Bekenner in der Gemeinde Christi mehren und ihnen Sicherheit zusprechen.
Damit dieses geschehen kann, braucht es unseren verantwortungsvollen Umgang mit der Schrift, unsere klare Verkündigung, und ebenso unser Beiseitetreten, wenn unser Werk getan ist. In erster Linie erfordert es aber die Gnade Gottes, da Er Sein(en) Haus und Tempel, die Gemeinde Christi, mit fehlerhaften Werkzeugen baut.
[1] Vgl. Matthäus 19,16-26; Markus 10,17-27; Lukas 18,18-27
[2] Vgl. Maleachi 3,14-15; Matthäus 7,21-27
[3] Vgl. Jesaja 55,10-11
[4] Römer 10,17
E r steht zu allen seinen Worten, zu allen Zeiten an allen Orten
Das letzte Kapitel endete zeitlich gesehen mit der Bekehrung von Kathrin Se. im Juni 2005. Noch drei Tage zuvor auf einer „Sauftour“ gewesen, kam sie schließlich zum Kreuz und bekannte ihre Sünden. Sie wusste unlängst, dass sie dem Werk Christi nichts hinzufügen konnte und wollte erst gar nicht (vergeblich) versuchen, sich ihre Errettung zu verdienen – vielmehr stützte sie sich auf das vollkommene Opfer ihres Erlösers. Aber Kathrin wusste ebenso, dass sie dabei nicht stehen bleiben konnte: Im vorangehenden Kapitel ist ihre Aussage zu lesen: „Ich wusste, was Buße ist und wollte nun anders leben“. Man hatte ihr in der Bibelgemeinde aufgezeigt, dass Gottes Wort Errettung allein durch Gnade lehrt, aber gleichzeitig darauf hinweist, dass Glaube ohne Werke tot ist und eine echte Umkehr vonnöten ist.
Aber was ist eigentlich mit einer solchen völligen Umkehr gemeint? Als Sklave der Sünde lebt der Ungläubige für sich selbst und strebt nach Erfüllung seiner eigenen Begierden – ganz nach dem Willen seines Herrn, dem Teufel. Ein wiedergeborener Christ dagegen hat mit Jesus Christus, dessen Name er auch trägt, einen anderen Herrn. An vielen Stellen spricht die Bibel davon, dass ein an Christus Gläubiger dessen Sklave ist – analog zu dem Sünder, der ein Sklave der Sünde ist. In unserer Gesellschaft durch die Tyrannei des (sündigen) Menschen negativ behaftet, erscheint die Sklaverei vielen Menschen als prinzipiell schlecht und unerwünscht. Gottes Wort zeigt aber, dass es keinen Mittelweg gibt – ein Mensch ist entweder der Sünde versklavt, oder ein Sklave Christi. Während Ersteres auf direktem Wege und – ohne Möglichkeit diesem zu entfliehen – in die Verdammnis führt, so ist ein Sklave Christi in Wahrheit frei: Er ist befreit, Christus zu gehorchen und Ihn dadurch zu verherrlichen. Seine Zukunft unterscheidet sich deutlich von der des unter die Sünde Versklavten: Christus verheißt denen, die Ihm dienen, ewigen Lohn im Himmel. Nun können wir besser verstehen, wie sich die zwei Wege gegenüberstehen: Wie oben gesagt lebt der Sklave der Sünde zur Erfüllung seiner eigenen Begierden und gehorcht dabei dem Satan, seinem Herrn. Der Sklave Christi lebt zur Erfüllung des moralischen Willens Gottes und gehorcht dabei Christus, seinem Herrn. Da der Kontrast dieser beiden Lebenswege größer nicht sein könnte, wird die sich bei der Wiedergeburt so grundlegend ändernde Lebenseinstellung gerne mit einer 180°-Wendung illustriert: Eine Runderneuerung des Denkens, Redens und Handelns.
Da die Bibel lehrt, dass jeder Mensch eine solche Umkehr dringend nötig hat, ist genau das der Grund, weshalb die Bibelgemeinde in Berlin den Menschen in ihrer Umgebung diese Botschaft verkündigen möchte – so wie viele andere Gemeinden auf der ganzen Welt es zum Anliegen haben.
Im Jahre 2005 nun kam den Geschwistern der BiGeBe eine neue Idee, für die praktische Umsetzung dieses Wunsches – und diese hatte auch etwas mit 180° zu tun. Die Ältesten wollten gerne einen festen Ort einrichten, an dem die Bibelgemeinde auch unter der Woche für die Menschen in Hohenschönhausen als Anlaufstelle zur Verfügung stand und von der aus sich neue evangelistische Möglichkeiten boten. Der Standort in der Dorfstraße lag noch im alten Ortskern Wartenbergs und war daher nicht direkt bei den Menschenmassen der Neubaugebiete Hohenschönhausens. Im Frühjahr 2005 wurden Dieter, Cary und Christian bei ihrer Suche nach einem solchen zusätzlichen Standpunkt dann einige Gehminuten südlich von der Dorfstraße fündig: Im Warnitzer Bogen, einer Einkaufszeile in Neu-Hohenschönhausen, standen Ladenräume zur Vermietung. Schon im Mai zog die Bibelgemeinde als neuer Mieter solcher Räumlichkeiten, die aus einem größeren Verkaufsraum, einem Büro mit kleiner Küche und einer Toilette bestanden, in die Warnitzer Straße 14 ein.
Es bleibt aber die Frage nach den 180°: Nun, das Kind musste ja auch einen Namen haben. Obwohl es sich eigentlich um Ladenräume handelte, wollte die Bibelgemeinde nichts verkaufen – auch wenn beispielsweise die köstlichen Schoko-Cookies von Familie Gre., die selbst produzierten CDs von Pascal oder Julianes aufwendig genähte Decken bestimmt gute Preise erzielt hätten. Aber die BiGeBe war dort, um einen Ort zu schaffen, wo Menschen unterschiedlicher Herkunft, Klassen und Alter hinkommen könnten, um über „Gott und die Welt“ zu reden – wobei der Schwerpunkt eindeutig auf Gott liegen sollte. Dieser Treffpunkt sollte dazu dienen, Christi Liebe praktisch weiterzugeben, z.B. durch ein offenes Ohr und Freigiebigkeit an Kaffee und Keksen, aber in erster Linie durch eindringliche Warnungen vor Gottes Gericht mit Verweis auf die wunderbare Lösung dieser Misere: Die Erlösung. Kurz gesagt, es sollte ein Treffpunkt sein, der durch Gottes Gnade dazu dient, einige 180°-Wendungen zu bewirken. Der Name liegt nun auf der Hand: „Treffpunkt 180“ steht seit Mai 2005 in orangen und grünen Lettern an den Schaufenstern der Warnitzer Straße 14, mit dem Beisatz „Woher? Wozu? Wohin? Lass uns darüber reden!“
Nicht nur diese Worte auf dem Schaufenster, sondern auch das, was hinter den Schaufenstern zu sehen war und immer wieder neu aufwendig gestaltet wurde und wird, machte den vorübergehenden Passanten deutlich, was das Anliegen der neuen Mieter war. Trotzdem gab es immer wieder Leute, die die Sessel des Treffpunkts oder andere Einrichtungsgegenstände käuflich erwerben wollten, weil sie nicht verstehen konnten, dass dieser neue Laden anscheinend nicht auf Profit aus war, sondern vielmehr etwas geben wollte. Gerade zu Beginn war ihre Neugier dafür verantwortlich, dass einige Menschen ihren Fuß über die Schwelle setzten. Aber immer wieder waren auch solche dabei, die konkrete Fragen oder Sorgen hatten und sich empfänglich für das Wort Gottes zeigten. Dazu konnten sie von Dienstag bis Freitag, vormittags wie nachmittags, sowie an Samstagvormittagen in den Treffpunkt kommen. In diesen Zeiten war immer mindestens ein Mann aus der BiGeBe anwesend, um die Gäste in Empfang zu nehmen und mit ihnen zu reden. Einer von ihnen, der später noch zur Bibelgemeinde stoßen und auch im Treffpunkt dienen durfte, spricht dankbar von den evangelistischen Möglichkeiten, die dieser Ort bietet: „Im Treffpunkt kann man so leicht von Gott sprechen, weil es ja kein öffentlicher Platz ist, sondern ausdrücklich ein Ort, wo wir über die Fragen ‚woher, wozu, wohin’ reden wollen. So hat man Atheisten, Satanisten, Trinker, verwahrloste Arbeitslose und viele andere Menschen bei sich und kann mit denen reden, die empfänglich für das Evangelium sind.“
Nach kurzer Zeit wurden die neuen Räumlichkeiten als Versammlungsort für den Hauskreis von Familie B. auserkoren. Durch andere Umstände bedingt, von denen der Leser noch erfahren wird, gab es die Aufteilung in verschiedene Hauskreise aber schon ab Herbst dieses Jahres nicht mehr. Seitdem kamen alle Geschwister im Treffpunkt zum Hauskreis zusammen. Zudem fanden die Freitagabendbibelstunden seit Sommer 2005 ebenfalls in jenen neuen Gemeinderäumlichkeiten statt. Damit waren diese Bibelstunden auch für die Öffentlichkeit greifbarer, da beispielsweise Treffpunkt-Besucher zu den Freitagabenden eingeladen werden konnten und auch die Menschen, die um diese Zeit durch den Warnitzer Bogen gingen, durch die Schaufenster den Treffen der Gemeinde zuschauen und durch geöffnete Fenster gar zuhören konnten, wenn sie sich schon nicht hinein trauten. Darüber hinaus kamen die Männer der Gemeinde an Donnerstagen zu Gebetsabenden in den Treffpunkt, während sich die Frauen weiterhin einmal im Monat montags zu ihren Frauenstunden trafen.
Doch das war n0ch längst nicht alles, was sich in diesem Sommer tun sollte. In der Tat wurde es für die Bibelgemeinde zu einem Sommer der großen Veränderungen.
Auch die zweite große Umstellung betraf Räumlichkeiten – diesmal jene in der Dorfstraße, in der die Bibelgemeinde sich zu Gottesdiensten versammelte. Längst war dort nicht mehr alles wie im Jahre 2002: Zum einen war Wade D. wieder in die USA zurückgekehrt und hatte seine Wohnung in der Dorfstraße 7a aufgegeben. Da diese aber zu den Räumlichkeiten zählte, die die Gemeinde für drei Jahre mietete, wäre sie für die Geschwister zu einer zusätzlichen finanziellen Belastung geworden. So entschloss sich Familie Gro., zum Juni 2004 von ihrer 3-Zimmer-Wohnung in Wades 2-Zimmer-Wohnung zu ziehen, obwohl sie im vorigen Dezember ihren ersten Sohn bekommen hatten und die Beschränkung auf zwei Zimmer nicht so einfach war. Da sie aber ihre größere Wohnung in selbigem Hause kündigen konnten, war dies die beste Lösung.
Wie sich kurze Zeit später herausstellen sollte, war es aber noch nicht die Endlösung: Das EBTC, dessen Arbeit stets weiterging und größer wurde, hatte auf lange Sicht zu wenig Platz in den BiGeBe-Räumen. Schon 2003 leitete der Herr einen Umzug in eine größere Behausung ein, als Christian, Cary und Dieter bei der Hirtenkonferenz im September, die damals noch im Hotel Lindenberger Hof stattfand, die Bekanntschaft von Johann Friesen machten. Dieser baute in Marzahn-Hellersdorf seit 2001 unter russischsprachigen Aussiedlern die Evangeliumschristengemeinde (ECG) Hellersdorf. Bereits 1994 war er mit seiner Familie nach Berlin-Lichtenberg gekommen und hatte dort ebenfalls eine Gemeinde (ECG Lichtenberg) unter Aussiedlern gegründet, die ihn sieben Jahre später weiter nach Hellersdorf sandte. Ebendort wuchs nun die neue Gemeinde und konnte für ihre Veranstaltungen auf große Räumlichkeiten zurückgreifen. Johann Friesen, dessen ältester Sohn David selbst einer der ersten Studenten des EBTC war, lud das Bibeltrainingszentrum ein, die Möglichkeiten in Hellersdorf zu nutzen und äußerte auch selbst den Wunsch, die Arbeit des EBTC zu unterstützen. Dies durfte er schon bald tun, denn bereits zum neuen Schuljahr 2004/05 zog das Europäische Bibeltrainingszentrum in die Räumlichkeiten der ECG in Hellersdorf. Christian und Martin verlegten ihre Büros infolge dessen ebenfalls in das neue Zuhause des EBTC. Dieter sieht in dem Umzug einen für die Gemeinde hilfreichen Schritt: „Es war sehr positiv, dass Christian die Arbeit des EBTC weiterentwickeln wollte. Auch Cary und ich haben uns über die Möglichkeit für das EBTC und die gleichzeitige Entlastung für die Gemeinde gefreut.“
Gleichzeitig wuchs die Bibelgemeinde bekanntlich auch 2004 und 2005 weiter an Zahl, sodass in den Gemeinderäumen in Wartenberg auch für sie der Platz immer knapper wurde, wie sich Kristjana erinnert: „In der Dorfstraße war es einfach zu eng. Da werden die Leute schon allein dadurch weggescheucht, dass kein Platz da ist.“ Hinzu kamen die hohen Mietkosten, die nicht leicht zu tragen waren. So bahnte sich schon lange ein Abschied zum Ende des Mietvertrages im August 2005 an, zu dem es dann auch tatsächlich kommen sollte…
Da die Bibelgemeindler bis zum Auszug aber noch keine neue Bleibe gefunden hatten, standen sie im September erst einmal ohne Gemeinderäume da. Nun, das ist natürlich nicht ganz zutreffend, denn seit Mai mieteten sie ja den Treffpunkt im Warnitzer Bogen. Für Gemeindeversammlungen war der Ladenraum jedoch um einiges zu klein, und auch die eine Toilette und das eine Büro wären eindeutig zu wenig gewesen, um dort als ganze Gemeinde hinzuziehen – insbesondere da das Ziel ja darin bestand, mehr Platz für mehrMenschen zu schaffen. So stellten sich die Geschwister der BiGeBe in einem etwas anderen Kontext die Fragen, die sie auf ihrem Treffpunkt-Schaufenster lesen konnten. „Woher? Wozu? Wohin?“ Das „Woher“ war wirklich eine lange Geschichte, die an dieser Stelle bereits mehrere Kapitel umfasst. Das „Wozu“ war recht einfach zu beantworten: Man wollte immer noch von Herzen die Menschen in der Bundeshauptstadt mit der kostbaren Botschaft des Wortes Gottes erreichen und eine Gemeinde bauen, die Ihm Ehre macht. Aber das „Wohin“ bereitete nicht wenig Kopfzerbrechen.
Der aufmerksame Leser wird sich noch erinnern, dass die Bibelgemeinde nicht zum ersten Mal vor dieser Frage stand, wohin sie nun gehen sollte: Auch im Frühjahr 2002 stand man plötzlich ohne Versammlungsort da und musste erst einmal eine Übergangslösung finden. Wie lautete diese damals? Richtig: „Auf ins gemütliche Wohnzimmer von G-s.“
So auch diesmal: Die kinderreiche amerikanische Familie verfügte wohl über das größte Wohnzimmer, die meisten Toiletten, und die meisten Zimmer, um dort z.B. Kinderstunden abzuhalten. Gastfreundlich, wie sie sich stets zeigten, waren sie direkt bereit, der ganzen Gemeinde ihr Haus zur Verfügung zu stellen. Ursula spricht mit Hochachtung von dem offenen „G-house“: „Es hat mich tief beeindruckt, dass die Familie Gre. uns alle zu sich eingeladen hat. Es ist wirklich so: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg!“ Alex stimmt ihr zu und erzählt von seiner Einstellung zu den örtlichen Veränderungen: „Der Umzug war mir egal. Ich habe immer gesagt: Die Gemeinde sind wir – nicht das Gebäude. Einige Leute waren empfindsam und haben gejammert, aber ich habe immer gesagt: Wir können uns hier treffen oder dort treffen, bei jemandem zuhause oder im Feld – das ist ganz egal. Hauptsache wir sind zusammen.“ Auch Juliane hat den Ortswechsel gerne mitgemacht und zeigt sich begeistert von den Wohnzimmer-Gottesdiensten: „Bei Familie Gre. war es toll. Es war so gemütlich. Ich habe mich gefreut, wenn ich den großen Sessel abbekam – und hatte gleich dazu noch ein Kind auf dem Arm. Ich war immer schon sehr früh da, weil ich mit Familie B. kam, und habe dann Stühle gestellt. Für die Kinder gab es meist aber nicht genug Platz – die haben dann auf dem Boden gesessen.“
Für einige war es eine Erinnerung an alte Zeiten, als die Gottesdienste schon einmal für einige Monate bei Familie Gre. zuhause stattfanden. Allerdings war auch vieles anders als 2002, denn das Wohnzimmer der Familie Gre. war nicht gleich dem Wohnzimmer der Familie Gre.. Auch wenn das berühmt berüchtigte grüne Sofa geblieben war, so war das Wohnzimmer doch ein ganz anderes. Im März 2005 war die zum damaligen Zeitpunkt zehneinhalbköpfige Familie (Lois war im sechsten Monat schwanger) nämlich nach Niederschönhausen in die ca. 3 km entfernte Eichenstraße 55 umgezogen. Das frühere Zuhause „war viel zu klein für unsere acht Kinder und hatte außerdem kein Gästezimmer, obwohl ständig Gäste da waren – vor allem wegen des EBTC“, erklärt Lois den nötigen Umzug. Ihr Mann schildert die aufwendige Suche nach der gewünschten Behausung: „Ich habe ungefähr sechs Monate gesucht. Ein Mietshaus in Berlin zu finden – das ist Wahnsinn. Man kann höchstens eine Wohnung finden, aber die Suche nach einem Mietshaus war nicht gerade einfach. Irgendwann fand ich dann ein Haus, das zu DDR-Zeiten als finnische Botschaft diente. Mit ihnen verhandelte ich drei Monate über den Preis, kam aber nicht überein. Stattdessen wurde ich auf die ehemals kongolesische Botschaft in der Eichenstraße 55 aufmerksam. Mit dem dortigen Vermieter nahm ich Kontakt auf und konnte direkt ein gutes Verhältnis zu ihm aufbauen und ihm das Evangelium sagen – und dann mieteten wir das Haus.“
Natürlich musste nicht nur die Bibelgemeinde aus der Dorfstraße ausziehen – auch Familie Gro. musste sich nach dem kleinen Umzug im Juni 2004 schon wieder eine neue Wohnung suchen. Familie Gro., das waren im August 2005 nicht nur Pascal, Bea und David-Elia, sondern auch Lukas-Noah, der bereits seit sechs Monaten im Bauch seiner Mutter wuchs und zudem ein etwas größeres Kind: Kathrin Se.. Am Ende des dritten Kapitels war die Rede davon, dass sie sich nach ihrer Bekehrung Anfang Juni erst einmal an Bea wandte und bei ihr Hilfe suchte, wie letztere bestätigt: „Sie hat angerufen und gefragt, ob sie kommen und bei uns übernachten kann. Aus dem einen Tag wurden dann drei Monate…“ Kathrin wollte ihr altes Leben nämlich um jeden Preis aufgeben und nicht mehr in das alte Umfeld zurück. So zog sie im Juni zunächst in der Dorfstraße ein: Ein nun leer stehendes Büro nutzte sie als Schlafplatz und hauste die übrige Zeit in der sowieso schon kleinen Wohnung der Familie Gro.. Ihre eigene Wohnung hatte Kathrin längst gekündigt und mit Bea sauber gemacht. Das war für beide keine leichte Sache, wie die schwangere Mutter zu erzählen weiß: „Ich habe Kathrins Wohnung geputzt, mein Kind hat geschrieen und Kathrin hat gemeckert, weil sie das Schreien des Kindes genervt hat.“
Aber Kathrin war bereit, zu lernen und ihr altes Leben auf den Kopf zu stellen. Es war Gottes große Gnade, die sie dabei in die fürsorglichen Hände der Familie Gro. legte. Bea zeigt auf, wie es Kathrin bei der selbst noch sehr jungen Familie erging: „Das war schon auch hart für sie: Sie musste alle ihre Handykarten zerbrechen und alte Kontakte aufgeben, die sie zur Welt hatte. Und dann hat sie viele Dinge lernen müssen: Mit Finanzen umgehen, Ordnung halten, abnehmen,…“ Doch Kathrin ist dankbar für die Erziehung ihrer geistlichen Eltern und erzählt von diesem Neubeginn in der ihr so lieb gewordenen Familie: „Eigentlich war ich nie wirklich zu ihnen gezogen, sondern immer nur ein Gast bei ihnen. Aber trotzdem nahmen sie mich auf wie ein Kind – und gingen auch so mit mir um: Ich musste immer anrufen, ob ich nach der Arbeit noch wohin gehen darf, oder ob ich zum Beispiel einkaufen soll. Auch haben sie mir gesagt, was ich tun soll, dass ich mein Zimmer aufräumen soll, dass ich zur Arbeit gehen soll, dass ich das Geschirr abwaschen soll, und so weiter.“ Mit einem schelmischen Grinsen fügt sie hinzu, dass das aus der heutigen Perspektive sehr gut für sie war: „Man kann sich das ungefähr so vorstellen: Wenn sie mir nichts gesagt hätten, hätte ich auch nichts gemacht…“
Wenn sie auf ihren geistlichen Zustand zu sprechen kommt, wird die junge Dame wieder ernster: „Ich glaube, ich habe ihnen gar nicht gesagt, dass ich gläubig bin, aber ich habe eben gefragt, wie ich mein Leben ändern und Gott wohlgefällig leben kann und sie haben die Veränderung bei mir einfach bemerkt, nehme ich an.“ Dass sie mit dieser Annahme richtig lag, wird vor allem durch die Tatsache bestätigt, dass die Bibelgemeinde sie am 21. August 2005 taufen ließ und als Gemeindemitglied aufnahm. Es war zudem die erste Taufe im Malchower See, der noch für viele Bibelgemeindler zum Ort werden sollte, an dem sie dem Aufruf ihres Herrn, sich auf Seinen Namen taufen zu lassen, später nachkommen sollten. Mindestens ebenso aufgeregt wie Kathrin war ihr Täufer Pascal. Bea erzählt lachend von dieser Taufe, die für ihren Mann die erste war: „Pascal ist nicht weit genug in den See gegangen und ist dann fast selbst ins Wasser gefallen, als er Kathrin untertauchen wollte.“ Auch Kathrin muss bei der Erinnerung daran laut lachen: „Er war hinterher nasser als ich!“
Einige Tage später, im September, kam es dann zum angesprochenen Umzug der Familie Gro. in eine 4-Zimmer-Wohnung mit Balkon im fünften und obersten Stockwerk eines der zahlreichen Plattenbauten im Neubaugebiet Wartenberg, nahe des gleichnamigen S-Bahnhofes. Mit diesem vierten Umzug in vier Jahren und drei Ländern, hatte aber auch Familie Gro. langsam genug vom Umziehen und wohnen bis heute in dieser Wohnung im Hagenower Ring. Kathrin sollte nicht ganz so lange dort wohnen – genauer gesagt „wurde sie im Oktober umgezogen“, da Familie Gro. ihren zweiten Sohn erwarteten und die junge Frau nun auch mehr und mehr Verantwortung für sich selbst übernehmen sollte. Wenngleich vor allem Bea weiterhin engen Kontakt zu ihr aufrecht erhielt und sie nun ja auch regelmäßig in die Bibelgemeinde kam, mietete sich Kathrin im Herbst 2005 eine eigene Wohnung unweit von Familie Gro. und Ursula, die ebenfalls im sog. Neubaugebiet Wartenberg ihr Zuhause hat.
Es bewegte sich also im wahrsten Sinne des Wortes einiges in der Bibelgemeinde im Sommer und Herbst 2005. Manchen war es vielleicht etwas zu viel Bewegung, bei anderen bewegte sich vieles in Gedanken – jedenfalls kam es infolge des Umzugs von der Dorfstraße in die Zwischenstation Wohnzimmer zu weiteren großen „Bewegungen“: Wie bereits erläutert hatte sich das EBTC schon im Vorjahr von Wartenberg nach Hellersdorf bewegt und auch an diesem Ort bereits einiges bewegen können. Nun, fast eineinhalb Jahre später, entschied Christian A., der Predigerschule zu folgen: „Mit der Zeit habe ich gesehen, dass wir in der Bibelgemeinde mit drei Leitern stark besetzt sind, in der Gemeinde in Hellersdorf aber Bedarf ist. So haben wir uns dann 2005 als Familie entschieden, uns der Evangeliumschristengemeinde anzuschließen.“ Dies brachte Christian natürlich außerdem näher ans EBTC, was für ihn damals wie heute sehr wichtig ist: „Wie gesagt hatte ich einen dreifältigen Auftrag – Gemeindegründungsarbeit, Publikation und die Bibelschule. Diese drei Sachen mache ich im Grunde genommen auch weiter, aber Priorität hat derzeit einfach das EBTC.“ Mit Familie A. erklärte auch Martin Ma. mit seiner Familie den Austritt aus der Bibelgemeinde, um sich der ECG Hellersdorf anzuschließen und sich mehr der Arbeit des Bibeltrainingszentrums zuzuwenden.
Diese Arbeitsteilung wurde somit zu einem bedeutenden Ereignis in der Geschichte der BiGeBe. Natürlich unterhielten beide Gemeinden eine gute und enge Beziehung zueinander und auch der Lehrdienst von Dieter und Cary am EBTC ging weiter, aber die Gemeindegründungsarbeit der Bibelgemeinde lastete von diesem Zeitpunkt allein auf ihren Schultern. Umso wichtiger, dass die Zusammenarbeit der beiden eine sehr gute und daher allzeit ermutigend war, wie Cary durchblicken lässt: „Wir sind so dankbar, dass der Herr uns Dieter und Kristjana zur Seite gestellt hat! Ohne sie wären wir nicht hier geblieben und hätten das alles nicht geschafft. Sie sind so ein Segen für uns!“ Die harmonische Zusammenarbeit wurde auch von den Gemeindegliedern wahrgenommen. So sagt beispielsweise Wilhelm über Cary und Dieter: „Die beiden sind wie eineiige Zwillinge. Sie ergänzen sich so perfekt: Wenn der eine stockt, redet der andere. Wir waren ja auch eine Zeit lang bei ihnen in der Seelsorge und immer wenn dann Cary nicht weiter wusste, war Dieter zur Stelle und wenn Dieter redete, ergänzte Cary einen passenden Vers, der Dieters Aussage stütze, und so weiter. Diese Ältesten sind wirklich ein großer Segen für die Gemeinde!“
Bei aller vorbildlichen Gemeindeleitung erlebten die beiden Hirten in der Zeit nach dem Abschied von Familie A. und Familie Ma. aber einige schwere Wochen. Während die BiGeBe sich im Wohnzimmer von Familie Gre. versammelte, verließen noch weitere Gemeindeglieder aus unterschiedlichen Gründen die Gemeinschaft: Walter und Gunnel A., Don K., das Ehepaar Reinhard und Karin W., Manfred und Elvira Br. mit ihrer Tochter Anne (die ältere Tochter Dany war schon vorher zurück nach Los Angeles gegangen, um am Master’s College zu studieren).
Binnen weniger Wochen hatte sich die Bibelgemeinde damit stark dezimiert – statt gut 50 Personen, gehörten nun nur noch etwas mehr als 30 der Berliner Gemeinde an, die Kinder eingeschlossen. Pascal erinnert sich an diese bedrückende Situation: „Das war so ziemlich die dunkelste Zeit“, bevor Bea hinzufügt: „Da haben wir eigentlich gedacht, wir können zusammenpacken.“ Auch Carys Kommentar zu diesem Einschnitt lässt tief blicken: „Es war schon sehr hart für uns. Es hat wirklich wehgetan.“ Aber heute kann er einstimmig mit den anderen Bibelgemeindlern Gottes Verheißung, dass Seinen Kindern alles zum Besten dient, einmal mehr kräftig bejahen: „Durch eine Menge Schwierigkeiten haben wir eine Menge gelernt. Der Herr hat es gemacht wie bei Hiob. Auch Hiob ist durch schwierige Erfahrungen noch stärker geworden.“ Und auch Alex’ Beurteilung dieser Prüfungen lässt eine Gesinnung der Unterordnung unter Gottes Souveränität erkennen: „Wenn es so einen Umzug oder Schwierigkeiten oder einfach unsichere Zeiten gibt, dann gehen immer Leute weg. Aber ich habe in dieser Zeit oft gesagt: ‚Es ist egal. Lasst euch nicht entmutigen. Wichtig ist einfach, dass wir treu bleiben und weiter unseren Dienst tun.’ Es war dabei schön für mich zu sehen, wie durch solche Erfahrungen die ganze Gemeinde weiter kommt und auch die Ältesten wachsen: Das sieht man zum Beispiel daran, wie sie Schwierigkeiten annehmen und Entscheidungen treffen. An diesen Dingen konnten wir so viel lernen und mitwachsen und das ist einfach wunderbar.“
Wenngleich sich gewiss die ein oder andere Sorge unerlaubterweise[1] in die Köpfe der Geschwister einschleichen wollte, ist es doch auch erfrischend zu sehen, wie die Gemeinde sich in dieser Zeit nicht entmutigen ließ oder tatsächlich „zusammenpackte“, wie es in obigem Zitat anklang. Vielmehr vertraute man der Führung Gottes, der als Schöpfer und Herrscher dieser Welt zu keiner Zeit die Kontrolle verliert.
Dennoch waren sich natürlich alle bewusst, dass das Wohnzimmer langfristig keine Zukunft hatte und für die Familie Gre. auch eine große Belastung darstellte. Mit der Suche nach geeigneten Räumlichkeiten hatte die Bibelgemeinde schon sehr viel früher begonnen – und war damit sogar nicht einmal auf sich alleine gestellt: Schon im Jahre 2004 waren einige russlanddeutsche Geschwister aus der ECG in Hellersdorf nach Wartenberg gekommen um dort nach Lichtenberg und Hellersdorf die dritte Gemeinde zu gründen. Durch die Kontakte zur Bibelgemeinde mieteten sie sich zunächst für einige Zeit in den BiGeBe-Räumlichkeiten in der Dorfstraße ein, wo sie sonntagnachmittags ihre Gottesdienste veranstalteten. Damit erleichterten sie der Bibelgemeinde nicht nur die Mietkosten, sondern waren vor allem eine Unterstützung in dem Anliegen, die Menschen in diesem Gebiet mit dem Evangelium zu erreichen. Zudem bauten die beiden Gemeinden ein gutes Verhältnis zueinander auf, was in den folgenden Jahren noch weiter wachsen sollte.
Die Geschwister der ECG Wartenberg wollten von vornherein nicht langfristig in den kleinen Räumen in der Dorfstraße bleiben und hielten schon länger Ausschau nach einem geeigneten Grundstück auf dem man bauen könnte. Als dann der Mietvertrag im August 2005 auslief, war man natürlich zum Handeln gezwungen. Johann Friesen, Ältester der ECG in Hellersdorf, Viktor Lichtenberg, Ältester der ECG in Wartenberg, und die beiden Ältesten der Bibelgemeinde, Cary und Dieter, erkundeten auf der Suche nach geeigneten Gemeinderäumlichkeiten in den Folgemonaten viele Häuser in Hohenschönhausen, die zu mieten oder zu kaufen wären. Zwischenzeitlich hatten Dieter und Cary sogar in Erwägung gezogen, selbst im Genossenschaftsweg in Wartenberg zu bauen, aber das wäre wahrscheinlich nicht umsetzbar gewesen. Wilhelm erinnert sich an weitere Überlegungen: „Da kamen die tollsten Sachen: Irgendwann hatte Cary auch mal gesagt, dass wir ins Tanzstudio gehen, und dann war auch mal ein Fitnessstudio im Gespräch. Das war aber wohl nie so ernst gemeint bzw. handelte es sich dabei um Notlösungsüberlegungen.“ Die gemeinsamen Bemühungen mit den russlanddeutschen Geschwistern blieben lange Zeit ebenso erfolglos und es schien schon so, als würde die BiGeBe Weihnachten 2005 im Zuhause der Familie Gre. verbringen…
…bis Johann Friesen plötzlich ein Gebäude in der Wustrower Straße 52 präsentierte, unweit des S-Bahnhofes Wartenberg. „Johann hatte Kontakte zur Obrigkeit durch sein gutes Zeugnis, weil er schon zwei Gemeinden groß gezogen hat und dabei z.B. auch viele junge Leute von der Straße holte“, erzählt Wilhelm von dem auch für die Bibelgemeinde wertvollen Zeugnis des Ältesten aus Hellersdorf. Bei dem Objekt des Interesses handelte es sich nämlich um ein eingeschössiges Flachdachhaus, das zu DDR-Zeiten vom Ministerium für Staatssicherheit als Kantine genutzt wurde, nun aber in den Händen der Stadt zunehmend verwahrloste. Cary bemüht sich, gute Worte für den Zustand des Gebäudes zu finden: „Das Unkraut um das Haus wuchs bis zu den Knien, die Fenster waren alle zerbrochen, überall war Graffiti an den Wänden, das Dach hat geleckt, auf dem Boden stand das Wasser… Kurz: Es war eine Ruine.“
Aber wie schon zu Nehemias Zeiten war das kein Grund zur Panik, sondern vielmehr ein Ansporn, in die Hände zu spucken und loszulegen. In erster Linie galt das für die Geschwister der ECG, von denen einige Männer handwerklich sehr begabt und geübt waren und sich mit großem Eifer daran machten, aus der besagten „Ruine“ Gemeinderäumlichkeiten zu machen, die ihren Vorstellungen entsprachen. Cary fährt fort: „Preis dem Herrn für die russlanddeutsche Gemeinde – sie sind wirklich begabt und haben viel, viel Arbeit aufgewendet und das Gebäude wunderbar renoviert. Wir haben auch ein wenig geholfen, aber sie haben das Meiste gemacht.“ Mit dieser Hilfe spielt der Hirte der Bibelgemeinde vor allem auf Klaus an, der zu dieser Zeit auf Arbeitssuche war und alle übrige Zeit in den Aufbau des neuen BiGeBe-Zuhauses steckte. Klaus gibt uns einen Einblick in die Arbeiten, die anfielen: „Erst einmal haben wir mit Außenarbeiten angefangen: Metalldächer heruntergerissen, Fenster herausgenommen und neue eingesetzt, teilweise auch innen Wände herausgerissen oder Außenwandstücke angepasst, falls die neuen Fenster von anderem Format waren. Innen wurde eine Zwischendecke eingebaut, die Küche wurde verändert, Teppichboden verlegt, und so weiter. Einiges an Ausstattung haben sie aus Hamburg von Bekannten bekommen können und es dann teilweise einfach noch bearbeitet und schön gemacht. Eins sage ich dir: Die können arbeiten – da staunt man nicht schlecht! Einmal haben sie bis 23 Uhr abends Fenster eingesetzt, wo ich mir dann sagte: ‚Das ist jetzt aber schon ganz schön spät.’… Schließlich haben sie mich zu ihrer Feier eingeladen, aber ich habe abgelehnt und gesagt: ‚Nee, dit tut mia leid, aber ick kann keen russisch.’“
Die Arbeit ging wirklich schnell voran, sodass es bereits am 4. Dezember 2005 soweit war, dass der erste Gottesdienst in den neuen Räumlichkeiten stattfinden konnte. Da die russlanddeutschen Geschwister immer sonntagnachmittags zusammenkamen, konnten die beiden Gemeinden wie schon in der Dorfstraße problemlos gemeinsam die Räumlichkeiten nutzen – mit dem Unterschied, dass nun die ECG Eigentümer und die BiGeBe Mieter war.
Kristjana erinnert sich, dass die ersten Male im neuen Gemeindehaus in der Wustrower Straße nicht ohne Anfechtungen waren: „Mit Kindern waren wir nur 25 Gottesdienstbesucher – das waren wahrscheinlich die schwierigsten Zeiten! Mit so wenigen Menschen im kalten Winter und dann noch auf einer Baustelle. Lois hatte öfter Tränen in den Augen… und dann waren die Gebäude so deprimierend. Wir haben manchmal die Kinderstunde im Foyer gemacht und mussten uns dazu Jacken anziehen.“ Bei Familie Gre. gingen die Kinder für ihre Stunde in den Keller – nun also saßen sie frierend im Foyer, wobei neben den Jacken aber auch Gasheizgeräte Abhilfe schafften.
Auch Juliane erinnert sich an diese Kinderstunden, da sie zur Weihnachtsgeschichte im Dezember 2005 selbst zum ersten Mal ran durfte. Zuvor hatten sich Kristjana und Lois die Stunden aufgeteilt, die zuerst nur für eine Gruppe waren, später aber in zwei Gruppen aufgeteilt wurden – Kinder gab es schließlich genug! Juliane erzählt: „Ich hatte die kleine Gruppe – die damals aus Susanne Hud. und ein paar Jungs der Familie Gre. bestand. Während die Großen im Foyer saßen, war ich mit den Kleinen im Mutter-Kind-Raum. Wegen des Fensters, durch das man vom Gottesdienstraum in unseren Raum schauen konnte, saß ich mit den Kindern aber auf dem Fußboden, weil ich es komisch fand, dass vorne jemand predigte und uns dabei sehen konnte, wie wir irgendwelche Faxen machten…“ Im besagten Gottesdienstraum war die Kanzel bereits am rechten Ort, aber der Gottesdienstsaal war verglichen mit seiner heutigen Größe nur ein kleiner schmaler Raum und wurde durch eine Trennwand begrenzt. Auch in diesem saß man im Winter noch des Öfteren mit Jacken und Heizungen da. Beim Stichwort „Trennwände“ sollte noch erwähnt werden, dass nicht überall Trennwände standen – an manchen Orten fehlten sie auch, wie Bea lachend zu berichten weiß: „Auf den Klos hatten wir anfangs noch keine Abtrennungen: Da saß man dann eben zu dritt nebeneinander auf den Toiletten.“ Bis einzelne Räume mit Teppichboden ausgestattet wurden, musste man auch mit einer Menge Staub und Schmutz vorlieb nehmen – schließlich wurde ja noch reichlich gearbeitet in diesem Provisorium. Vor allem die Mütter trugen indirekt einiges zur Reinigung bei – sie reinigten ihre Kinder Sonntag für Sonntag von all dem Staub, den sie „vom Spielen“ aus der Gemeinde mitbrachten. Juliane nimmt kein Blatt vor den Mund: „Die Kinder sahen nach den Gottesdiensten furchtbar aus!“…
Solche und andere Einschränkungen und Umstände wurden aber gerne hingenommen – sah man doch gleichzeitig, wie es Stück für Stück voran ging. Wilhelm beschreibt: „Es war eine spannende Zeit: Jeden Sonntag sah man etwas mehr, was dazu gekommen war. Man hätte gar nicht geglaubt, dass aus diesem Ort noch etwas so schönes werden könnte.“ Und auch Familie B. ging Woche für Woche auf Erkundungstour, welche Veränderungen zu bestaunen waren, wie Kristjana berichtet: „Wir sind als Familie jeden Sonntag durchgegangen und haben uns angeschaut, was es jetzt wieder Neues gab – und dann haben wir uns so gefreut!“
Des einen Freud’ war in diesem Fall aber wie so oft des anderen Leid: „Es war jeden Sonntag ein Abenteuer, die Kaffeemaschine zu finden – sie stand immer woanders!“ klagt Juliane, die Familie B. nun beim Kaffeetisch half, der zwischen Bibelstunde und Gottesdienst und nach dem Gottesdienst immer Treffpunkt sämtlicher kaffeeliebender Bibelgemeindler war, von denen natürlich niemandem Abhängigkeit in irgendeiner Form unterstellt werden soll… Der Kaffee, sowie damit eng verbunden Zucker, Kuchen und Kekse, waren aber auch Ursache einer bösen Überraschung: Die sonst so gerne als vorbildlich weil fleißig gelobte Ameise hatte sich eines üblen Vergehens strafbar gemacht: „Eine richtige Ameisenstraße ging durch die Küche in den Zucker. Es waren unendlich viele!“ ist Dieter über diese ungehorsamen Gemeindeglieder aufgebracht, denen das Küchenteam aber im wahrsten Sinne des Wortes eins auszuwischen wusste, wie Juliane berichtet: „Wir haben seitdem regelmäßig die Schränke und das Geschirr ausgewischt.“
Da waren sie nun, am Anfang eines neuen Jahres, und am Anfang eines neuen Abschnitts. Man schaute zurück auf Monate des Fragens und Suchens, wo die Bibelgemeinde Platz finden könnte und wo sie überhaupt ihren Platz hat. Viel Weisheit war vonnöten, viel Arbeit auf den Knien. Aber der Herr hatte sie in Seiner Treue wieder bestens versorgt. Es war nicht immer leicht, aber doch ein guter Weg, den Gott mit ihnen ging. Zeiten der Unsicherheit, Gottesdienste im engen Wohnzimmer und Kinderstunden im kalten Foyer hatte man sich zwar nicht gewünscht, aber sie waren doch genau das, was Gott mit dieser Gemeinde vorhatte: Schließlich hatte Er nicht verheißen, die Unterkunft der Gemeinde dem Neuen Jerusalem ähnlicher zu machen, sondern die Gemeinde ihrem Herrn ähnlicher zu machen, der sie um Sein Blut erkauft hat! Pure Gnade ist es, dass Er auch die irdischen Bedürfnisse stillt und weit mehr tut als das – wie ein jeder BiGeBeler einmal mehr voller Lob und Dank unterstreichen konnte.
Und doch wird ein jeder Sklave Christi bezeugen können, dass es nicht einfach ist, in Seine Fußstapfen zu treten. Wenn auch das Herz nach einer guten Predigt, einer erfüllten Zeit der Stille mit Gott oder einem ermutigenden Gespräch voller Freude Gottes Souveränität und Güte preist, so dauert es oft nur eine Begegnung, ein Telefongespräch oder eine E-Mail um uns wieder auf den Boden zu werfen – wo wir uns schnell in der Gemeinschaft unserer längst verbannt geglaubten Sorgen, Ängste, Zweifel und Tränen wieder finden. Ernüchterung und Resignation wollen sich breit zu machen, wenn wir sehen, wie klein unser Vertrauen immer noch ist – und das nach allem, was wir bereits an der Seite unseres Herrn erlebt haben. Wir erkennen, dass ein täglich neues Annehmen erforderlich ist, eine ständige Anstrengung, das Denken Hiobs zu erlernen, wie dieser voll Einsicht bekannte: „Der HERR hat gegeben, und der HERR hat genommen, der Name des HERRN sei gepriesen!“[2] In all seinem Leid stützte sich dieser gottesfürchtige Mann aber nicht auf Durchhalteparolen und Selbstbetrug – vielmehr kannte er seinen Gott und dessen mit unendlicher Weisheit gepaarte Allmacht. Hiob wusste, dass die Zusagen der Schrift nicht wackeln, auch wenn die Welt und ihr Fürst es uns einzureden versuchen.
Möge uns dieselbe Einstellung gegeben werden – ruhend in der Gewissheit, dass Gott treu bleibt, auch wenn wir untreu sind[3], und willens, jegliche Schwierigkeit als wichtigen und nötigen Schleifpunkt anzunehmen: „Glückselig der Mann, der die Versuchung erduldet! Denn nachdem er bewährt ist, wird er den Siegeskranz des Lebens empfangen, den der Herr denen verheißen hat, die ihn lieben.“[4]
[1] Vgl. Matthäus 6,25-34; 1. Petrus 5,7
[2] Hiob 1,21
[3] Vgl. 2. Timotheus 2,13
[4] Jakobus 1,12
I n Christus wird selbst das vereint, was uns so grundverschieden scheint
Das Gemeindeäußere befand sich also weiterhin im Bau – es gab noch viel zu tun. Doch auch das Gemeindeinnere war im Bau: Altbekannte Gesichter veränderten sich, wenn aus Gnade das Bild Christi immer mehr in Erscheinung trat – wobei von unerwünschten physischen Veränderungen in Form von Alterserscheinungen an dieser Stelle mal geschwiegen werden soll. Bei alledem tauchten aber auch ganz neue Gesichter in der Gemeinde auf. Dafür müssen wir aber noch mal einen kleinen zeitlichen Rückwärtssalto machen, um uns erneut im Herbst 2005 wieder zu finden.
Dort begann eines Nachmittags die Geschichte von Martin Sp. mit der Bibelgemeinde. Der junge Mann aus Hohenschönhausen war auf dem Weg nach Hause und ging wie viele andere Bewohner des Neubaugebiets Vincent-van-Gogh-Straße in Neu-Hohenschönhausen auf dem Heimweg von der S-Bahn den Warnitzer Bogen entlang. An diesem Tag kam er jedoch nicht so schnell nachhause, da er vor dem Treffpunkt einen Tisch stehen sah und auf die dort ausgelegten Flyer aufmerksam wurde. „Natürlich habe ich mich nicht getraut hineinzugehen“, erzählt der damals 27-jährige, „aber wer kam heraus? Cary! Er hat mich auch gleich hineingerufen, sich mit mir hingesetzt und direkt seine Bibel aufgeschlagen.“ Die Bibel war Martin nicht unbekannt – hatten seine Großeltern ihn doch regelmäßig mit in die (katholische) Kirche genommen. So war ihm manches über Gott bekannt und er konnte sich vorstellen, dass ein Gott existierte. Leider fehlte es ihm aber mangels Belehrung an einem richtigen Verständnis des Wortes Gottes und demzufolge auch an rettendem Glauben, Buße und Entschiedenheit.
Martin hatte eine schwierige Kind- und Jugendzeit – bedingt durch körperliche Beeinträchtigungen, Ärger mit der Schule und Mitschülern und familiären Nöten, vor allem durch die schwere Krankheit und den frühen Tod seiner Mutter. Aus diesen Gründen war ihm auch der Einstieg ins eigenverantwortliche und berufliche Leben besonders erschwert. Bis 2005 hatte er bereits eine Ausbildung zum Zierpflanzengärtner, erfolglose Bemühungen eine Anstellung zu finden und ABM-Stellen hinter sich; seit 2003 befand er sich erneut in einer Ausbildung, diesmal zum Industriemechaniker. Zu den beruflichen und familiären Nöten kam auch persönliche Verzweiflung. Durch ein Buch von einem Freund war er wieder mehr auf Gott aufmerksam geworden und sehnte sich nach Trost bei ihm. In besagtem Buch sagte der Autor, „man würde alle Wünsche von Gott erfüllt bekommen, hätte man nur genügend Glauben an ihn“, wie Martin erzählt. Leider wurde er aber schon bald ernüchtert: „Bei mir hat das nicht funktioniert… Ich habe auch einen Brief an Gott geschrieben, in dem ich alle meine Fehler aufschrieb und sie bereute. Den Brief hängte ich an die Tür, doch schon bald war er verblasst und ich schmiss ihn weg.“ Martin war ab und zu in einer Kirche und las auch auf eigene Faust Stellen in der Bibel, deren Richtigkeit er nicht anzweifelte. Dennoch sorgte seine Lebenssituation für viel Ernüchterung: „Mein Glaube an Gott war sehr schwankend. Manchmal habe ich nichts mehr gegessen und darauf gewartet, zu sterben. Ich habe im Leben keinen Sinn mehr gesehen.“
Einige Zeit später nun kam es dann aber zu dieser ersten Begegnung im Treffpunkt, die nicht die letzte bleiben sollte: Martin kam regelmäßig zu den freitagabendlichen Bibelstunden in die Warnitzer Straße und hörte dort Gottes Wort. Nachher war er aber schnell wieder weg – zu Gesprächen war er noch nicht so aufgeschlossen und fühlte sich eher fremd. Nur manchmal redete er noch ein bisschen mit Klaus: „Dat war so meen Typ“, erklärt Martin von den Unterhaltungen mit Klaus, bei denen zumindest die „sprachliche Barriere“ wegfiel. Für einige Wochen besuchte er auch die Gottesdienste im Provisorium in der Wustrower Straße und wuchs in die Gemeinde hinein. Auch wurden Grundsteine zu besserem Verständnis der Offenbarung Gottes gelegt, wie Martin erzählt: „Cary hatte nach dem Gottesdienst mal gefragt, was ich für eine Bibel habe und so meine ‚Hoffnung für Alle’ gesehen. Er hat sie angeschaut und mir gesagt, dass dies keine gute Übersetzung sei und die Studienbibel empfohlen. Dann sah er mein Gebetsbuch, was voller katholischer Gebete war und sagte nur: ‚Gleich weg damit’. Die Studienbibel durfte ich gleich mitnehmen und sie am nächsten Mittwoch bezahlen. Dafür gab ich mein letztes Geld – so hatte ich zwar nichts mehr zu essen, aber eine gute Bibel.“
Bei allem wachsenden Verständnis fehlte es aber noch an einem echten Bruch mit der Sünde und einer Hinwendung zu dem Herrn. Schon Ende des Jahres 2005 war Martin eine Beziehung mit einer geschiedenen Frau eingegangen. Die Geschwister der Bibelgemeinde hatten ihn oft vor diesem Ehebruch gewarnt, stießen aber auf unwillige Ohren. „An einem Tag bin ich am Treffpunkt vorbeigegangen, als Cary herauskam und mich fragte, wo ich hinginge. Als ich von meiner Freundin erzählte, sagte er mir, dass es falsch ist und zeigte mir Bibelstellen dazu. Da bin ich ausgerastet und habe gefragt: ‚Was soll das? Ist doch mein Problem!’ und dann habe ich meine Freundin angerufen und gesagt: ‚Ich gehe da nie mehr hin!’“ So sah man ihn in der Bibelgemeinde für eine lange Zeit nicht mehr…
Doch dafür kamen zwei andere junge Menschen Anfang 2006 in die Bibelgemeinde: Tom Gierlichs und Patricia Netzer.
Patricia hat viele Jahre als Schauspielerin in Los Angeles gelebt, gelernt und gearbeitet. Als Atheistin glaubte sie lange nicht an den Schöpfer und Richter dieser Erde und sträubte sich auch gegen die Bemühungen ihres gläubigen Freundes und Filmpartners, sie mit Gottes Wahrheit bekannt zu machen. Dennoch erzählte dieser ihr 15 Jahre lang von Gott und konnte sie ab und zu dazu bewegen, mit ihm den Gottesdienst in der Grace Community Church in LA zu besuchen, die dem Leser längst nicht mehr unbekannt sein dürfte. Eine Kassette mit einer Predigt des dortigen Pastors John MacArthur war es dann schließlich auch, die dazu beitrug, dass Patricia zum lebendigen Glauben kam.
Daraufhin änderte sich ihr Leben gewaltig: Zunächst stellte natürlich ihre Bekehrung zu ihrem Schöpfer und Retter ihr bisheriges Leben auf den Kopf und erforderte ein Umdenken in mehreren Bereichen. Hinzu kamen aber auch ihre Rückkehr nach Deutschland und ihre ernste physische Not: Starke Rückenschmerzen brachten sie in ärztliche Behandlung und nach einem halben Jahr zur Erkenntnis, dass sie einen seltenen Muskelkrebs habe, der in den folgenden Jahren Ursache vieler physischer und psychischer Leiden sein sollte. Ihr souveräner Gott hatte sie aber in seiner Güte bestens darauf vorbereitet: Der gerade erst gewonnene Glaube stützte und ermutigte sie und ließ sie in der Leidenszeit zu einem beeindruckenden Zeugnis der Gewissheit des biblischen Glaubens werden, der ihr allezeit Kraft und Hoffnung zu geben vermochte. So bezeugt Patricia, dass sie gerade gegenüber Ungläubigen dadurch viel Staunen und Nachdenken bewirken konnte, wenn sie ihnen sagte „Mensch, klar weiß ich, dass ich sterben muss, aber es ist okay – weil ich weiß wo ich hingehe!“
Auch ein Mensch sollte zu einer besonderen Stütze für sie werden: In Berlin lernte sie 2005 im Zuge der ärztlichen Behandlungen ihren Physiotherapeuten Tom kennen – und wenig später auch lieben. Dies führte dazu, dass die beiden Anfang 2006 als Paar in die Bibelgemeinde kamen und – wenn auch durch die schwere Krankheit natürlicherweise eingeschränkt – einige gute Beziehungen zu den dortigen Geschwistern aufbauten.
So war der Beginn des Jahres 2006 also von vielen neuen Bewegungen und einigen Herausforderungen geprägt: Martin kämpfte mit der Liebe zur Sünde und zu den weltlichen Begierden, Tom und Patricia kämpften mit Krankheit und Leid und die Bibelgemeinde kämpfte mit Staub und Ameisen. Aber laufen, ringen, kämpfen – das ist Gemeinde.
Dies zeigte sich auch im Leben von Kathrin Se., die die ersten Monate 2006 als schwierige Zeit in Erinnerung hat: Seit Herbst des vergangenen Jahres wohnte sie nun bereits alleine, aber „immer wieder mal kam ich für einige Tage zu Familie Gro., wenn es mit der Versuchung schlimm wurde – so hatten wir es vereinbart“, erzählt Kathrin von ihren weiteren Schritten, in der Heiligung voranzukommen. Leider sollte es Anfang 2006 aber zu einer Zerreißprobe kommen, wie sie weiter berichtet: „In dieser Phase habe ich mich für zwei bis drei Monate von Familie Gro. abgewendet, weil sie Sachen von mir verlangten, zu denen ich nicht bereit war – obwohl ich sie zu einem früheren Zeitpunkt um Hilfe in diesem Bereich gebeten hatte. Dann ließen sie mich gehen und sündigen… Ich habe es eigentlich so weit mit der Sünde getrieben, wie es gar nicht geht, so dass ich nicht mehr alleine klar kam. Ich suchte deshalb sogar Psychologen und Neurologen auf. Aber keiner von ihnen konnte mir sagen, was Sache ist und so wurde mir klar, dass es eigentlich nur die Sünde sein konnte, die diese Symptome bei mir bewirkte.“
Kathrin hatte sich während dieser Zeit zwar von Pascal und Bea abgewendet, aber war doch weiter in die Gemeinde gekommen, sodass die Geschwister dort alles mitbekommen haben. Gewiss hat auch dies dazu beigetragen, dass die junge Christin schließlich zur Einsicht kam, wie sie erleichtert wiedergibt: „Ich habe dann Buße getan und Familie Gro. gesagt, dass ich ihre Hilfe wieder will. Sie haben mich direkt wieder angenommen und mir erneut geholfen!“ Im Gegensatz zu Martin, um den die Gemeinde noch bangte und betete, konnte Kathrin wieder umkehren und so eine weitere Lektion auf dem Weg zur Christusähnlichkeit lernen. Und wieder haben sich jene Worte aus dem Buch der Sprüche bewahrheitet, die besagen, dass auch die Gerechten fehlen und fallen – und das leider nicht selten –, aber während die Gottlosen fallen und liegen bleiben, oder gar immer tiefer sinken, fällt der Gerechte siebenmal und steht doch wieder auf![1] Niemand anderes als der Geist Gottes bewirkt diese Wunder und niemand anderem als Ihm sei alle Ehre dafür!
Im Frühjahr und Sommer 2006 sollte es kein weiteres großes Fallen und Aufstehen geben – schließlich wurde, wie schon erwähnt, jeglicher Unrat vom Gelände und im Haus der Wustrower Straße 52 beseitigt, wo die BiGeBe ihr neues Zuhause hatte. Wenn man schon nicht mehr hinfiel, so konnte man doch zumindest sagen, dass man mit dem Schmucken gelben Haus und dem von der Russlanddeutschen sehr schön gestalteten Vorgarten mehr und mehr auffiel in einer Umgebung von grauen Plattenbauten und einer weiteren Ruine als Nachbarhaus. Aus den genannten Gründen gefiel den Bibelgemeindlern ihr neues Gemeindehaus auch sehr und es fiel dem ein oder anderen noch gelegentlich schwer, die Freude fassen zu können, die Gott ihnen auch mit materiellen Dingen machte! Eine Familie kannte diese Glücksgefühle indes lange Zeit nur vom Hörensagen, weil sie im Frühjahr 2006 für ein halbes Jahr in die Vereinigten Staaten auf Heimaturlaub bzw. Reisedienst gingen: 11 mal Familie Gre. und eine fünfte Tochter, die irgendwann in dieser Zeit entstanden sein muss. Die erste Tochter, Eshté, erlebte vor der Reise über den großen Teich aber noch einen ganz besonderen Tag: Am 14. Mai bezeugte sie mit ihrer Taufe vor Gott und der Gemeinde, dass der Herr ihr die Wiedergeburt geschenkt hatte und sie nun nicht mehr für sich selbst, sondern ihren Erlöser leben wollte.
Während der Abwesenheit von Familie Gre. kümmerte sich Familie Gro. im Juni für einige Zeit um das große „G-house“ – 2003 hatten sie ja schon Erfahrungen mit dem Haushüten sammeln können. Außerdem kamen Ende Juli wieder einige Geschwister aus der Grace Community Church, um die Bibelgemeinde bei sommerlicher Schriftenverteilung und anderen Gemeindeaktivitäten zu unterstützen. Auch im vorigen Jahr hatte die Gemeinde aus Kalifornien eine Abordnung geschickt, die sich hingegeben für den Dienst in Berlin einsetzten. Die BiGeBeler waren sehr dankbar für diese große Unterstützung und Ermutigung. Auch konnten so einerseits die Beziehung zur Grace Community Church gepflegt werden und andererseits gute persönliche Beziehungen einzelner Teammitglieder zu Bibelgemeindlern entstehen.
Weiter ging auch die Arbeit im Treffpunkt, der immer wieder Anlass zum Danken war, wenn der Herr dort die Möglichkeit zu guten Gesprächen über den Glauben gab. Immer wieder waren neue Gesichter zu sehen, die aus Neugierde oder mit einer Last auf dem Herzen das Gespräch suchten. Auf der anderen Seite mehrten sich aber auch die bekannten Gesichter: Einige kamen mal häufiger, mal seltener – je nach Zeit und Ausmaß der persönlichen Beschäftigung mit dem Gehörten über Gottes Wort. Sie hatten recht bald das Evangelium zu hören bekommen und waren auf die Ernsthaftigkeit ihrer aktuellen Situation hingewiesen worden. Die Botschaft kannten sie und auch bereits viele Antworten auf Fragen, die Ungläubige des Öfteren stellen, wenn es um die Bibel und ihren Autor geht. Dennoch ließen einige nicht locker und kamen immer wieder mit neuen Theorien, Ausflüchten, Selbstgerechtigkeit und schlichtem Unglauben in den Treffpunkt. Viele, viele Stunden trieben den Geschwistern, die im Treffpunkt dienten und dienen, Sorgenfalten auf die Stirn und Tränen in die Augen, angesichts solcher Menschen, die alles wissen und dennoch nicht zur Buße bereit sind. Auch schulte es aber im Flehen für diese Menschen, denen nur Gott die Decke von den Augen nehmen kann. Die Hoffnung darauf ist bis heute nicht gestorben – auch wenn einige dieser Kontakte nun bereits über viele, viele Jahre bestehen.
Auch die öffentlichen Veranstaltungen im Treffpunkt am Freitagabend setzten sich fort, zu denen hin und wieder interessierte Außenstehende, sowie eingeladene Gäste und Freunde kamen. Mittwochabends fand zudem ein gemeindeinterner Hauskreis in der Warnitzer Straße statt, bei dem z.B. die Apostelgeschichte und der Philemonbrief, sowie aktuelle Themen und Fragen aus biblischer Perspektive betrachtet wurden.
In den Bibelstunden am Sonntagmorgen wurde als Fortsetzung des Buches „Training im Christentum 1“ nun der zweite Band dieser Serie behandelt. Auch wurde ein Überblick über alle Bücher des Alten Testaments gegeben. Die Predigten in den sonntäglichen Gottesdiensten hatten Auslegungen des Matthäusevangeliums und des Epheserbriefes zum Inhalt, ergänzt durch aktuelle Themen aus verschiedenen Schriftstellen.
Von all dem bekam einer recht wenig mit: Martin. Den ganzen Frühling und Sommer kam er nicht zur Gemeinde und zog sich in die eigenen vier Wände oder die vier Wände seiner Freundin zurück. Aber glücklich machte ihn das alles nicht, vielmehr trieb es ihn mehr und mehr in Verzweiflung, weil er die deutlichen Ermahnungen aus der Bibelgemeinde noch in den Ohren hatte und selbst nach und nach erkannte, wie die ehebrecherische Beziehung Ursache vieler Streitigkeiten und Entmutigungen wurde. Im Oktober 2006 wusste er (endlich) nicht mehr weiter und kam freitags in den Treffpunkt. Dort traf Martin auf Wilhelm, der sogleich mit ihm redete und betete. Auch Pascal führte im Anschluss an das Abendthema ein Gespräch mit ihm. In diesen Tagen starb der alte Martin und ein neuer Mensch wurde geboren, der seine Sünden erkannte und bekannte und unbedingt lassen wollte: „Ich habe geweint und gebetet und Gott um Vergebung gebeten. Plötzlich war das Gefühl von Angst und Sünde weg und ich wusste: Gott hat mir vergeben.“
Als logische Konsequenz beendete Martin kurz darauf die längst in die Brüche gegangene Beziehung und verbrachte seine Zeit nicht mehr mit einer geschiedenen ungläubigen Frau, sondern mit einer gläubigen Verlobten, an der nun auch er Anteil hatte: der Gemeinde des Herrn Jesus Christus! „Ich bin seitdem einfach immer zur Gemeinde gekommen, habe auch beim ‚Grundlagen des Glaubens’-Kurs teilgenommen, der an Dienstagabenden stattfand“, erzählt Martin davon, dass er gerne in die Gemeinde kam, um dort viel über Gott und Sein Wort zu lernen. Auch gibt er Einblick, wie die enge Gemeinschaft gläubiger Menschen ihn beeindruckte: „Nach der Gemeinde bin ich anfänglich wieder alleine nachhause gegangen. Gewundert habe ich mich dann, als ich nach dem Gottesdienst gefragt wurde, was ich am Nachmittag noch so mache. An einem anderen Nachmittag habe ich zum ersten Mal eine Einladung einer Familie aus der Gemeinde angenommen. Seitdem treffe ich mich jeden Sonntag nach dem Gottesdienst mit den Leuten aus der Gemeinde. Nun weiß ich, ich bin niemals alleine.“
Sogar das einsame Wohnen sollte schon bald ein Ende haben – doch dazu muss zunächst noch eine andere Person eingeführt werden, die im September 2006 zum ersten Mal die Bibelgemeinde Berlin betrat.
Die Rede ist von Daniel We., einem jungen Mann aus Wiesbaden (Hessen), der nach Abitur und Zivildienst zum Studium der regenerativen Energien in die Bundeshauptstadt kam. Den Zivildienst hatte er als Freiwilliges Soziales Jahr im Dienst einer Missionsgesellschaft in der fernen Mongolei verbracht. Schon dort entschied er sich für Berlin – die Gründe waren zweierlei: Erstens wurde der ausgewählte Studiengang nicht an besonders vielen deutschen Hochschulen angeboten, zweitens hatte er erfahren, dass es in Berlin Mongolen und sogar eine mongolische Gemeinde geben sollte. Diese sollten ihm die Möglichkeit geben, ein Stück Mongolei auch in Deutschland zu haben und zudem die bereits erzielten Fortschritte in der mongolischen Sprache weiter auszubauen.
Bei seinem ersten Besuch in Berlin überhaupt wurde auch sogleich die mongolische Gemeinde anvisiert. Da ihr Gottesdienst aber erst nachmittags war, bot sich noch die Möglichkeit, eine deutsche Gemeinde anzuschauen. Über Bekannte war er an die Adresse der Bibelgemeinde gekommen und wurde nach dem Besuch von Bibelstunde und Gottesdienst direkt zu Familie B. eingeladen. Daniel erzählt von seinen ersten Eindrücken: „Bibelstunde und Predigt kamen mir zunächst sehr theoretisch vor, eher wie in einer Vorlesung. Aber schön war, direkt Gemeinschaft zu haben und mit Familie B. zu reden.“ Auch bei seiner Wohnungssuche erfuhr er durch die Geschwister Unterstützung: „Ein Mann hatte mir von einem Studentenwohnheim erzählt, ein anderer von der HOWOGE. So hatte ich direkt Kontakt und Ratgeber.“
Einige Wochen später schaute er wieder in der BiGeBe vorbei und durfte diesmal die Gastfreundschaft von Familie Gro. genießen. Von anderen gemeindlichen Hintergründen geprägt fiel ihm erneut der Schwerpunkt auf, der auf die Unterweisung im Wort Gottes gelegt wurde: „Wir haben über Lehre gesprochen. Für mich war das alles sehr neu, was über Irrlehren, Gefahren von Pragmatismus, und so weiter gesagt wurde. Aber es war wie gesagt schön, dass ich eingeladen wurde und auch die Hilfe der Pastoren in Anspruch nehmen durfte.“ Letzteres tat er in den folgenden Wochen, als er durch Besuche anderer Gemeinden und christlicher Kreise verwirrt wurde und freute sich über den Rat der BiGeBe-Ältesten: „Ich traf mich mit Dieter und redete mit ihm darüber. Das war mir eine große Hilfe und mir wurde klar, dass ich in dieser Gemeinde bleiben wollte. Auch war es für mich eine wertvolle Erfahrung, weil ich merkte, wie sich die Pastoren um die Schafe kümmern.“
Die Suche nach Mongolen bzw. die Erkenntnisse der Treffen mit ihnen waren indes weniger erfreulich, sodass Daniel seinen Platz nun ganz in der Bibelgemeinde sah.
Auch sahen die Ältesten seine Einstellung und Lernbereitschaft und so kam es, dass sie neben Wilhelm, Pascal und Alex auch Daniel bereits Ende des Jahres 2006 zu so genannten 222-Treffen einluden. Diese Treffen bekamen ihren Namen von der Bibelstelle aus 2. Timotheus 2,2, in der geschrieben steht: „und was du von mir in Gegenwart vieler Zeugen gehört hast, das vertraue treuen Menschen an, die tüchtig sein werden, auch andere zu lehren!“ Das Ziel dieser Treffen war es, diese Männer verstärkt auf Dienste und Verantwortung in der Gemeinde vorzubereiten. Im Laufe des Jahres 2007 wurden auch andere Männer dazu eingeladen, um sich insbesondere damit zu beschäftigen, was die Aufgabe eines Diakons in der Gemeinde ist.
Außerdem konnte Daniel nach einigen Monaten auch im Musikdienst mitwirken, der zuvor alleine in Pascals Händen lag: Der Gemeindeneuling spielte Gitarre und wechselte sich fortan mit dem Pianisten bei der Liederbegleitung der Gottesdienste ab. Der EBTC-Student Pascal wurde so etwas entlastet und die Gemeinde durfte sich nun auch an Gitarrenbegleitung erfreuen. Bei Daniels erstem Einsatz im Gottesdienst brauchten die nur an Klavierbegleitung gewöhnten BiGeBeler aber eine große Portion Anpassungsvermögen, wie Juliane mitleidig berichtet: „Weil er nicht mitgesungen hat, wussten die Leute nie, wann sie einsetzen sollten. Das war fürchterlich!“
Was Daniel und Martin, die beiden jungen Männer, die seit Ende 2006 die Gemeinde bereicherten, vereinte, war der Hunger nach gesunder biblischer Lehre und geistlicher Anleitung, Korrektur und Beratung durch die Geschwister. Diesen Wunsch teilten sie mit einer weiteren Familie, die ebenfalls in diesen Monaten zur BiGeBe stieß, der Familie Wi. – genauer gesagt den Eltern Dirk und Svenja, sowie ihren kleinen Söhnen, Gideon und Timotheus. Anders als Martin und Daniel wusste die junge Familie aber bereits einiges davon, was sie in der Bibelgemeinde erwarten würde. Sie gingen bereits seit vielen Jahren in Berlin zur Gemeinde und hatten nicht nur von der BiGeBe gehört, sondern kannten Familie B. und Gre. bereits von dem Gemeindegründungsprojekt, an dem sie vor dem Aufbau der Bibelgemeinde in Berlin mitgewirkt hatten.
So wählten Dirk und Svenja den Weg in die Wartenberger Gemeinde ganz bewusst, wie Svenja erzählt: „Wir sahen es vor allem für unser persönliches Wachstum, unsere Ehe und die Kindererziehung als wertvoll an. Zum Beispiel wurden, als wir das erste Mal in der Bibelgemeinde waren, gleich Kinder aus der Kinderstunde heraus und zu den Eltern geschickt, weil sie andere Kinder beim Beten ablenkten. Das fanden wir gut und richtig.“ Ihr Mann fügt hinzu: „In der BiGeBe war es auch so, dass die Kinder gerne in die Kinderstunde gingen – wir mussten nicht mehr mit ihnen mitkommen. Außerdem hat man uns nachher gesagt, wie sich unsere Kinder verhielten. Das war uns wichtig, um zu wissen, woran wir arbeiten könnten.“
Familie Wi. wurde schnell heimisch in der Bibelgemeinde, brachten sich im Dienst für die Geschwister ein und schätzten die Möglichkeit, durch persönliche Gespräche mit den Ältesten und anderen Ehepaaren, Austausch und Hilfe im Ehe- und Familienleben zu bekommen.
Bei all den wissbegierigen jungen und älteren Menschen, stellten sich die Ältesten natürlich auch permanent die Frage, wie sie einen jeden gut belehren und weiterbringen könnten. Außerdem hatte Familie Gro. von Beas Schwester Marianne Lehmann und ihrem Mann Pascal, die in der Schweiz lebten, gehört, dass sie auch gerne so etwas wie das Grundlagenjahr machen wollten, was beim EBTC angeboten wurde, und einen guten Überblick über die wichtigsten Eckpunkte eines jeden Bibelbuches gab. Allerdings befürchteten sie etwas, dass das neben Beruf und Familie eine zu hohe Belastung sein könnte.
Pascal Grosjean hatte schließlich die Idee, dass man etwas Vergleichbares zu den Inhalten, wie sie beim EBTC-Grundlagenjahr vermittelt wurden, auch auf zwei Jahre aufteilen konnte. Natürlich sollte es vor allem die Gemeindeglieder der BiGeBe in ihrer Schriftkenntnis fördern, aber auch für Lehmanns stellte es eine tolle Möglichkeit dar. Doch sie sollten nicht die einzigen Externen bleiben: Die dritte im Bunde war Carola Go., eine Mutter aus einer Gemeinde in Berlin-Spandau. Sie und ihr Mann Bernhard hatten eine gute Verbindung zum Ehepaar Gre. und Bernhard kam des Öfteren zu Bibelstunden in der Bibelgemeinde und übernahm zudem Dienste im Treffpunkt.
Schließlich wurde der Kreis der Nicht-BiGeBeler durch Thomas We. komplettiert. Als er im Januar 2007 seinen großen Bruder Daniel in Berlin besuchte, lernte er sogleich dessen neue geistliche Heimat kennen, und mit ihr das Projekt BGBJS (Bibelgemeinde Berlin Jüngerschaftsschule). Nach einer Bibelstunde am Freitag und einer Auslegungspredigt am Sonntag, sowie einem Nachmittag bei Familie B., an dem Dieter sich bereitwillig einer langen Liste von Fragen zu Gottes Wort und zum Leben in der Nachfolge eines 18-jährigen stellte, brauchte es nicht mehr viel Überzeugungskraft, um Thomas auch für die Jüngerschaftsschule zu begeistern – schließlich war diese Möglichkeit zum persönlichen Schriftstudium gepaart mit Korrektur und Unterricht durch Bibellehrer genau das, wonach er sich sehnte und in seiner Heimat vermisste.
Mit Beginn des Jahres 2007 starteten also um die 25 Leute in das Projekt BGBJS. Während der zwei Jahre sollte sich zwar der ein oder andere nach kurzer oder langer Zeit ausklinken, aber der größere Teil absolvierte das gesamte Programm. Doch was ist darunter überhaupt zu verstehen? Zunächst wurden die zwei Jahre in acht Quartale und die Bibel in acht Abschnitte unterteilt. Nun war es die Aufgabe der Teilnehmer innerhalb von drei Monaten jeweils den betreffenden Teil der Bibel aufmerksam zu lesen und ein jedes Kapitel mit Überschriften von ca. sieben Wörtern zu versehen, die die Kernaussage des Textes wiedergaben. Darüber hinaus sollte zu jedem Bibelbuch eine Gliederung erstellt und eine Übersicht geschrieben werden, die wichtige Hintergrundinfos sowie eine Kurzzusammenfassung des Buches zu umfassen hatte. Diese Aufgaben gehörten zum Bereich Bibelkunde. Ein zweiter Bereich war die Theologie, für den die Studenten umfangreiche Ausführungen zu Sektoren der systematischen Theologie wie Christologie, Ekklesiologie, Hamartiologie und Eschatologie durcharbeiten und mittels einer Zusammenfassung ihr Verständnis davon zeigen sollten. Schließlich hatten die Teilnehmer der BGBJS im dritten Bereich der praktischen Theologie die Aufgabe, verschiedene Bücher zu lesen und ebenfalls zusammenzufassen.
Nach drei Monaten kam man dann immer für ein Wochenende im Treffpunkt 180 zusammen. Dort gaben die Teilnehmer ihre erarbeiteten Hausaufgaben zur Durchsicht und Korrektur an Pascal Grosjean und nahmen des weiteren am Unterricht teil, den in erster Linie er selbst hielt, während jeweils eine Einheit auch von den Hirten Cary und Dieter übernommen wurde. Diese standen völlig hinter dem Projekt und freuten sich sowohl am Einsatz von Pascal als auch am Eifer der Studenten und ihrem zunehmenden Verständnis der Heiligen Schrift.
Gerade noch rechtzeitig zum Start der Jüngerschaftsschule kam nach dem Zuwachs Ende des Jahres 2006 im Februar 2007 schließlich auch Paul Hü. zur BiGeBe. Aufgewachsen in einem atheistischen Elternhaus in Frankfurt/Oder, hat Paul dennoch schon in jungen Jahren auf eigene Faust in der Bibel gelesen und war durch das lebendige und wirksame Wort Gottes zum rettenden Glauben gekommen. In seiner Heimat besuchte er zunächst mit einem Freund die evangelische Kirche, ehe er auf der Suche nach festerer Speise an die Baptisten geriet und sich ihnen als junger Erwachsener für fünf Jahre anschloss. Mit 23 Jahren entschloss er sich allerdings, nach Berlin zu ziehen und dort ein Studium der Fächer Alt-Germanistik und Theologie anzutreten.
Paul suchte auch in Berlin eine Baptistengemeinde auf und brachte sich dort ein. Allerdings „habe ich nach und nach immer mehr selbst in der Bibel studiert, weil ich mir viele Fragen stellte, die unbeantwortet geblieben waren. Diese Studien haben dazu geführt, dass ich lehrmäßige Standpunkte eingenommen habe, die eigentlich klassisch baptistisch sind, aber vom Bund und meiner Gemeinde leider nicht mehr geteilt wurden. Dies erkläre ich mir damit, dass sich viele selbst nicht mit der Bibel beschäftigen und dazu noch bisweilen sehr charismatisch sind“, erzählt der junge Mann aus Brandenburg von seiner gemeindlichen Situation, die schließlich auch zu einigen Konflikten führte. Daraufhin kam es zu einer Aussprache mit der Gemeindeleitung, bei der „mir in christinesisch, aber dennoch in aller Deutlichkeit, gesagt wurde, dass ich in der Gemeinde bleiben dürfe – aber nur wenn ich nicht mehr ihre Lehren anzweifeln und kritisieren würde.“
Nach einer längeren Suche war dann auch für Paul die Internet-Seite der KfG der Wegweiser zu Bibelgemeinde, die für ihn zu Fuß zu erreichen war. Sein erster Besuch in der BiGeBe sollte ihm in positiver Erinnerung bleiben: „Es gab zuerst eine Bibelstunde zur Apostelgeschichte von Cary und dann eine Predigt von Pascal über Psalm 1… eine Auslegungspredigt – toll!“ Der Student, der mittlerweile im Studium auf Germanistik und Skandinavistik umgestiegen war, war damit aber noch nicht überzeugt und wollte die Gemeinde erst noch genauer prüfen, wie er weiterhin berichtet: „Ich hatte mir die Gemeindewahl so schwer gemacht, weil es ja in der heutigen Christenheit so einen Mangel an Substanz und guter Belehrung gibt – das habe ich dann aber in der BiGeBe gefunden. Auch habe ich mich des Öfteren mit Cary getroffen, um das Glaubensbekenntnis durchzugehen. Als ich das dann alles gut fand wusste ich endlich: Hier bleibe ich!“
Sogleich stieg Paul auch in die Jüngerschaftsschule mit ein, die ihm gut gefiel, wie er etwas ausführt: „So etwas habe ich sonst noch nicht gesehen, dass wirkliches Bibelwissen gelehrt wird – mit lesen, Überschriften finden, sich zusammensetzen und schauen, was Themen und Hintergründe der einzelnen Bücher sind, und so weiter. Auch haben wir uns über praktische Jüngerschaft unterhalten, zum Beispiel zur Evangeliumsverkündigung, Familienandacht, heiligem Leben – einfach praktische Schritte fürs Christenleben besprochen und durchdacht… und die Gemeinschaft dabei war natürlich grandios!“ Im Schwerpunkt auf Studium und Belehrung sieht er aber auch eine potentielle Gefahrenquelle: „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht Christen aus anderen Kreisen ungnädig begegnen. Wir setzen viel auf die Lehre und das ist auch gut – aber es darf nicht zu einem Herabschauen werden, oder als solches missverstanden werden.“ Auf der anderen Seite freut er sich aber über das Anliegen, das hinter der intensiven Belehrung steht und in der Praxis auch seine Auswirkungen zeigt. So fügt Paul hinzu: „Der Umgang miteinander hat eine gewisse Qualität, und ich denke, dass das vor allem mit der klaren Lehre zusammenhängt, die es über die unterschiedlichen Themen gibt. Wenn zum Beispiel über Nächstenliebe gelehrt wird, dann wird sehr deutlich erklärt, was die Bibel darunter versteht – und dieses wird dann auch versucht umzusetzen. So haben wir hier zwar kein Um-den-Hals-Fallen, aber echte Liebe, die sich im Zusammenleben miteinander äußert.“
Zwei BiGeBeler sollten schon bald eine besondere Möglichkeit bekommen, diese geschwisterliche Liebe einander zu erweisen – und hier schließt sich der Kreis zwischen Martin und Daniel. Bea hatte Daniel schon früh ermutigt, geistlich Einfluss auf den Junggläubigen zu nehmen. So haben die beiden öfter miteinander gesprochen und Daniel konnte ihm unter anderem beim Jüngerschaftskurs helfen. Im Frühjahr 2007 ist Martin dann eines Tages weggelaufen, bis Cary und Daniel ihn weinend auf einer Bank fanden. Daniel berichtet, wie sie mit Martin redeten: „Er erzählte, dass er immer an seine Sünden erinnert wird, wenn er nachhause zu seiner Wohnung kommt. Da fragte ich ihn, was er davon hält, wenn wir zusammen ziehen. Er wollte gerne und so fassten wir den Entschluss, eine Wohngemeinschaft zu eröffnen, was wir Mitte Mai auch in die Tat umsetzten.“
Martin hatte das Ziel, mehr und mehr in seinem Leben aufzuräumen und sich diesbezüglich zum Beispiel schon seines Fernsehers entledigt, weil dieser ihn vom Wort Gottes ablenkte. Überhaupt sollten die Geschwister der Bibelgemeinde – allen voran Daniel – in den folgenden Jahren noch sehr gut kennen lernen, wie wenig Martin an Materiellem hing und er den Ausspruch prägte: „Wat soll ick damit? In den Himmel kann ick eh nischt mitnehmen.“ Für andere war dieser Umgang mit materiellen Gütern allerdings etwas gewöhnungsbedürftig, wie Daniel bezeugt: „Ich bin froh, dass unsere Wohnung im sechsten Stock war und unser Haus keinen Aufzug hatte, sonst wären irgendwann unsere Möbel verschwunden…“ Neben dem Ablegen der alten Sünden sollten aber auch neue, gute Dinge angezogen werden. Daniel erzählt: „Wir haben zusammen mit Familie Gro. eine Hausordnung entwickelt. Außerdem haben wir gemeinsam die Sprüche studiert – ich hatte mir schon länger gewünscht, Einfluss auf jemanden ausüben zu können, wie ich es auch bei einem Praktikum in einer Gefährdetenhilfe im vorigen Jahr erlebt hatte.“ Aber auch Daniel profitierte vom Zusammenleben mit einem, der darin erprobt war, einen Single-Haushalt zu führen: „Martin brachte mir bei, wie man Brot einfriert und es toastet… Wir haben oft zusammen gegessen.“ Und noch etwas sollten die beiden jungen Männer bald gemeinsam erleben dürfen: Am 20. Mai durften sie mit ihrer Taufe ihr neues Leben bezeugen.
Was die erste BiGeBe-WG betrifft, begrüßten auch andere diese Entwicklung: „Das mit der Wohnung der beiden war ganz toll – denn so hatten die Singles endlich einen Ort, wo sie sich sonntagnachmittags treffen konnten. Bisher waren wir nämlich immer auf Familien angewiesen“, erinnert sich Juliane, wie es nun eine ganze neue Möglichkeit für die Treffen der jüngeren Gemeindeglieder gab. Sie selbst wohnte seit Januar 2007 allerdings in Hamburg, weil sie dort nach erfolgreichem Abschluss ihrer Ausbildung eine Stelle im Steuerbüro finden konnte – anders als in Berlin. Lange wollte sie aber nicht in der Hansestadt bleiben und „so hatte ich eher zum Ziel, den Kontakt nach Berlin nicht abreißen zu lassen. Ich war dann fast jedes Wochenende in Berlin – freitags kam ich rechtzeitig zum Treffpunkt an und sonntags konnte ich den Gottesdienst besuchen und Gemeinschaft mit Geschwistern haben, ehe ich abends wieder nach Hamburg fuhr“, erklärt Juliane, wie sie weiterhin eine enge Verbindung zu Gemeinde und Familie in Berlin aufrecht erhalten konnte.
Zu den angesprochenen „Singles“ sei an dieser Stelle vielleicht die folgende Bemerkung angebracht: In der Bibelgemeinde gab es keine Jugendgruppe, wie es in vielen anderen Gemeinden der Fall ist. Die Gründe dafür sind vor allem zweierlei: Zum einen legen die Ältesten einen Schwerpunkt auf Ehe und Familie und wollen diese stärken. Leider kommt es hin und wieder vor, dass die Jugendlichen auch in der Gemeinde schon früh viel Zeit mit Gleichaltrigen verbringen und manchmal unbewusst mehr und mehr aus der Familie herausgezogen werden und damit auch auf einen so wichtigen Ort der Erziehung, Belehrung und Korrektur verzichten müssen. Dieses wollte man nicht durch Extra-Aktivitäten für Jugendliche unterstützen. Zum anderen kam die Gemeinde bereits drei bis viermal wöchentlich zusammen, um die Bibel zu studieren, zu beten, Gott zu loben und die Gemeinschaft zu pflegen. Aus diesem Grund stellte sich die Frage, ob die Ältesten noch mehr Zeit für eine separate Jugendstunde aufbringen könnten und vielmehr, ob eine solche überhaupt vonnöten war, wenn die jungen Menschen doch selbst immer bei den Gemeindezusammenkünften dabei waren und dort lernen, fragen und sich einbringen konnten. Es ist nicht das Anliegen dieses Abschnitts, eine Lanze gegen Jugendstunden zu brechen, schließlich gibt es zahlreiche Gemeinden, die eine sehr gute Jugendarbeit machen – und alles, was zur Ehre Gottes dient, sehen Seine Kinder mit Freuden. Auch geht es hier nicht um die Diskussion solcher gemeindepraktischer Fragen. Vielmehr erscheint es zur Kenntnis und zum Verständnis der Geschichte der BiGeBe angebracht, mit ein paar Worten zu erwähnen, warum die jungen Menschen, die in den letzten Monaten und zuvor ihren Weg in die Gemeinde gefunden hatten, nicht zu einem separaten Jugendtreffen zusammenkamen.
Darüber hinaus steht ja aber noch die Erläuterung der angesprochenen Treffen aus: Wenngleich die jungen Leute bei den Gemeindeveranstaltungen vor allem auch die Gemeinschaft älterer Geschwister schätzten und in die Beziehung mit ihnen investierten, so bot sich doch an Sonntagnachmittagen nach der Gemeinde häufig die Möglichkeit, gemeinsam Zeit zu verbringen – mit speisen, sprechen, singen, spielen und spazieren. Da noch keiner unter ihnen verheiratet war und die Gemeinde ja bekanntlich einige amerikanische Wurzeln hatte, war schon bald vom Treffen der Singles die Rede, ja, inoffiziell nannte man das Zusammenkommen gar den „Singletreff“. Im weiteren Verlauf der Gemeindegeschichte wird der Leser merken, dass auch einige Witzeleien darüber nicht ganz unbegründet waren, weshalb sich besonders einer schon immer für eine Namensänderung stark machte: Paul plädierte vehement für eine Umbenennung, wie beispielsweise „Sonntagnachmittaggesprächskreis der jungen Erwachsenen“ – hatte aber wohl vor allem das Argument der unpraktischeren Aussprache dieses Namens gegen sich…
Die We.-Sp.-WG sollte übrigens nicht der einzige Treffpunkt der jungen Erwachsenen bleiben: Neben den anderen Gemeindegliedern, die auch immer wieder zu sich einluden und sich ebenfalls untereinander trafen wurde auch die Wohnung von Maria Bl. bald immer öfter zum Treffpunkt. Gott hatte in Seiner Vorsehung geschenkt, dass die Wohnung direkt unter jener von Familie Gro. frei wurde, als Maria sich nach einem Wohnort umschaute. Neben der unmittelbaren Nähe zu den Schweizern, waren auch die Wohnungen von Kathrin, Daniel und Martin, und Ursula nicht weit entfernt und auch die Gemeinde sowie der Treffpunkt waren in ein paar Gehminuten zu Fuß erreichbar. Schon jetzt zeichnete sich deutlich ab, wie die Bibelgemeindler sich mit den Hochhäuserblocks im Neubaugebiet Wartenberg anfreunden lernten, um so die Nähe zueinander, zur Gemeinde und auch zu den ungläubigen Menschen zu haben, deren Evangelisation ja das große Anliegen der BiGeBe ist.
Dass Frau Bl. aber einmal in einem solchen Häuserblock landen sollte, hatte sie wohl lange Zeit nicht auf ihrem Block stehen und hätte es unter anderen Umständen womöglich entschieden abgeblockt: „Von uns hätte wohl niemand wirklich davon geträumt, hier zu sein“, beschreibt Maria das Verhältnis der BiGeBeler zu Berlin-Hohenschönhausen, „– das einzige, was uns an diesem Ort alle zusammenhält, ist Gottes Ruf, hier zu sein.“
Wie war es in ihrem Fall dazu gekommen? Maria wuchs die ersten knapp zwölf Jahre ihres Lebens in Kirgisistan auf, ehe sie 1990 mit ihrer Familie nach Deutschland kam. Im Elternhaus hatten sie und ihre Geschwister viel von Gott erfahren und auch Maria entschied sich für ein Leben als Christ, wenngleich sie heute nicht ganz sicher ist, wie viel sie damals schon vom Evangelium verstand. Auch ihre Zeit als Teenager und junge Erwachsene geben Einblick in Schwierigkeiten mancher Art, wie Maria erzählt: „Während meines Studiums in Hamburg habe ich mich mit mehr Ungläubigen angefreundet und mich in ihren Kreisen bewegt. Zwar habe ich noch gebetet und die Bibel gelesen, aber kein wirkliches Interesse an diesen Dingen gehabt: Ich lebte für eigene Ziele und Wünsche – und Gott kam dann halt noch dazu.“
Nach zweieinhalb Jahren brach sie ihr Studium vorerst ab und kam im Rahmen eines Au-Pair-Programmes nach Los Angeles, wo sie schon lange zu leben träumte. Ihr ältester Bruder ermutigte sie, dort die Grace Community Church aufzusuchen. „Als ich eine Predigt von MacArthur hörte, habe ich zum ersten Mal eine Predigt wirklich verstanden und geschätzt und gemerkt, dass ich das will. Nachdem ich bisher nur die beiden Extreme ‚liberal’ oder ‚gesetzlich’ kannte, habe ich hier zum ersten Mal Menschen gesehen, die das Wort Gottes nahmen wie es war – und nichts wegnahmen oder hinzu taten –, die sehr aufopferungsvoll waren, und ihren Glauben einfach lebten“, erklärt Maria, was sie in dieser amerikanischen Gemeinde beeindruckte. Als sie nach Ablauf des Jahres nach Deutschland zurückkehren musste, begann eine Zeit der Sehnsucht nach der ihr so lieb gewordenen Gemeinde: In Deutschland „teilte niemand meine neu gewonnene Begeisterung und so war ich sehr glücklich, als ich nach einiger Zeit wieder in die Staaten konnte – zu einem Praktikum im Rahmen meines Studiums.“ Gerne wäre sie auch dann wieder dort geblieben, hatte aber keine längere Aufenthaltsgenehmigung und musste zurück in die deutsche Heimat. Schon damals hatte man ihr von einer Familie Gre. erzählt, die in Berlin Gemeindegründungsarbeit machte und ihr von den amerikanischen Geschwistern ans Herz gelegt wurde. Nach einer weiteren Zeit der Unzufriedenheit in Deutschland teilweise in der Familie ihrer Eltern, teilweise ganz ohne Gemeinde, wurde sie bei einem erneuten Besuch in den Vereinigten Staaten nochmals ermutigt, die Berliner Gemeinde aufzusuchen.
Diesem Aufruf kam sie schließlich Ende März 2007 nach: „Ich wollte gerne in die USA, aber wenn die Türen zu waren, bat ich Gott, dass ich wenigstens in Berlin Anschluss finden könnte. Und an dem Punkt, wo ich bereit war, mich Gottes Führung zu beugen, schenkte er genau das: Zwei Wochen später hatte ich dann Arbeit, Wohnung und Gemeinde“, erzählt Maria von ihrem Weg nach Berlin und durfte weiterhin feststellen, dass sie mit der deutschen Gemeinde schneller warm wurde als gedacht: „In der Gemeinde konnte ich die gleiche Belehrung erleben wie in der Grace Community Church und so fand ich hier meine Heimat. Auch an diesem Ort gab es Höhen und Tiefen, aber ich habe hier eine Familie gefunden: Brüder und Schwestern, die Gott auch bedingungslos gehorchen möchten. Hier erlebte ich, dass mir die Menschen Brüder und Schwestern und Mutter sind, die den Willen meines Vaters tun.“
Ob Amerika oder Kanada, Ukraine oder Kirgisistan, Schweiz oder Deutschland –
ob Wiesbaden oder Frankfurt/Oder, Lüneburger Heide oder Berlin –
ob alleinstehend oder verheiratet, jung oder alt, Mann oder Frau –
ob arm oder reich, angestellt oder auf Arbeitssuche, Student oder Handwerker –
ob gläubiges oder atheistisches Elternhaus, Ältester oder Kind im Glauben –
ist es nicht das, was die Gemeinde Christi ausmacht, dass sie so verschieden und doch so gleich ist, weil sie alle ein Ziel haben: Den Willen des Vaters zu tun, wie Maria den Herrn Jesus zitierte? Paulus sprach von Juden und Griechen, Sklaven und Freien – und doch von allen als Geschwistern: „denn in einem Geist sind wir alle zu einem Leib getauft worden“[2].
Manchmal hält man als Christ inne und wundert sich ein wenig, warum man mit einer Gruppe von Menschen zusammen sitzt, sich über Erfahrungen, Freuden, Nöte und Wünsche austauscht und dann gemeinsam diese Dinge vor den Herrn bringt, obwohl man unter anderen Umständen wohl niemanden von diesen je kennen gelernt, geschweige denn zum Freund gehabt hätte. Bei manchen mag es sogar sein, dass man sie im Normalfall lieber ganz meiden würde. Warum aber verbringt man dann Gottesdienst, Bibel- und Gebetsstunden und Gemeindeessen mit ihnen, und lädt sie gar noch Sonntagnachmittags ein, um sich gezielt besser kennen, verstehen und lieben zu lernen?
Nichts anderes als die Einheit des Geistes Gottes könnte als Grund dafür hinreichend sein. „Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen“, schreibt Paulus der Gemeinde in Rom[3] und gibt somit eine Erklärung dafür, wo die enge Gemeinschaft unter Kindern Gottes herrührt. Zugleich enthebt es einen Christen jeder Entschuldigung, er „könne mit dem ein oder anderen nicht“ – schließlich hat er die Liebe Gottes geschenkt bekommen, die sich nicht zu Schade war, für ihre Feinde zu sterben! Nicht Menschen sind es, die Gottes Gemeinde bauen und herein rufen, wen sie bei sich haben wollen – wahrscheinlich wären das die Reichen, die Klugen, die Starken und die Schönen. Nein: Gott ist es, der beruft, wen Er will, Gott ist es, der überführt wen Er will, Gott ist es, der rechtfertigt, wen Er will, Gott ist es, der heiligt, wen Er will und schließlich ist es Gott, der vervollkommnet, wen Er will. Das Törichte, das Schwache, das Unedle, das Verachtete hat Er auserwählt, um etwas zum Lobpreis Seiner herrlichen Gnade zu sein[4].
Überwältigt von Gottes Wesen und Wirken möchten wir mit Paulus ausrufen: „Welche Tiefe des Reichtums, sowohl der Weisheit als auch der Erkenntnis Gottes! Wie unerforschlich sind seine Gerichte und unaufspürbar seine Wege! Denn wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer ist sein Mitberater gewesen? Oder wer hat ihm vorher gegeben, und es wird ihm vergolten werden? Denn aus ihm und durch ihn und zu ihm hin sind alle Dinge! Ihm sei die Herrlichkeit in Ewigkeit! Amen.“[5]
[1] Sprüche 24,16
[2] Vgl. 1. Korinther 12,13
[3] Vgl. Römer 5,5
[4] Vgl. 1. Korinther 1,26-29
[5] Römer 11,33-36
N icht alte Knochen, nicht junges Leiden, kann uns von unserem Herrn scheiden
„Eines der ersten Dinge die fertig wurden, war unser Büro, das die russlanddeutsche Gemeinde uns in einer kleinen Feieraktion übergab“, greift Wilhelm den Faden der Baustelle Wustrower Straße 52 wieder auf. Seit Beginn der Bau- und Renovierungsarbeiten war bei allen Einschränkungen, die diese Übergangszeit mit sich brachte, doch vor allem eines beeindruckend gewesen: Einsatz und Geschick jener Geschwister aus der ECG, die sich in eine baldige Fertigstellung investierten. So kam es bereits am 26. Mai 2007 zur Eröffnung: An diesem Samstag gab der Tag der offenen Tür auch Außenstehenden eine Möglichkeit, die neue Heimat der beiden Gemeinden kennen zu lernen und etwas über ihren Dienst bzw. ihr Anliegen zu erfahren. Einen Tag später gab es um 14 Uhr einen Festgottesdienst zur Einweihung. Etwas bescheidener als beispielsweise bei der Einweihung des Tempels unter Salomo – aber ebenso mit einem Herzen voll Freude und Dankbarkeit!
… und auch mit Zuversicht und Tatendrang, wie Bea Einblick gewährt: „Als die Trennwand im Gottesdienstraum wegkam, war unglaublich viel Platz und wir kamen uns sehr verloren vor. Da hat Dieter zu uns gesagt: ‚So Leute, jetzt haben wir etwas zu tun: Evangelisieren bis der Raum voll ist!’“
Sowohl dem Ältesten beim Tätigen dieser Aussage, als auch einem jeden in der Bibelgemeinde war klar, dass dies nicht in der Macht der Menschen steht. Natürlich hätte man in den neuen Räumlichkeiten viel mehr Möglichkeiten, mit den verschiedensten Mitteln Leute aus der näheren und weiteren Umgebung in die Gemeinde zu bringen – aber so wie man sie angelockt hätte, hätten sie auch gefüttert werden wollen. Spätestens nach ein paar langen und ernsten Predigten, eindringlichen Aufforderungen und Ermahnungen und einem Verständnis dafür, was die Bibelgemeinde tatsächlich lebte und umsetzte, hätten solche Menschen wohl bald wieder das Weite gesucht.
So hatten die Bibelgemeindler in den vergangenen Jahren schon das ein oder andere Mal traurig feststellen müssen, dass es nur wenige waren, die den Aufrufen folgten – wie Jesus Christus es mit der engen Pforte und dem schmalen Weg treffend zu illustrieren wusste. Leider hatte es sogar hin und wieder solche gegeben, die einige Zeit lang kamen und vieles anhörten und mitmachten, aber sich schließlich doch wieder von selbst abwandten oder ernstlichen Ermahnungen der Ältesten und anderer Geschwister zum Umdenken und Umkehren nicht nachkommen wollten. Wenngleich solche Fälle besonders schmerzlich sind, so sind sie doch auf der anderen Seite auch mit einem Funken Hoffnung verbunden, da diese Menschen zumindest durch Konfrontation und Ermahnung aufgefordert werden, ihr Denken und Handeln zu hinterfragen und sich auf ihr Bekenntnis zum Herrn und zur Nachfolge in Seinen Fußstapfen zu prüfen. Wie schrecklich ist es dagegen, wenn jemand Woche für Woche als „Namenschrist“ zur Gemeinde kommt und am Ende vor Seinem Gott und Richter ein böses Erwachen erlebt, wenn er die Worte hören muss „Ich habe dich niemals gekannt. Weiche von mir, du Übeltäter.“[1] Möge die BiGeBe und eine jede Gemeinde Christi Treue darin beweisen, ihre Mitglieder und Besucher zur Selbstprüfung aufzurufen und durch gesunde Lehre und gelebtes Zeugnis zur Überführung beitragen.
Bei allen traurigen Kapiteln gibt es aber auch eine ganze Reihe Gründe zum Danken. Zunächst war da die Taufe von Dirk, Paul und Bijou G. Die beiden Männer gingen schon mehrere Jahre mit dem Herrn und bezeugten ihren Glauben immer wieder auch solchen, die ohne Gott lebten. Lange Zeit hatten sie nicht gewusst, dass die Bibel sie dazu aufforderte, dieses neue Leben in ihnen auch durch die Taufe zu bekunden. Das hielt sie aber nicht davon ab, es noch nachzuholen, als sie es verstanden hatten. Auch Bijou kannte am Tag ihrer Taufe, dem 12. August 2007, den Herrn bereits seit 12 Jahren und 364 Tagen ihres jungen Lebens. Dennoch war sie sich bewusst, dass sie nicht durch ihre gottesfürchtigen Eltern, sondern nur durch den Tod und die Auferstehung Jesu Christi, gerettet werden konnte. Während auch in dieser Darstellung der Gemeindegeschichte oft solchen, die radikale Lebenswandel hinter sich haben, mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird, ist das Wunder bei Kindern aus gläubigen Elternhäusern keinen Deut geringer! Bei allem Schwerpunkt auf Ehe, Familie und Kindererziehung in der Bibelgemeinde, kann doch kein noch so vorbildlicher Ältester seine Kinder erretten. Wohl können gute Grundsteine gelegt werden, aber wie der Prophet Jeremia sagt: „Kann ein Schwarzer seine Haut ändern, ein Leopard seine Flecken? Dann könntet auch ihr Gutes tun, die ihr an Bösestun gewöhnt seid.“[2] Ein wirkliches Umdenken kann nur dann geschehen, wenn der Herr unser steinernes Herz mit einem fleischernen Herz ersetzt. Dies nun war auch im Leben von Dirk, Paul und Bijou geschehen – Halleluja!
Ein weiterer Grund zum Danken bestand in sich füllenden Plätzen im neuen großen Gottesdienstsaal: Zunächst wären da Lydia H. und Ruth G. zu nennen, die Ende 2006/Anfang 2007 ihren Eltern und Geschwistern geschenkt wurden und als „Küken“ nun die beiden Jüngsten Lukas-Noah und Timotheus beerbten, die mittlerweile bereits ihre ersten Gehversuche machten. Das Füllen der Stühle im Gottesdienstsaal konnten sie aber nur ansatzweise bewerkstelligen und mussten dies folglich anderen überlassen.
Zum Beispiel Bettina W.[3] Im Sommer 2007 hatte sie einen Flyer der BiGeBe in ihrem Briefkasten vorgefunden, der den Titel trug: „Was denkst du wer ich bin?“ Das selbst erstellte Flugblatt gab eine knappe aber deutliche Ausführung, wer Jesus Christus war und ist. Bei einer Verteilaktion, die wieder mit großer Unterstützung der Sommerteams aus der Grace Community Church (Kalifornien), sowie in diesem Jahr auch wieder aus der Grace Bible Church (Washington), durchgeführt wurden, hatte ein Exemplar auch Bettina erreichen können. Sie schrieb daraufhin einen Brief an die BiGeBe und hinterließ ihre Handynummer. „Direkt am nächsten Tag rief mich dann jemand auf dem Handy an: Pastor Cary“, berichtet die in Berlin geborene und aufgewachsene Frau von ihrem ersten Kontakt mit der Gemeinde in Wartenberg, „er telefonierte dann länger mit mir, lernte mich kennen und erzählte mir aus der Bibel. Und dann wurde ich eingeladen, am Mittwoch in die Bibelstunde zu kommen.“
Bettina ist in einem ungläubigen Elternhaus aufgewachsen. Dennoch traten immer wieder Menschen in ihr Leben, die sie auf Gott aufmerksam machten und Fragen aufwarfen. Auch „habe ich mir schon immer gerne Kirchen angeschaut. In Weißensee habe ich stets die Kirche gesehen und sah ihren Kerzenschein durch die Türe. Danach habe ich mich immer sehr gesehnt, weil mir in meiner Kindheit diese Geborgenheit gefehlt hat.“ Unter anderem hörte sie Fernsehpredigten, besuchte verschiedene Kirchen und trat einmal einem Kirchenchor bei. „Vor allem habe ich nach Gemeinschaft gesucht“, gibt Bettina Einblick in ihr Anliegen beim Besuch verschiedener Kirchen; insbesondere suchte sie auch in der Hohenschönhausener Gegend – bis eines Tages jener Flyer in ihrem Briefkasten lag.
Die ersten Besuche in der Gemeinde mündeten sogleich in Einladungen bei einzelnen BiGeBelern. Aber auch Ermahnungen zur Selbstprüfung auf rettenden Glauben wurden öfter an die neue Besucherin gerichtet. Sie selbst bezeugt rückblickend: „Ich war schon in Anführungsstrichen gläubig, aber habe erst in der Bibelgemeinde die Dinge der Bibel und das Evangelium richtig verstehen gelernt.“ Ihr Hunger nach Gottes Wort war groß – war sie doch so lange auf einer unbefriedigenden Suche nach Worten der Wahrheit gewesen. Und auch scheinbar Unmögliches wurde für die 35-jährige möglich, wie sie weiterhin berichtet: „Als sie in der Gemeinde Bibelverse lernten, dachte ich, das werde ich nie schaffen. Aber Bea sagte mir immer: ‚Komm, versuche es doch mal.’ Und dann habe ich im Johannesevangelium angefangen und gelernt. Ich staunte, dass ich tatsächlich Bibelverse lernen und beherrschen konnte und habe mich wahnsinnig darüber gefreut und Gott viel dafür gedankt!“
Während Bettina sich also Verse aus dem Evangelium des Johannes vornahm, hatten sich auch die Ältesten der Gemeinde entschieden, gemeinsam mit ihren Geschwistern den 1. Petrusbrief auswendig zu lernen. Im Spätsommer 2006 startete das Vorhaben, sich die 105 Verse Woche für Woche zu eigen zu machen. Als ein Bibelbuch, das in besonderer Weise auf die Leiden und Anfechtungen der frühen Christenheit eingeht, sahen die Ältesten dieses Schreiben des Petrus als sehr geeignet an, es für gewiss kommende Verfolgungszeiten im Gedächtnis zu haben: Auch ohne eine Bibel in der Hand könnte man es dann vor dem geistigen Auge aufschlagen, durchgehen und dadurch ermutigt werden. Mehr oder weniger jeder Bibelgemeindler lernte während der folgenden zwei Jahre nach seinen Möglichkeiten Verse auswendig – jede Woche kam einer dazu. Zum Wiederholen trafen sich einige Geschwister eine Zeit lang Samstagabends bei Familie G., um sich gemeinsam zum Lernen zu motivieren und ihren Lernstand zu prüfen. Wie Bettina erfuhren auch all jene, die an dem „Petrus-Projekt“ teilnahmen, viel von dem großen Segen, Worte Gottes auswendig zu beherrschen und in jeder Situation darüber nachsinnen zu können, bzw. sich dazu ermutigen zu lassen, im Einklang mit dem offenbarten Willen Gottes durch das Leben zu gehen.
Natürlich wurde auch ansonsten 2007 wieder viel in die Belehrung und Zurüstung der Gemeinde investiert. Neben den Büchern des Neuen Testaments, die in Bibelstunden behandelt wurden, wurde auch ein Kurs zur Bibelauslegung gelehrt, der den Geschwistern mehr und mehr Hilfen geben sollte, auch im persönlichen Bibelstudium keine falschen Schlüsse zu ziehen, sondern das Wort Gottes sorgfältig zu studieren und richtig zu verstehen – wusste man doch, dass das Verständnis von Gott und Seinem Wort die Grundlage dafür bildete, wie ein jeder tagtäglich leben würde. Ein chronologischer Bibelkurs sollte wieder dazu beitragen, insbesondere Junggläubigen – aber auch allen anderen –, ein besseres Verständnis der biblischen Zusammenhänge zu vermitteln.
In diesem Jahr konnte außerdem Pascal G. seine dreijährige Predigerausbildung beim EBTC mit Bravour abschließen und durfte nun auch verstärkt in Gottesdiensten das Wort Gottes auslegen: Er startete eine längere Predigtserie durch den 1. Johannesbrief und konnte damit die beiden Ältesten in ihrem Verkündigungsdienst unterstützen.
Neben den bereits erwähnten Treffen der Männer am ersten Mittwoch des Monats nach der Bibelstunde zur Beschäftigung mit dem Amt des neutestamentlichen Diakons, ergab sich am Mittwochabend, der fortan übrigens im Sinne der Schriftstelle aus Kolosser 1,28 128-Abend genannt wurde, eine weitere Änderung: Die BiGeBe traf sich nun bereits eine Stunde früher zum gemeinsamen Gebet. Den Ältesten war es ein Anliegen, bei jeder Gebetsstunde zunächst eine Zeit der Anbetung Gottes zu nehmen und Ihn für Seine Größe, Seine Werke und Sein Wesen zu preisen – was zu einer von allen sehr geschätzten Tradition wurde. Diese gab auch für das persönliche Gebet oder Gebetsgemeinschaften in kleineren Kreisen Impulse, sich nicht bloß um sich selbst zu drehen, sondern dem großen Herrn zu huldigen, dem man sich nahen durfte! Außerdem wurde diese Gebetsstunde zu einer wertvollen Möglichkeit, über Neuigkeiten vom Missionsfeld oder aus dem Gemeindeleben zu hören und sich auch über persönliche Anliegen auszutauschen. Da viele Gemeindeglieder im näheren Umkreis der BiGeBe wohnten, konnte auch immer ein großer Teil der Bibelgemeindler zu jenen Treffen unter der Woche zusammen kommen, was das gegenseitige Kennen-, Verstehen- und Liebenlernen sehr förderte.
Das regelmäßige Erscheinen der Geschwister war für die Ältesten ein Grund zur Freude und Ermutigung, wollten sie doch – angestoßen durch die BGBJS – das ganze gemeindliche Jüngerschaftstraining umstrukturieren: Wenngleich Paulus in seinen drei Jahren in Ephesus die dortigen Geschwister „Tag und Nacht unter Tränen ermahnte“[4] und so zu geistlicher Reife führte, so war es doch auch für die BiGeBe-Hirten ein erklärtes Ziel, die ihnen Anvertrauten in drei Jahren umfassend zu belehren und in der Jüngerschaft zu trainieren. 128-Abend, Freitagabend und Sonntagmorgen sollten in einem dreijährigen Zeitraum mithilfe der bereits öfter durchgeführten Kurse „Grundlagen des Glaubens“, „Roter Faden durch die Bibel“ und „Training im Christentum“, sowie Bibelkunde AT und NT und ausgewählter Bereiche der systematischen Theologie eine gute Grundlage des Schriftverständnisses und des Lebens in der Nachfolge bieten. Dieses Bestreben würde Anfang 2009 zwar einen größeren Rückschlag hinnehmen müssen, bleibt im Rahmen des Möglichen aber weiterhin das Ziel der Ältesten in der Bibelgemeinde.
Schließlich sollte bei allen nicht erwähnten Themen und Kursen, mit denen die Geschwister sich im Jahre 2007 außerdem beschäftigten, doch zumindest noch eines besonders hervorgehoben werden: Das Erziehungsseminar im Herbst des Jahres. Über zwei Monate unterrichteten Cary und Dieter die Gemeindeglieder in Anlehnung an ein sehr hilfreiches Buch zu diesem Thema über Kindererziehung nach Gottes Willen. Zahlreiche junge Gemeindeglieder hatten ihr Elternhaus längst verlassen und waren dankbar für Fürsorge und Erziehung durch die Eltern, andere kamen aus zerbrochenen Familien und blickten traurig auf ihre Kindheit zurück – aber alle hatten noch sehr wenig selbst darüber gelernt, wie man Kinder biblisch erziehen kann. Wohl hatten sie schon gesehen, wie es Familie B., Familie G. und andere Familien in der Gemeinde praktizierten, aber für den ein oder anderen glich es eher einem Mysterium, dass es in dieser Welt noch Eltern geben konnte, die ihre Kinder aus inniger Liebe in der Zucht und Ermahnung des Herrn aufzogen und dass die Kinder nicht noch rebellischer und frecher wurden, sondern ihre Eltern liebten und ihnen – zumindest mit zunehmendem Alter – auch gerne gehorchten. So diente der Kurs ihnen als wunderbare Vorbereitung, sowohl für eigene Kinder – so der Herr es schenken würde – als auch für ein besseres Verständnis und einen weiseren Umgang mit den Gemeindekindern, denen sie Woche für Woche begegneten.
Bei allen Hilfen für die jungen Erwachsenen, die ja gerade in den letzten Monaten zur Bibelgemeinde gestoßen waren, richtete der Kurs sich selbstverständlich vor allem an die, die bereits Kinder hatten. Von Dirk und Svenja haben wir bereits gehört, dass es ihnen ein großes Anliegen war, in der Gemeinde vieles über ein Ehe- und Familienleben in Einklang mit dem Wort Gottes zu lernen. Ebenso wissen wir von Familie G. und Familie H., dass der Herr diese Familien mit Kindern gesegnet hatte, die wie die beiden Jungs von Familie W. schon in den allerersten Monaten und Jahren mit viel Weisheit und Einsicht erzogen werden wollten. Cary pflegte im Bezug auf das frühe Kindesalter zu sagen: „90% der Erziehung geschieht in den ersten sechs Jahren. Wenn du in dieser Zeit einen guten Grundstein gelegt hast, brauchst du in den folgenden Jahren nur noch leicht zu korrigieren.“ Familie G. und Familie B. konnten davon schon aus Erfahrung sprechen und es mit großer Freude und Dankbarkeit auch den jüngeren Familien weitergeben. Dass es Wirkung zeigte, stellte nicht nur Maria fest: „Einer der Gründe, warum die Gemeinde so ist, wie sie ist, ist dass sie vorbildliche Familien hat, die ihre Kinder nicht nur um des bloßen Gehorsams willen erziehen, sondern im Gehorsam gegenüber dem Herrn. Das ist so eine wichtige Grundlage für die Gemeinde, wenn gottesfürchtige Familien dahinter stehen.“
Aber damit sind noch nicht alle Familien erwähnt: Seit Sommer 2007 zählte eine weitere Familie zur Bibelgemeinde: Die Familie H. Sehr gerne würde der Autor mit einer phonetischen Lautschrift dem Leser die Aussprache erleichtern, muss aber leider darauf verzichten, weil sich seit ihrer Zugehörigkeit zur BiGeBe keine Version durchsetzen konnte: Matt H. ist Amerikaner mit finnischen Wurzeln, seine Frau Petra stammt aus Frankenberg in Nordhessen. Bezüglich ihrer Vornamen herrscht noch am meisten Klarheit – der eine englisch, der andere deutsch. Bei den Vornamen der Kinder kommt es aber bereits zu ernsthaften Problemen: Anna (Ende 2007 9 Jahre alt), Micha (8), Daniel (6) und David (4) tragen allesamt biblische Namen, die aus dem Hebräischen kommen und sowohl im Englischen als auch im Deutschen geläufig sind. Bezüglich der Kinder von Familie B. und Familie G. herrschte prinzipiell Klarheit – die einen wurden deutsch, die anderen englisch ausgesprochen –, bei Familie H. stand man aber vor einem echten Rätsel. Doch damit nicht genug: Eine wirkliche Herausforderung stellte der Nachname dar: „Hʊ…“, „Hɜ:…“ oder „Hu…“. Auch Matt und Petra konnten die große Verwirrung nicht wirklich auflösen: Während sie zuhause miteinander englisch redeten, um den Kindern neben dem Deutschen auch diese Sprache gut beizubringen, war es wohl ein Gemisch aus einerseits Mitleid mit den deutschen Geschwistern, dass sie auch eine deutsche Aussprache ihrer Namen tolerierten und manchmal gar unterstützten und andererseits eigene Unentschiedenheit, ob ihr Name nun finnisch, englisch oder deutsch auszusprechen sei…
Bei allen – zugegebenermaßen völlig nebensächlichen – Namensverwirrungen drängt sich nun aber die Frage auf, wie Familie H. nach Deutschland bzw. in die Bibelgemeinde kam. Matt beantwortet diese mit einer gesunden Portion amerikanischem Humor, den seine Geschwister in der Gemeinde schon bald kennen und schätzen lernten: „Wir sind nach Deutschland mit einem Flugzeug geflogen. So kamen wir nach Deutschland.“ Der Auftrag, in die Bundesrepublik zu kommen, kam von dem internationalen Missionswerk „Word of Life“, das sich darauf konzentriert, junge Menschen mit dem Evangelium zu erreichen. Matt erfuhr bei „Word of Life“ in den Vereinigten Staaten von Amerika eine umfassende Ausbildung und diente dem Werk schon seit mehreren Jahren. 2002 wurde er nun mit seiner Familie nach Deutschland gesandt, um dort eine einjährige Jüngerschaftsschule, das „Esra-Training“, aufzubauen. Schon ein Jahr später konnte die Pionierarbeit (Matt: „Vieles war provisorisch und wir hatten keine Computer und kaum Mitarbeiter“) beginnen: In einer angemieteten Jugendherberge in Mecklenburg-Vorpommern kamen die ersten jungen Männer und Frauen für ein Jahr „Kompaktbibelschule“ zusammen. Wenngleich die Mitarbeiterzahl, wie Matt sagte, noch sehr gering war, stand vor allem eine Familie den Hurjas zur Seite, die sie bereits aus Amerika kannten: Jo und Su F. mit ihren Kindern. Das Esra-Training hatte seinen Namen von dem Vers aus Esra 7,10 erhalten, wo geschrieben steht: „Denn Esra hatte sein Herz darauf gerichtet, das Gesetz des HERRN zu erforschen und zu tun und in Israel die Ordnung und das Recht des HERRN zu lehren.“ Der Mann Gottes eignete sich Wissen an, setzte dieses in die Tat um und gab es schließlich auch anderen weiter. Im Einklang damit war es das Anliegen des Esra-Trainings, dass seine Studenten in drei Bereichen Fortschritte machten: Wissen, Wachsen und Weitersagen.
Wir werden im weiteren Verlauf der Erzählung mehrfach sehen, welche Bedeutung das Esra-Training noch für die Bibelgemeinde haben sollte, uns nun aber wieder der Familie H. zuwenden und erfahren, wie sie von Mecklenburg-Vorpommern in die Berliner Gemeinde kamen. Matt erzählt, dass der Kontakt bereits früh zustande kam: „Schon 2003 haben wir durch Bekannte Christian, Dieter und Cary kennen gelernt. Jedes Mal, wenn wir dann nach Berlin kamen, um einen unserer Gast-Dozenten vom Flughafen abzuholen, haben wir uns gesagt: ‚Lasst uns doch in die BiGeBe gehen.’ Fast von Anfang an unterrichteten einige der Dozenten sowohl bei uns als auch beim EBTC – wir haben sie uns geteilt.“ Mit einem Jahr Pause 2004/2005 gab es von 2003-2007 drei Esra-Jahrgänge, wovon die beiden letzten allerdings nicht mehr in der Jugendherberge gastierten, sondern in einem Dorfgemeinschaftshaus unterrichtet wurden und in Ferienbungalows übernachteten. Eigentlich war man aber auf Dauer nicht ganz glücklich mit der Situation und suchte nach einem anderen Ort für die Jüngerschaftsschule, wie Petra zu verstehen gibt: „Wir haben WDL[5] gesagt, dass das Esra-Training möglichst nah bei Berlin sein sollte, damit unsere Studenten auch guten Gemeindeanschluss haben.“ Mit etwas Enttäuschung in der Stimme fügt sie hinzu: „Letztlich ist es aber doch etwas von Berlin weggekommen“ und spielt damit auf den Umzug im Sommer 2007 an den Köriser See südlich von Königs Wusterhausen in Brandenburg an.
Das Gelände, mitten in den Wäldern Brandenburgs an einem schönen See gelegen, hatte durchaus seinen Reiz und auch die Gebäude, die früher von der Staatssicherheit genutzt wurden, waren für die Jüngerschaftsschule nahezu ideal. Einzig die doch nicht so kleine Distanz nach Berlin, einschließlich der Autostunde zur BiGeBe, bereitete die einen oder anderen Bauchschmerzen. Familie H. entschied sich dennoch kurze Zeit nach dem Umzug des Esra-Trainings für die Bibelgemeinde, wie Matt erklärt: „Es war für uns schon eine Überwindung wegen der langen Fahrt und dem Kostenfaktor. Aber es ist wirklich schön hier: Die Gemeinschaft, die treue Lehre,… und das Gemeindefrühstück!“
Zu den beiden ersten Gründen wurde schon so manches gesagt, der letzte Grund dürfte allerdings neu sein und bedarf daher einiger Erklärungen: Bereits seit den Anfängen der Berliner Bibelgemeinde pflegten die Geschwister an einem Sonntag im Monat nach dem Gottesdienst bei einem gemeinsamen Mittagessen Gemeinschaft zu haben. Lange änderte sich an dieser Praxis nichts, bis eines Tages Familie G. zum Grillen bei ihnen zuhause einluden. Schon da waren viele BiGeBeler begeistert vom amerikanischen Grillmeister Cary und der Gastfreundschaft seiner Familie. Wegen des kleinen Hauses blieb es damals nur bei einigen wenigen Grillnachmittagen. Als Familie G. dann aber ab 2005 ein neues, großes Haus mit Terrasse und Garten hatte, stand dem regelmäßigen Gemeindegrillen im Sommer nichts mehr im Wege. Cary selbst erzählt sichtlich erfreut: „Das Grillen hat sehr viel Spaß gemacht! Auch haben wir das schöne Wetter und die gute Gemeinschaft mit den Leuten aus der Gemeinde sehr genossen.“ Für die Bibelgemeindler gehörte Familie G. und Grillen seitdem untrennbar zusammen, sodass es schon auch mal vorkam, dass im Gemeindeblatt versehentlich stand: „Am Sonntag… wird bei den Grills gegrillt“…
Doch leider stellten sich auch in diesem Jahr zu gegebener Zeit wieder Herbst und Winter ein, in denen man es vorzog, wieder normal in der Gemeinde Mittag zu essen. Aber auch dies war seit Dezember 2005 nicht mehr möglich wie einst: Die russlanddeutsche Gemeinde veranstaltete ihre Gottesdienste bekanntlich nachmittags, sodass ein Mittagessen in den Gemeinderäumen nicht mehr möglich war. Der aufmerksame Leser ahnt bereits was nun kommen muss: Die Lösung für dieses Problem war im Gemeindefrühstück zu finden, dass seitdem am ersten Sonntag des Monats um 8 Uhr 30 anstelle der Sonntagsbibelstunde stattfand.
Ob Matt wohl auch anderen vom Gemeindefrühstück in der BiGeBe vorgeschwärmt hat? Wie dem auch sei – Sam jedenfalls schwärmt heute auch davon – und er wurde vom Leiter des Esra-Trainings auf die Bibelgemeinde aufmerksam gemacht. Doch der Reihe nach: Wer ist eigentlich Sam? Sein voller Name lautet – ungelogen – Samuel Etienne J.-d.-B. Und woher kannte er Matt? Der junge Mann mit Wurzeln in der Schweiz und in Deutschland war ein Teilnehmer des ersten Esra-Jahrgangs. Im Anschluss daran hatte er in den Vereinigten Staaten das zweite Jahr des Esra-Trainings bei Word Of Life gemacht, welches in Deutschland nicht angeboten wird. Nach einem Freiwilligen Sozialen Jahr bei Wort des Lebens am Starnberger See begann Sam schließlich sein dreijähriges Theologie-Studium in Königsfeld im Schwarzwald, nahe Villingen-Schwenningen, von dem aus er ein dreimonatiges Gemeindepraktikum absolvieren sollte.
Dieses nun leistete er von Juli bis September in der Bibelgemeinde, wo er in der Treffpunktarbeit eingesetzt wurde, die Einsätze der Sommerteams unterstützte, organisatorische Aufgaben und auch Lehrdienste übernahm. „Als ich in die BiGeBe kam, dachte ich nur ‚Boah, krasse Gemeinde!’ Erstmal freute ich mich über die langen Predigten: Ich kenne Predigten von 20 Minuten – so lange dauert hier die Einleitung, wenn die Predigt kurz ist. Dann auch der Gemeinschaftsaspekt: Man hat so viel miteinander zu tun. Durch Grillen, Treffpunkt,… und auch die räumliche Nähe in Wartenberg – da ist so viel Jüngerschaft mit dabei! Und schließlich, dass immer ein fester Kern zu den Gebets- und Bibelstunden kommt und man nicht nur zu dritt da sitzt“, erzählt Sam von seinen Eindrücken aus der Zeit in der BiGeBe.
Nach Ablauf des Praktikums verließ er die Berliner Gemeinde wieder in Richtung Königsfeld, um dort sein Studium fortzuführen. Einige Wochen später wurde Sam um seine bessere Hälfte ergänzt: Mirjam (Miri) und er heirateten im schwäbischen Dettingen unter Teck, unweit ihres Heimatortes. Miri hatte wie Sam das Vorrecht, in einem gläubigen Elternhaus früh das Wort Gottes kennen und lieben zu lernen und entschied sich daher, am Jüngerschaftstraining von WDL teilzunehmen – wo sie ihren späteren Ehemann, sowie Familie H. kennen lernte. Während Sams Praktikum kam es auch zu Miris erstem Besuch der Bibelgemeinde in Berlin. Auf deren Bildfläche werden die beiden zu einem späteren Zeitpunkt auch wieder treten, müssen das nächste Jahr nun aber erst einmal alleine, fernab von der BiGeBe, verbringen.
Im Spätsommer 2007 gab es neben dem Ende des Praktikums von Sam einen weiteren Weggang zu beklagen: Die mit 20 Jahren älteste Tochter der Familie B., Stefanie, ging im August 2007 für ein vierjähriges Studium ans Master’s College nach Santa Clarita, im Norden von Los Angeles, nahe bei und in enger Verbindung mit der Grace Community Church.
Bei allem Zustrom aus den Vereinigten Staaten in Person von Familie H. und Familie H., oder den stark von amerikanischen Gemeinden geprägten Familie H., Maria, Juliane und Patricia gab es also auch Wohnortwechsel in die andere Richtung. Vor Stefanie hatte Dany Brodzinski bereits ein Studium bei den gläubigen Dozenten des Master’s College vorgezogen und Amerika zu ihrer neuen Heimat gemacht. Und auch Dirk M., der seit 2004 der BiGeBe angehörte, hielt es nicht in Berlin: Er zog im Frühjahr 2007 mit seiner Familie nach Louisville, Kentucky, um dort auf einem reformatorischen „Seminary“ zu studieren.
Zustrom sollte es dafür aber wieder direkt aus Berlin geben: namentlich durch Uwe und Natascha K., mit ihrem dreijährigen Sohn Stefan. Während seine Frau Natascha in den russischsprachigen Gottesdienst der Geschwister aus der Evangeliumschristengemeinde Wartenberg ging, kam Uwe in die Bibelgemeinde. Obwohl er als Kind getauft wurde, eine Zeit lang in einem katholischen Kinderheim lebte und als Jugendlicher konfirmiert wurde, lebte Uwe bis zum Jahre 2007 „ohne nennenswerte Beziehung zu Gott“, wie er erzählt. In der evangelischen Landeskirche der DDR war ihm kein solches Verständnis vermittelt worden, sodass dem Wissen über Gott und Sein Wort lange der Inhalt fehlte – ehe der Herr ihm zur großen Freude der Geschwister rettenden Glauben schenkte. Da Uwe dieses Wunderwerk Gottes auch alsbald vor der Gemeinde und der Öffentlichkeit bekennen wollte, kam es schließlich am 6. Juli 2008 zur nächsten BiGeBe-Taufe im Malchower See, einige Gehminuten von den Räumlichkeiten der Bibelgemeinde entfernt. Neben dem gebürtigen Berliner bezeugte hier auch Kristin B., Dieters und Kristjanas dritte Tochter, dass sie an den Herrn gläubig geworden war. Halleluja!
Die Taufe ist auch das richtige Stichwort für eine weitere Schwester, Hildegard R., die im Oktober 2007 das erste Mal in die Bibelgemeinde kam. Sie hatte sich zuvor dem diakonischen Werk in Berlin angeschlossen, bekam aber nach einiger Zeit Zweifel über die theologische Ausrichtung desselben: „Ich bin aufgrund von Bibelstunden dahinter kommen, dass sie eine Wiedertaufe ablehnten, wenn ich schon als Kind getauft wurde. Aber ich war bereits biblisch groß getauft – das war für mich ein Gehorsamsschritt. Also habe ich den Herrn Jesus gefragt, ob ich die Gemeinde verlassen soll. Ich habe dann erkannt, dass ich eine bibeltreue Gemeinde brauche.“
Wie sie diese fand ist ausgesprochen bemerkenswert – gibt es doch nicht viele ältere Leute, die sich heute noch mit neuen technischen Entwicklungen befassen und sich auf diese einstellen. Hildegard aber erklärt wie selbstverständlich: „Ich habe mich ans Internet gesetzt und eingegeben ‚bibeltreue Gemeinden in Berlin’. Als allererstes stand dort ‚Bibelgemeinde Berlin e. V.’ Dann las ich mir die Selbstdarstellung und alles durch und habe mir nur gedacht: ‚Na, hoffentlich haben die keinen Haken…’ Ich habe sogleich Dieter angerufen und er kam auch vorbei mit seiner lieben Frau, hat mir Fragen gestellt und – ganz wichtig – mich nicht gesiezt als ich ihm das ‚Du’ anbot, wie es andere Pastoren immer gemacht hatten.“ Diese Nähe unter den Glaubensgeschwistern war es auch, die ihr beim ersten Besuch in der Berliner Gemeinde wichtig war und positiv auffiel: „Ich war besonders beeindruckt, dass sofort Ursula zu mir kam und mich duzte. Gleich danach kam Rosi. Und noch bevor ich meine Jacke ausgezogen hatte, stand Wilhelm bei mir. Mir kam direkt solche geschwisterliche Liebe entgegen – das hat mich sehr beeindruckt.“
Im Rückblick auf ihr hartes Leben ist das gut zu verstehen: Die 72-jährige gebürtige Litauerin, hatte ihren Vater im Krieg und ihre Mutter durch eine schwere Krankheit verloren und musste schon als Kind nach Deutschland fliehen. Mit 26 Jahren heiratete sie – ein Jahr später kam sie zum Glauben. Den beiden Kindern, die ihr bald darauf geschenkt wurden, und ihrem Ehemann versuchte sie auch ein Wegweiser zu ihrem Herrn und Retter zu sein, beklagt aber: „Ich wusste schon manches aus der Bibel, aber kannte nicht den Weg der Heiligung und machte alles Marke Eigenbau. Ich dachte, mit der Wiedergeburt hätte ich alles geschenkt bekommen – das stimmt ja, aber dass ich auch einen Gehorsamsweg zu gehen habe, wusste ich nicht.“ Hinzu kam, dass sie durch mehrere Umzüge immer wieder an neue Orte kam und auch nicht so recht wusste, worauf sie bei Gemeinden besonders zu achten hätte, bzw. wo sie solche finden könnte.
1987 zogen Hildegard und ihr Mann nach Berlin um, sechs Jahre später ließ sich dieser aber von ihr scheiden – er hatte ihren Glauben nicht teilen können und erlebt, was es heißt, im ungleichen Joch zu sein. Hildegard hatte sich schon im Jahre des Umzugs Arbeit gesucht und besuchte ihren Glauben betreffend das diakonische Werk in der Bundeshauptstadt, ehe sie nun also in der Bibelgemeinde gelandet war.
Nachdem die ältere Dame dieser dann schon einige Zeit angehörte, stellte sie fest: „die gehen hier ja ganz schön stramm an das Wort Gottes ran. Ich war es immer gewöhnt, eine weichgespülte Predigt zu bekommen. Cary legte gleich los mit Argumenten und Dieter predigte und erklärte und alles schlug seine Bibeln auf… dann habe ich mal eine Mail an Dieter geschickt, ob er nicht auch etwas lockerer die Predigten gestalten könnte, aber er schrieb mir standhaft zurück, dass er das zu predigen habe, was das Wort Gottes lehrt – und es war genau das, was ich brauchte! Obwohl ich seit 1962 wiedergeboren war, hatte mir nie jemand etwas vom Weg der Heiligung gesagt, von der Notwendigkeit zur Buße, vom Einbringen in die Gemeinde und vom sich selbst Zurücknehmen.“
Was das Einbringen in die Gemeinde betrifft, schaute sich Hildegard die Gemeinde gut an und sah, dass jeder sein Amt hatte. Sie wollte sich „nicht zwischen schieben“, aber sah sich keineswegs als Ausnahme, sondern suchte vielmehr ihren Platz. Eineinhalb Jahre später – mittlerweile hatte sie viel mitgenommen und gelernt – hatte sie ihn gefunden: Im Treffpunkt, wo sie seither begeistert Menschen zu einem Gespräch in den Treffpunkt einlädt oder selbst mit ihnen redet und aus ihrem Leben Zeugnis gibt. Ihr Motiv dazu macht sie mit einer amüsanten und zugleich ernsten Erzählung deutlich: „Ich habe früher immer gebetet, dass ich bitte 90 Jahre werden darf. Jetzt habe ich gelesen, dass Salomo nicht um ein langes Leben gebetet hat. Deshalb habe ich mich jetzt beim Herrn Jesus entschuldigt… Ich wollte einfach nur so lange leben, um ihm mehr zu dienen und mehr zurückzugeben, weil ich bisher so viel versäumt habe.“
Ähnliche Gedanken sind es, die Walter und Erna L.[6] nun beschäftigen – ein wenig jünger als Hildegard, aber auch auf viele, viele Lebensjahre zurückblickend, in denen sie die klare Botschaft der Bibel nicht kannten und ihr nicht gehorchten. Erna wuchs zwar religiös auf, hatte aber keinen rettenden Glauben: „Mein Vater war evangelisch und meine Mutter eine strenge Katholikin: Sie lebte ihren Glauben aus und erzog uns auch so. Damals besuchte ich regelmäßig kirchliche Gottesdienste und der Glaube an Gott gehörte in mein Leben, auch wenn ich die frohe Botschaft, das Evangelium, noch nicht richtig verstanden habe.“ Walter ging es ähnlich: „Mein ganzes Leben lang habe ich schon an Gott geglaubt, aber es war immer ‚irgendjemand da oben’.“
Ändern sollte sich das seit dem Dezember 2007, wie Walter erzählt: „Ich bin mit Erna auf dem Weg zur Bank beim Treffpunkt vorbeigekommen. Wir hatten diesen schon öfter gesehen und haben uns nun endlich entschlossen, auch hineinzugehen. Dort haben wir Cary kennen gelernt und direkt etwas zu lesen mitbekommen. In der Folgezeit gingen wir dann regelmäßig in den Treffpunkt – zuerst nur nachmittags, aber bald auch freitagabends. Seit Anfang 2008 gehen wir auch zum Gottesdienst und zur Bibelstunde in die Bibelgemeinde Berlin.“ Dieses führte zur Wende im Leben der beiden Rentner, wie Ernas Zeugnis Einblick gewährt: „Ich habe zwar schon früh in meinem Leben an Gott geglaubt und auch versucht den Geboten Gottes zu folgen, aber seitdem ich in die Bibelgemeinde gehe, verstehe ich mehr und mehr von der Bibel. Ich habe erst jetzt richtig verstanden, dass ich ein absolut hilfloser Sünder bin, der die Vergebung meines Herrn Jesus Christus braucht.“ Später sollten sie diese Umkehr auch bei ihren Taufen bezeugen können…
…gleich wie ihre erste Tochter Nadja[7], die von ihren Eltern alsbald auf den Treffpunkt und die Bibelgemeinde aufmerksam gemacht wurde. Die 38-jährige war allein erziehende Mutter zweier Töchter, von denen die ältere mit 17 Jahren bereits eigene Wege ging, während die jüngere Tochter Jill [8]erst Ende des Jahres 2007 zur Welt gekommen war. Mit diesem Neugeborenen besuchte Nadja wenige Wochen später den Treffpunkt 180. Ihr war bekannt geworden, dass es dort seit 2008 nun auch einen Mutter-Kind-Treff gab – zu dessen Adressaten sie sich richtigerweise zählte. Dort hörte sie die frohe Botschaft, die im Leben ihrer Eltern so eingeschlagen hatte und berichtet weiterhin, wie es auch in ihr Leben sprach: „Mein Leben war einseitig und der Welt angepasst und ich dachte früher nicht über Dinge nach, die mich heute nachdenklich machen. Jetzt habe ich erkannt, dass es für mein weiteres Leben besser ist, mich dem Herrn als Erretter anzuvertrauen und nach seinen Geboten zu handeln.“ Ein weiteres Schäflein war also zur BiGeBe-Herde gestoßen und hatte mit der kleinen Jill gleich noch ein Lamm mitgebracht, das Bea zufolge aber „schon mit sechs Wochen riesig groß war.“
Bea konnte das wohl ganz gut beurteilen – war sie es doch, die mit der Aufgabe betraut wurde, den Mutter-Kind-Treff zu leiten, wie sie erzählt: „Dieter und Cary haben gesagt: ‚Frauen sollen Kinderarbeit machen.’ Weil ich aber lieber mit Frauen als mit Kindern arbeite, starteten wir das Treffen für Mütter mit Kindern.“ Tatkräftige Unterstützung erhielt Bea dabei von Svenja und Jelena, die als Mütter mit ihren Kindern nicht nur selbst Zielgruppe dieses Treffens an Dienstagnachmittagen waren, sondern auch bei dessen Gestaltung mitwirkten. Svenja erzählt, dass sie gute Gründe dafür hatte: „Es war schön, damit die Kinder eine Veranstaltung haben, bei der sie weiter etwas aus der Bibel lernen können und auch unter der Woche die Gemeindekinder zu sehen und Freundschaften zu diesen zu pflegen. Auch ist es ja ein Bereich, wo ich mich als Mutter einbringen kann – sei es durch Mithelfen oder Einladen.“
Wie sieht das Programm an einem solchen Dienstag aus? „Zuerst singen wir ein paar Kinderlieder und dann gibt es eine Bibelgeschichte, mit der wir uns immer ein Stück weiter in der Bibel vorarbeiten, seit wir ganz vorne mit der Schöpfung begonnen haben“, gibt Svenja uns einen Einblick; „nach der Geschichte beten wir zusammen und da finde ich es schön, dass auch die Kinder in diesem Rahmen beten lernen. Auch wenn man manchmal kaum hört, was sie beten, ist es eine gute Möglichkeit für sie, es zu lernen und sich zu beteiligen. Dann kommt die ganz wichtige Snack-Time, in der es etwas zu essen gibt, und schließlich spielen wir noch zusammen – drinnen oder draußen.“ Während die Kinder spielen, kümmert sich Pascal, der mit Bea den Treffpunktdienst an Dienstagen übernimmt, meist um die erwachsenen Treffpunktgäste und nimmt mit ihnen Lektionen aus verschiedenen grundlegenden Bibelkursen durch. Svenja findet das sehr wertvoll: „Es kommen ja nicht nur Mütter und Kinder, sondern auch andere Erwachsene aus der Gemeinde. Gerade diejenigen, die nicht in einem gläubigen Elternhaus aufgewachsen sind, bekommen dann dort die Möglichkeit, über die übrigen Gemeindeveranstaltungen hinaus noch einiges aufzuschnappen – sowohl bei den Geschichten für die Kinder als auch bei den Gesprächen danach.“
Wie bereits angesprochen, hat mit Familie L. längst der Wechsel ins neue Jahr 2008 stattgefunden. Ehe wir diesen aber gänzlich mitgehen können, müssen noch zwei sehr wichtige Geschehnisse ihre Erwähnung finden – und beide haben mit dem ersten Wort in diesem Satz zu tun: der Ehe!
Zum einen wären da zwei junge BiGeBeler, die in der Gemeinde in erster Linie ihren gerade gefundenen Herrn mehr kennen und lieben lernten, aber anscheinend auch aufeinander ein Auge geworfen hatten: Martin S. und Kathrin S. Doch anders als früher gingen sie längst keine eigenen Wege mehr, sondern suchten Lebensweisheit in Gottes Wort und biblischen Rat von Geschwistern. Schon im Laufe des Jahres 2007 hatten sie sich mehr und mehr kennen gelernt – schließlich kamen beide stets in die Gemeinde und verbrachten insbesondere viel Zeit bei Familie G.: Während Kathrin, die seit Oktober übrigens mit in Marias Wohnung ein Stockwerk tiefer wohnte, sowieso häufig dort war, wurde auch Martin des Öfteren eingeladen. Kathrin erzählt von Annäherungen im Sommer: „Einmal hatte ich mir beim Arbeiten im Hotel den Finger aufgeschnitten und dann habe ich Martin gefragt, ob er mit mir zum Arzt kommt. Auch habe ich immer gewollt, dass er mich nach der Bibelstunde mittwochs nachhause bringt… irgendwann bei einem Picknick fingen wir dann an zu flirten, wobei mich Bea immer ermahnte, dass ich das nicht machen sollte.“
Bis zur Verlobung war es nicht mehr weit, wenngleich diese Geschichte etwas kurios ist, wie Martin erzählt: „Kathrin zeigte mir immer ihren Finger und sagte etwas scherzhaft: ‚Wann kaufst du den Ring?’ Irgendwann, als wir im Treffpunkt waren, sagte ich, dass ich mal los muss. Dann war ich im Lindencenter – und schwupp hatte ich die Ringe.“ An jenem Dienstag, dem 4. Dezember, wusste Kathrin zu dieser Zeit noch nicht von ihrem Glück und auch sonst niemand. Das sollte sich aber bald ändern, erzählt Bea: „Martin sagte Pascal und mir nach dem Treffpunkt, er wolle Kathrin noch etwas sagen und bitte darum, dass wir dabei sein würden. Als wir in unserer Wohnung waren, kniete er dann vor Kathrin nieder, die auf unserer Eckbank saß und fragte sie, ob sie ihn heiraten wolle… Wir waren total überrumpelt!“ Dass Familie G. damit nicht alleine war, weiß Martin noch gut: „Dieter und Cary haben einen Schock fürs Leben bekommen… Aber dann haben sie gesagt, dass sie uns nur trauen, wenn wir einen Ehevorbereitungskurs machen.“ Selbigen haben die beiden dann auch begonnen und Stück für Stück bearbeitet, wobei dies die erste große Herausforderung auf dem Weg zur Zweisamkeit darstellte: „Eigentlich wollte ich lieber gleich heiraten und nicht so viele Sachen durchgehen und ausfüllen“, erklärt Kathrin anfängliche Schwierigkeiten, die sie aber schon bald als schlechte Gedanken verbannen wollte: „Wir haben gemerkt, dass es sehr hilfreich für uns ist, weil wir von uns aus gar nicht auf diese ganzen wichtigen Themen gekommen wären. Und dann wären wir in die Ehe gestolpert und hätten uns böse gezofft. Also haben wir immer alles am Telefon miteinander besprochen und uns dann zum gemeinsamen Durchgehen bei Dieter und Kristjana getroffen.“
Ein anderes Paar, Tom G. und Patricia N., war hingegen bereits einen Schritt weiter und ging noch im Dezember 2007 die Ehe ein: Der Herr schenkte den beiden noch eine (kurze) Zeit des Einsseins auf Erden. Wenngleich das Leiden der jungen Frau kein positives Ende fand, sollte doch ein weitaus positiveres Ende aus ihrer Sicht am 10. Februar 2008 eintreten: Der Herr berief Sein Kind nachhause – ihre Fremdlingschaft auf Erden war beendet. Der Frieden, den Patricia in ihrem Sterben hatte, mischte sich bei ihrem Ehemann und den Geschwistern der Bibelgemeinde natürlich auch mit Tränen des Verlustes. Auf der anderen Seite wussten sie aber alle um den kostbaren Trost, den der souveräne Gott in Seinem Wort spendet, wenn Er uns mit Paulus aufzeigt, welche Einstellung wir zum Leben und Sterben haben können und sollen: „Denn das Leben ist für mich Christus und das Sterben Gewinn. Wenn aber das Leben im Fleisch mein Los ist, dann bedeutet das für mich Frucht der Arbeit, und dann weiß ich nicht, was ich wählen soll. Ich werde aber von beidem bedrängt: Ich habe Lust, abzuscheiden und bei Christus zu sein, denn es ist weit besser; das Bleiben im Fleisch aber ist nötiger um euretwillen.“[9]
Wie dankbar wir für diese Worte des Paulus doch sind! Er hatte wahrlich kein leichtes Leben: Wie er selbst bezeugte, wurde er mehrfach gefangen genommen, geschlagen, ausgepeitscht, erlitt Schiffbruch, Hunger, Durst, Kälte, wurde gesteinigt, und so weiter und so fort. Dennoch lesen wir im Philipperbrief von seiner Entschlossenheit, zu bleiben und auszuharren um der geliebten Geschwister willen – was der Herr ihm auch noch einige Jahre gewährte.
Bei alledem macht der Apostel aber eindrucksvoll deutlich, wie das Leben auf Erden weder sein Ziel noch seine Hoffnung war. In demselben Brief schreibt er in Kapitel 3,20-21: „Denn unser Bürgerrecht ist in den Himmeln, von woher wir auch den Herrn Jesus Christus als Retter erwarten, der unseren Leib der Niedrigkeit umgestalten wird und seinem Leib der Herrlichkeit gleichförmig machen wird, nach der wirksamen Kraft, mit der er vermag, auch alle Dinge sich zu unterwerfen.“ Paulus war wirklich nicht irdisch gesinnt, sondern ihn verlangte vielmehr nach der himmlischen Herrlichkeit! Deshalb konnte er mit solch einer Gewissheit behaupten, dass er „Lust [hat], abzuscheiden und bei Christus zu sein.“
Auch bei Patricia haben wir diese Sehnsucht nach Gott und „Seinem Wohnort“ sehen können. Aber wie sieht es bei uns aus? Wenn jemand in unsere Gemeinde käme und fragen würde, wer jetzt sofort bereit ist, alles auf der Erde stehen und liegen zu lassen und heimzukehren, wer von uns würde ohne zu zögern seinen Finger heben? Natürlich glauben wir an den Himmel und natürlich freuen wir uns irgendwie auch darauf, abererstmal möchten wir doch das Leben genießen, oder? Vielleicht wären wir in einem Jahr bereit zu gehen, oder auch in einem Monat, und der eine oder andere möglicherweise gar in einer Woche. Aber heute? So eilig haben wir es dann doch nicht!
Schlimm genug, dass jene erdgebundene Perspektive, die der Satan uns Christen in die Ohren flüstern möchte, auch in immer mehr Gemeinden und „christliche Kreise“ eindringt. Schlimm genug, dass statt Selbstverleugnung und einem Verlangen nach geistlicher Erfüllung eine menschenorientierte Theologie gepredigt wird, die verspricht, dass Jesus dich gesund, reich und glücklich macht. Aber noch schlimmer, dass wir darauf hereinfallen und uns keine Schätze im Himmel sammeln, sondern auf der Erde, wo Motten und Rost sie fressen!
Gewiss ist es für einen Christen immer ein Spagat, einerseits nicht in diesem Leben Erfüllung zu suchen, und andererseits auch nicht wie die Thessalonicher mit verklärtem Blick durch die Gegend zu laufen und das Jetzt und Heute zu vergessen, in das uns Gott offensichtlich gestellt hat. In diesem Zwiespalt gibt Paulus uns aber eine große Hilfe, die zugleich ein Schlüssel der oben genannten Verse aus Philipper 3 ist: Erwarten. Dass wir doch diese Gesinnung erlernen, „Christus als Retter [zu] erwarten“ und das, was Sein Kommen mit sich bringen wird: Eine Umgestaltung unseres Leibes der Niedrigkeit in Leiber der Herrlichkeit, gleich Ihm selbst – und gleich unserer Schwester Patricia, wenn sie mit den in Christus Entschlafenen auferstehen wird.
[1] Vgl. Matthäus 7,23b
[2] Jeremia 13,23
[3] Anm.: Name wurde vom Autor geändert
[4] Vgl. Apostelgeschichte 20,31
[5] Abkürzung für „Wort des Lebens“; das deutsche Jugendmissionswerk gehört zur internationalen Jugendorganisation „Word of Life“
[6] Anm.: Namen wurden vom Autor geändert
[7] Anm.: Name wurde vom Autor geändert
[8] Anm.: Name wurde vom Autor geändert
[9] Philipper 1,21-24
D er Oberhirte wählt sich Leiter und führt so seine Schafe weiter
Zur Zeit der deutschen Wiedervereinigung haben wir unsere Erzählung begonnen. Der Friede, der zum Ende eines von Auseinandersetzungen, Kriegen und Zerstörung geprägten Jahrhunderts in diesem Land und insbesondere auch in der Hauptstadt Berlin einkehrte, ist auch für die Arbeit der Bibelgemeinde in jener Stadt ein großer Segen. Durch die Bibel wissen wir, dass dieser Friede aber auf einem wackligen Fundament steht, weil der Mensch von Grund auf verdorben und hilflos in seinen Sünden ist und in den letzten Zeiten immer liebloser, unversöhnlicher, verleumderischer, grausamer verräterischer, unbesonnener und aufgeblasener wird[1]. Dennoch dürfen wir uns an der Gnade unseres Gottes freuen, der Christen als Lichter und Salzstreuer in dieser Welt gebraucht[2], um als Lichter Gottes Evangelium in die dunkle Welt zu tragen, und als Salz das Böse in dieser Welt einzudämmen und die Welt in einem gewissen Sinne zu erhalten. Zu diesem Zweck schickt Gott Seine Kinder an allerlei Orte, um diese Zwecke zu erfüllen, für die Er sie noch in der Welt lässt.
Sechs Wochen nach der Wiedervereinigung schloss Deutschland einen Vertrag mit seinem polnischen Nachbarn ab, in dem die teilweise noch umstrittene deutsch-polnische Grenze ausdrücklich bestätigt wurde und damit die Grundlage für ein friedliches Zusammenleben der beiden Staaten geschaffen wurde. Weitere acht Monate später baute ein weiterer Vertrag „über gute Nachbarschaft und freundliche Zusammenarbeit“ darauf auf.
Siebzehn Jahre später reiste eine Abordnung aus Deutschland nach Polen, aus Berlin nach Warschau. Diese „Abordnung“ bestand aus einigen Männern der Bibelgemeinde und hatte zugegebenermaßen weniger mit diplomatischen Beziehungen als vielmehr mit geschwisterlichen Beziehungen zu tun – nichtsdestotrotz erfreute sie sich aber an den guten Beziehungen, die mittlerweile zwischen den beiden einst verfeindeten Nationen bestanden. Eine besonders gute Beziehung bestand indes zu einem von ihnen, Janek P. Selbst gebürtig aus Polen, hatte Janek von 1999-2003 ebenfalls vier Jahre am Master’s Seminary in Los Angeles studiert. 2003 kam er – in Begleitung seiner Familie – über Christian A. nach Berlin und dort in Kontakt mit der Bibelgemeinde. Nach Prüfung seines vorbildlichen Charakters und seiner Festigkeit im Worte Gottes, setzten die Ältesten der BiGeBe ihn nach einiger Zeit als Hirten der Gemeinde Christi ein, ehe er weiter nach Polen reiste, um eben dort im Gemeindebau tätig zu sein. Nun, im Januar 2008 war es soweit: In Grodzisk Mazowiecki, südwestlich von Warschau, entstand eine neue Gemeinde – und auch einige Männer aus der Bibelgemeinde waren bei der ersten Versammlung der polnischen Geschwister dabei. Mit diesem Besuch wurde der Grundstein für eine enge Beziehung der beiden Gemeinden gelegt, die sich seitdem über ihre jeweiligen Dienstfelder auf dem Laufenden hielten und einander im Gebet unterstützten.
Für die BiGeBe-Männer war es im Übrigen nicht der erste Ausflug: In 2006 und 2007 waren sie jeweils in der Adventszeit mit Carys großem Familienbus für einen Tag auf den Weihnachtsmarkt nach Seiffen (im Erzgebirge) bzw. Hamburg gefahren und konnten sich über gute Gelegenheiten für tiefere Gespräche sowie eine Stärkung der Gemeinschaft freuen.
Einen weitaus größeren Ausflug machten Familie G., Familie B. und Familie G. im März 2008, als sie gemeinsam bei der Hirtenkonferenz der Grace Community Church in LA waren. Schon vor der Reise hatten Dieter und Cary Pascal gesagt, dass sie ihn gerne in absehbarer Zeit als Ältesten in der Bibelgemeinde einsetzen würden und ihm auch die Möglichkeit geben wollten, am Master’s Seminary zu studieren. „Bei einem Wiedersehen mit einem Sommerteam in LA, sagte ich dann, dass es bis dahin aber noch vier Jahre dauern würde, wie es eigentlich geplant war“, erzählt Pascal, „ehe mich Dieter und Cary unterbrachen und sagten, dass sie ihre Pläne geändert hätten und mich schon 2009 als Ältesten einsetzen wollten und ich 2010 zum Studium nach Amerika kommen könnte.“
Dieter gewährt einigen Einblick in die Überlegungen, die die beiden Hirten der BiGeBe während der vergangenen Jahre anstellten: „Wir wollten nie die Führung alleine behalten und hatten schon länger nach Ältesten Ausschau gehalten, weil es gut und wichtig ist, in diesem Amt Unterstützung zu haben. Auf der anderen Seite wollten wir aber auch vorsichtig sein, weil so viele Gemeinden an vorschnellen Einsetzungen zerbrochen sind – an diesen Entscheidungen hängt viel dran!“ Von Pascal und seiner Frau erzählt er weiter: „Wir haben alles in Erwägung gezogen. Wir haben gesehen, dass sie gedient haben, sich eingebracht haben, treu waren. Man konnte Pascal Dinge anvertrauen, er ist ein integrer Mann und hat sich Arme ausgerissen, um zu dienen. Gewiss hat er noch viele Dinge zu lernen und es fehlen ihm noch einige Erfahrungen. Aber wir haben trotz seines relativ jungen Alters auch gesehen, wie er gereift ist und schon jetzt sehr viele Erfahrungen in der Gemeindearbeit sammeln konnte. Es ist so wichtig, dass man schon vieles mit durchlebt hat und krisenerprobt ist, weil es das einfach immer gibt: Selbst Paulus blieb nicht vor Schwierigkeiten verschont und wurde von Mitarbeitern sitzen gelassen, und so weiter. Schließlich hat Pascal auch das EBTC sehr gut gemacht und nicht einfach nur gelernt, sondern vor allem viel verstehen wollen. Er hat schon immer darauf geachtet, sich etwas bei anderen abzuschauen, Predigten zu hören und auf diese Weise selbst Dinge zu prüfen und das Gute zu übernehmen.“
Wenn auch die längerfristige Vorbereitung auf den Ältestendienst schon begann, war doch die Prüfung und Ernennung zum Hirten noch in weiterer Ferne.
Viel weiter vorangeschritten war da bereits die Vorbereitung und Zurüstung der Diakone auf ihre Einsetzung im Frühjahr 2008. Von den ersten Geheimtreffen seit Anfang 2007 haben wir bereits gehört und auch der 222-Abend ab Mitte desselben Jahres wurde schon erwähnt. Ziel dieser Treffen war es gewesen, die einzusetzenden Diakone auf ihr Amt vorzubereiten und ihnen wie auch anderen Gemeindegliedern ein Verständnis vom Dienst des neutestamentlichen Diakons zu geben – mit Erfolg: „Für mich war das Verständnis vom Diakon sehr neu“, sagt Alex und fährt wenig später fort: „In der Ukraine ist der Diakon quasi der Boss: Nach dem Pastor ist er der Höchste und hat eine leitende Funktion inne, sowie Aufgaben in der Seelsorge. In der Bibelgemeinde habe ich aber gelernt, dass ein Diakon einfach ein Diener ist und Hilfeleistungen übernimmt, um die Ältesten zu entlasten. Als Diakone sollten wir zwar Verantwortung für gewisse Bereiche bekommen, aber nicht die Aufgabe der geistlichen Leitung der Gemeinde haben.“
Dem Einsetzungsgottesdienst ging eine Zeit der subjektiven Prüfung durch sich selbst und der objektiven Prüfung durch die Gemeinde voraus, wie sich Pascal erinnert: „Ungefähr vier Wochen vorher wurde die Gemeinde über unsere Namen informiert und gebeten, auf uns selbst zuzukommen, wenn sie Bedenken gegen unsere Ernennung hätten. Außerdem sollten wir für uns selbst einen Fragebogen ausfüllen, in denen wir uns noch mal selbst und vor Gott hinterfragen sollten, ob wir die charakterlichen Qualifikationen eines Diakons erfüllen – natürlich nicht in Vollkommenheit –, oder von Dingen wissen, die dagegen sprechen, aber unserer Gemeinde nicht bekannt sind.“ Am 11. Mai kam es schließlich zur Ordination der vier Männer in ihr Amt: Schon einige Wochen vorher hatte Cary einige Predigten zu den Ämtern der Ältesten und Diakone gehalten, nun wurde ihre Einsetzung einfach im Anschluss an den Gottesdienst vorgenommen. Pascal berichtet: „Wir wurden unter Handauflegung und Gebet in unseren Dienst berufen. Da entstand dann auch das komische Bild, auf dem wir alle halb knien, halb stehen. Damit drücken wir keine außergewöhnliche theologische Überzeugung aus – es hatte einen rein praktischen Grund: Wilhelm hatte zu dieser Zeit Knieprobleme und so dachten wir, es sei besser für ihn, nicht beide Knie zu belasten.“
Bleibt noch die Frage nach den ihnen anvertrauten Dienstbereichen, wobei diese weniger als neue Aufgaben, sondern vielmehr als Bestätigung bereits ausgeführter Dienste verstanden wurde. Dieter sagt dazu: „Leute, die Diakone werden, sind Leute, die dienen – sie werden nicht erst zu Dienern gemacht! Als Diakon bekommt man zwar einen bestimmten Verantwortungsbereich offiziell zugeteilt, aber dass einer ein Diener ist, hat sich schon vorher erwiesen. Wenn wir bereits Treue gesehen haben, wissen wir nämlich auch, dass wir uns zu 100% auf sie verlassen können!“ Für Wilhelm heißt das, dass er für den Büchertisch und die Gästebetreuung verantwortlich ist, während Pascals Dienstschwerpunkt im Bereich der Musik und Technik liegt. Auch Alex sagte über seine Aufgaben in Medienarbeit und Internet: „Durch die Diakoneneinsetzung hat sich praktisch nicht viel geändert. Wir haben einfach weiter unsere Dienste gemacht.“ Als vierter im Bunde bleibt schließlich noch Daniel, dessen Dienstschwerpunkt die Innen- und Außenmission ist.
Die Ordination der vier Männer war allerdings nicht das einzige Ereignis an diesem zweiten Mai-Wochenende: Vom 10.-11. Mai veranstaltete die Bibelgemeine ein Eheseminar in ihren Räumlichkeiten. Mehrfach war bereits vom Schwerpunkt zu lesen, den die Bibelgemeinde auf die Stärkung von Ehen und Familien legte. Die Intention für die Durchführung eines solchen Seminars geht in jene Richtung, wie Dieter erklärt: „Natürlich wollten wir vor allem die jungen Familien in der Gemeinde über die Ehe belehren, aber wir hatten mittlerweile auch einen ganzen Haufen lediger Leute und dachten, dass auch diese wissen sollten, was sie in einer Ehe erwarten würde. Das gleiche Anliegen verfolgten wir ja zum Beispiel mit unseren Kindererziehungskursen.“
Neben den Bibelgemeindlern kam auch der ein oder andere Gast zum Eheseminar – zwei davon sorgten schon im Mai für die ersten Sommertage: Philipp und Maike S. Einen Sommer zuvor hatten sie ihren Wohnort bereits aus dem Süden nach Brandenburg verlegt, wo Philipp seitdem als Haustechniker für WDL am Köriser See arbeitete. Ursprünglich kommt er aus der Nähe von Freiburg im Breisgau, wo er schon in der Kindheit von Gott hörte und vor allem über den festen Glauben seiner Großmutter staunte. Mit 18 Jahren entschied er sich selbst für ein Leben in der Nachfolge. Nach seiner Ausbildung zum Industriemechaniker und dem Zivildienst bei WDL am Starnberger See war er praktisch prädestiniert für die Stelle am Köriser See. Dass er auf dem Weg nach Brandenburg bereits von seiner Verlobten Maike begleitet wurde, hatte er auch WDL zu verdanken: Dort nämlich lernten sie sich während seinem Zivildienst kennen und schätzen. Maike kam aus einem Ort südlich von München, wo sie in einem gläubigen Elternhaus aufwuchs und schon in jungen Jahren für ihren Herrn leben wollte: „Ich kann keinen genauen Tag sagen, an dem ich mich Christus anvertraut habe: das erste Mal sprach ich im Alter von vier Jahren mit meiner Mutter ein ‚Übergabegebet’. In den Jahren danach durfte ich dann mehr und mehr über Gottes Gnade und meine Verlorenheit ohne Ihn erkennen und im Glauben wachsen“, spricht Maike von der Veränderung, die in ihrem Leben stattfand. Mit Philipp bei WDL am Köriser See, fand sie eine Anstellung in einer Apotheke als PTA. Im Dezember 2007 heirateten die beiden schließlich – was nun den Faden des Eheseminars wieder aufgreift.
Von der Bibelgemeinde hatte das junge Ehepaar schon bald durch Familie H. erfahren, nachdem „wir uns einige Zeit sehr viele Gemeinden in Berlin und Umgebung angesehen [hatten]. Wir schätzen es zum einen sehr, wie ernst die Ältesten ihre Aufgabe als Hirten nehmen: die unzähligen Stunden, die sie in das persönliche Bibelstudium und die gründliche Predigtvorbereitung investieren und ihre Sorge um jedes Gemeindeglied. Zum anderen sind wir sehr ermutigt durch die Gastfreundschaft, die herzliche Gemeinschaft unter den Gemeindemitgliedern und den Wunsch in jedem einzelnen, Jesus ähnlicher zu werden und Gott zu verherrlichen“, erzählt Maike, wie ihre Entscheidung, in der Gemeinde zu bleiben, schließlich zustande kam. Seit September 2008 kamen die beiden regelmäßig zu den Gottesdiensten.
An die weite Fahrt vom Köriser See nach Nordostberlin mussten sie sich dabei leider genauso gewöhnen wie Markus M. und Verena L., die man um diese Zeit ebenfalls immer häufiger in der Bibelgemeinde sehen konnte. Ihre Gesichter waren dort aber längst nicht mehr unbekannt, hatten doch beide am Esra-Training teilgenommen und dabei auch einige BiGeBe-Gottesdienste erlebt. Doch wann war das genau?
Der gebürtige Siegerländer Markus hatte schon 2006/2007 in die Fußstapfen des Priesters Esra treten dürfen – damals allerdings noch in Mecklenburg-Vorpommern. Verena, die aus Tübingen nach Brandenburg kam, absolvierte ein Jahr später besagtes Jüngerschaftsprogramm von Wort des Lebens. Im Anschluss hatten beide entschieden, dem Missionswerk treu zu bleiben und als Praktikanten am Köriser See zu arbeiten: Markus, gleichzeitig Fernstudent der Wirtschaftsinformatik, war seit Herbst 2007 als Verwaltungsassistent und in der EDV tätig, Verena übernahm zu jener Zeit die Zuständigkeit für Küche und Hauswirtschaft – zunächst neben ihrer Teilnahme am Esra-Training, ein Jahr später vollzeitlich. Nachdem Markus schon im Sommer 2007, während seines Sommerpraktikums auf dem neuen WDL-Gelände, einige Gottesdienste in der BiGeBe kennen gelernt hatte, waren Verena und er auch während der nächsten 12 Monate einige Male an diesem Ort: „Wir waren oft mit den Esranern auf Einsätzen unterwegs“, erzählt Markus von den Wochenendtouren im Rahmen des Jüngerschaftstrainings, ehe er auch auf die freien Wochenenden zu sprechen kommt, als gemeinsam unterschiedliche Gemeinden besucht wurden: „An den Wochenenden, an denen wir keine Einsätze hatten, haben wir uns dann meistens den Esranern angeschlossen – daher kam es nur zu unregelmäßigen Besuchen in der Bibelgemeinde.“
Im Herbst 2008 gewannen diese aber an Regelmäßigkeit: Markus und Verena, die bereits im März eine feste Freundschaft eingegangen waren, konnten nun häufiger kommen und schlossen sich auch wenig später der Gemeinde an, wie Markus erklärt: „Wir haben die Gemeinde als einen Ort gesehen, der uns persönlich, in unserer Freundschaft und Ehe und auch später als Familie ein gutes geistliches Zuhause bietet, in dem wir Unterweisung, Unterstützung, Rat und Betreuung bekommen.“ Neben allem was sie bekamen, wollten sie aber sehr gerne auch etwas geben und sich im Dienst für die Geschwister einbringen. Das taten sie auch nach Kräften, mussten aber leider feststellen, dass der lange Weg aus Brandenburg seinen Tribut fordert, und den Wunsch zu Dienen ebenso behindert, wie auch das Anliegen, mehr Gemeinschaft mit den Bibelgemeindlern zu haben: „Zu Beginn standen wir etwas am Rande und brauchten einige Zeit, bis wir Kontakte zum ‚Kreis der Gemeindeglieder’ aufnehmen konnten“, gibt Verena Einblick in anfängliche Schwierigkeiten, fährt dann aber fort, dass Markus und sie merkten, wie sich „die Gemeindeglieder für uns interessierten und uns herzlich aufgenommen haben“…
… ebenso wie Bernd G., der seit Mai Teil der BiGeBe war. Wie das junge Paar von WDL kannte Bernd die Gemeinde schon etwas länger, bevor er sich zur verbindlichen Mitgliedschaft entschied: Seit 2005 wusste er von dieser Gemeinschaft und hatte im Sommer 2007 bereits einige Wochen regelmäßig die Veranstaltungen besucht. Bernd erzählt, dass der Kontakt durch das Internet zustande gekommen war: „Durch Predigten von Pascal, von Dieter und von Cary, die ich auf der BiGeBe-Homepage fand und mir eine lange Zeit anhörte, wurde ich auf die Gemeinde aufmerksam. Ich begann, einzelne Gottesdienste zu besuchen und war sowohl vom Inhalt der bibeltreuen Wortverkündigung als auch von der Gestaltung der Versammlungen – zum Beispiel Umgang der Geschwister miteinander, Lobpreis, Pünktlichkeit, Ruhe, Ordnung, Sauberkeit – sehr angetan.“ Der mit 60 Jahren nach Hildegard und Walter drittälteste Bibelgemeindler hatte viele Jahre Gottes Langmut in seinem Leben erfahren, ehe er Anfang der 90er Jahre zum rettenden Glauben kam – zu einer Zeit, als sein späterer Glaubensbruder Thomas W. noch im Sandkasten spielte und ziemlich wenig von alledem verstand.
Anders als Bernd hatte Thomas zwar das Vorrecht, dass seine Eltern während seiner Kindheit errettet wurden, aber dennoch liebte er die Sünde mehr und lebte in Rebellion gegen seine Eltern und Gott. Im jungen Teenageralter bewies der Herr aber auch an ihm Seine verändernde Macht und schenkte ihm ein neues Leben und ein neues Ziel. An früherer Stelle war bereits zu lesen, dass Thomas über seinen Bruder Daniel zum ersten Mal die Berliner Bibelgemeinde kennen lernte. Durch die Jüngerschaftsschule hatte er in den folgenden Monaten nicht nur Gottes Wort besser kennen und verstehen lernen dürfen, sondern auch bei den Unterrichtswochenenden mehr und mehr Gemeindepraxis erleben können. „Schon lange vor einem jeden Berlin-Wochenende legte ich mir Listen voller Fragen an, die mir beim persönlichen Bibelstudium oder Gesprächen über den Glauben kamen und auf die ich sonst keine Antworten fand“, erzählt Thomas von seinen ersten Besuchen in der BiGeBe und der Hilfe, die er dort finden konnte, ehe er fortfährt: „Zuhause in Wiesbaden lebte ich vor allem von christlicher Literatur und Freizeiten in den Ferien oder an Wochenenden. Daher war ich zunächst auch etwas skeptisch, als ich die Bibelgemeinde kennen lernte, weil vieles so anders war, als ich es bisher kannte. Mit der Zeit stellte ich fest, dass es am Wort Gottes lag: Als ich die ersten Auslegungspredigten in Berlin oder dann von zuhause aus über das Internet hörte, fragte ich mich, ob ich die Bibel vorher jemals richtig verstanden habe… Aber auch die Herzlichkeit, mit der man mich als auswärtigen BGBJSler[3] in der Gemeinde empfing, hat mich sehr beeindruckt. Während ich nach und nach den Treffpunkt, die verschiedenen Veranstaltungen, einige Familien und Gemeindeglieder kennen lernte, sehnte ich mich immer mehr danach, eines Tages auch Teil dieser Gemeinde zu sein und meinem Bruder nach Berlin zu folgen.“
Diesen Wunsch sollte der Herr ihm schon am 30. Juni 2008 erfüllen – und der angesprochene Bruder half kräftig mit: Bei den Besuchen und zahlreichen Telefonaten in der Zwischenzeit sprachen die beiden viel über ihren Glauben und Thomas’ Zukunft, der in diesem Jahr sein Abitur machte. Daniel ermutigte ihn, seinen Zivildienst in Berlin zu leisten und in die BiGeBe zu kommen – ein Zimmer war in der WG von Martin und Daniel auch noch frei. Thomas erzählt von seiner Entscheidung: „Eigentlich wollte ich schon lange gerne als Missionar Unerreichten das Evangelium bringen und ‚keine Zeit verlieren’. Auch meinen Zivildienst wollte ich schon als Freiwilliges Soziales Jahr mit einer Missionsgesellschaft im Ausland verbringen. Allerdings gebrauchte der Herr zahlreiche Stunden auf den Knien und gottesfürchtige Menschen, um mir klar zu machen, dass es nicht der richtige Weg ist, mit meinen 19 Jahren einfach ‚raus’ zu gehen: ohne Ausbildung, ohne eine tiefe und umfassende Kenntnis des Wortes Gottes, ohne Reife und Lebenserfahrung, und vor allem ohne eine Gemeinde, in der ich als begabt und bewährt erfunden wurde. So wollte ich stattdessen in allen diesen Punkten wachsen und die fernere Zukunft in Gottes Hand legen. Wo aber könnte ich das besser, als in der Gemeinde, die ich in den vergangenen Wochen und Monaten so schätzen gelernt hatte?“
Gesagt, getan. So landete also der zweite Sohn der Familie W. in der Bundeshauptstadt und weniger als drei Monate später landete auch er im Malchower See – auf eigenen Wunsch: Zusammen mit Erna und Bettina, die schon 2007 zur Gemeinde gestoßen waren, wurde er dort am 21. September von seinen neuen Hirten getauft.
Ein dritter ging derweil weitere Schritte in Richtung Hirtendienst: Im Spätsommer kündigte Pascal seinen Job als Taxifahrer, um fortan im vollzeitigen Dienst tätig zu sein. Ab 1. Oktober 2008 wurde er bei der Kontaktmission aufgenommen und kümmerte sich nun verstärkt um seinen wachsenden Unterstützerkreis. Mit diesem Schritt konnte Pascal wesentlich mehr Zeit für die Gemeindegründungsarbeit in Berlin aufbringen und die Ältesten in den Lehrdiensten zunehmend unterstützen. Auch begann er bereits in diesem Jahr das Studium beim Master’s Seminary, indem er bis zur für 2010 geplanten Ausreise nach Amerika schon den ein oder anderen Kurs im Fernstudium absolvieren wollte.
Schließlich nahte auch die Einsetzung als Ältester heran, worauf er sich nun vermehrt vorbereiten musste: Zum einen waren da einige Aufgaben, die Pascal in den nächsten Monaten erledigen sollte, wie z.B. eine Kinderstunde zu gestalten und eine Hochzeitspredigt zu halten. Vor allem aber wurde er mit der Vorbereitung seiner Ordinationsprüfung beauftragt: „Ich musste für diese dreistündige Befragung folgendes lernen: Erstens Bibelkunde; das heißt Gliederungen, Schlüsselkapitel und Schlüsselverse der einzelnen Bücher der Schrift, sowie einen Gesamtüberblick und die Einordnung jedes Buches in den Kontext der Bibel. Zweitens Theologie; dafür hatte ich die Theologie-Unterlagen von Cary durchzugehen und dann auch eine Übersicht, welche Begriffe ich beherrschen, also kurz darlegen können sollte. Schließlich drittens praktische Theologie; hier sollte ich wissen, was der richtige Umgang mit Gemeindesituationen ist. Anhand der Übersicht, die ich dafür bekam, konnte ich sehen, welche Fragen so in etwa drankommen könnten. Außerdem konnte ich Dieter fragen, wenn ich bei der einen oder anderen Situation unsicher war. Dieser Bereich war am schwierigsten für mich, weil ich ja noch kein Ältester war und daher viele Situationen noch nicht so kannte.“
So bestanden die nächsten zwölf Monate für Pascal aus einer ganzen Menge Lernen. Seine Frau Bea unterstützte ihn dabei, so gut sie konnte und fragte vor allem gegen Ende hin allerlei Gliederungen, Schlüsselverse und Begriffsdefinitionen ab – was mit Sicherheit auch für ihre Schriftkenntnis ein großer Gewinn war. Als Frau eines Ältesten sollte aber auch sie sich gut vorbereiten, wie sie uns wissen lässt: „Ich sollte mich ein Jahr lang immer wöchentlich abwechselnd mit Lois und Kristjana treffen. Für Lois sollte ich die Bibel durchlesen und herausschreiben, wie die Frau sein sollte und dann auch aufschreiben, wie sie ihren Mann als Ältesten unterstützen kann. Kristjana wollte, dass ich mir allerlei SemWives-Vorträge[4] anhöre und mit ihr darüber rede.“ Bea hat all dies gerne und gut gemacht. Dennoch räumt Pascal schnell mit einem möglichen Missverständnis auf: „Es gibt aber keine speziellen Anforderungen an die Frau eines Ältesten: Nichts mit Mama-Pastor… aber natürlich soll sie schon geistlich sein, sonst müsste man ja in Frage stellen, ob ich überhaupt die Gemeinde leiten und belehren kann, wenn ich es noch nicht einmal bei meiner eigenen Frau schaffe.“
Vor all den neuen Herausforderungen um den Einstieg in den vollzeitigen Gemeindedienst war für die Grosjeans aber zunächst eine längere Reise zu Unterstützern, Freunden und Verwandten in der Schweiz angesagt. Da sie zudem über eine gesunde Portion Nationalstolz – und vielleicht noch etwas mehr – verfügen, fragten sie auch ein paar Berliner, ob diese nicht mal sehen wollten, was echte Berge sind! Tatsächlich besuchten Mitte August Klaus, Rubin, Ursula, Bettina, Juliane und Daniel die Familie G. für eine Woche in ihrer Heimat. Für die beiden letztgenannten sollte dies zudem eine besondere Woche werden – schließlich machte Daniel Juliane am 12.8. einen Heiratsantrag im Schweizer Berghüttenflair.
Wie aber war es dazugekommen? „Als ich Juliane kennen lernte, war sie noch die ‚Frau vom Büchertisch’, den sie dann an Wilhelm und Rosi abgab, als sie nach Hamburg zog. Damals war sie noch von geringerem Interesse für mich, aber auf Carys Anregung hin begann ich mich für Juliane zu interessieren und lernte sie dann besser kennen“, erklärt Daniel sehr nüchtern, was andere mit Schmetterlingen im Bauch beschreiben, ehe er hinzufügt: „Im März 2008 arrangierte ich schließlich ein Treffen mit Familie G., bei dem ich ihr meine Absichten offenbarte, eine Beziehung mit dem Ziel der Ehe mit ihr einzugehen. Zu meiner Freude zog sie im Juli auch wieder nach Berlin, in die Nähe der Gemeinde – und in die Nähe von mir.“ An dieser Stelle seien noch mal – Paul möge es mir nachsehen – die „Singletreffen“ zur Sprache gebracht: Diese nämlich spielten beim Kennen lernen von Daniel und Juliane eine entscheidende Rolle, wurden beide in dieser Zeit doch plötzlich zu außergewöhnlichen Spül- und Abtrockenfanatikern, um ein wenig Zeit für gemeinsame Gespräche zu gewinnen. Kristjana bemerkt mit einem breiten Grinsen zu den ganzen jungen Menschen: „Es ist einfach so, dass wir viele Singles in der Gemeinde hatten und da war es nur eine Frage der Zeit, bis sie sich paaren würden.“
Bei alledem waren Daniel und Juliane in ihrer Beziehung aber auch ein großes Vorbild sowohl für die ledigen Geschwister in der Gemeinde, die vielleicht auch mal heiraten würden, als auch für einen jeden anderen BiGeBeler oder Gemeindebesucher: Ihre Vorsicht im körperlichen Umgang, ihre gemeinsamen Investitionen in ihr geistliches Leben und ihr gemeinschaftliches Dienen in der Bibelgemeinde lieferten ein Beispiel, wie eine Gott wohlgefällige Basis für eine Ehe nach Seinem Willen gelegt werden kann.
Wo gerade von Daniels Dienst in der Gemeinde die Rede ist, sollte weiterhin erwähnt werden, dass er nun auch zunehmend auf seine Lehrfähigkeit geprüft wurde: Im Jahr 2008 unterrichtete er für einige Wochen an Mittwochabenden für die Junggläubigen parallel zur Bibelstunde die „Grundlagen des Glaubens“, im Herbst ging er an Freitagabenden den „Roten Faden durch die Bibel“ im Treffpunkt durch. Hinzu kam eine dreiteilige Serie über die Christenverfolgung, die er im Sommer 2008 in sonntäglichen Bibelstunden lehrte. Gegen Ende des Jahres kam auch das Auswendiglernen des 1. Petrusbriefes zu einem Ende. Über die beiden ersten Verse durfte Daniel im Mai 2009 schließlich seine ersten beiden Predigten halten, ehe er seine Konzentration verstärkt der Bachelor-Arbeit zum Abschluss seines Studiums und den Hochzeitsvorbereitungen widmete.
Was lief sonst noch in der Bibelgemeinde? Mittwochs wurde in der Bibelstunde das Thema der biblischen Liebe, das 2. Buch Mose und der Römerbrief gelehrt. Einmal im Monat fand weiterhin das Diakonentreff statt, an dem nun aber nur noch Älteste und Diakone teilnahmen. Die Hirten besprachen dort gemeindepraktische Dinge mit den Diakonen und konnten auf diese Weise zusätzliche Einblicke in deren Dienste gewinnen – und damit auch in das gesamte Gemeindeleben der ihnen anvertrauten Herde. Im Treffpunkt wurde an den Freitagen neben dem bereits erwähnten Roten Faden die Offenbarung Kapitel für Kapitel behandelt. Sonntags schließlich standen in den Bibelstunden biblische Anthropologie, Christologie, Pneumatologie, sowie Themen wie die alttestamentlichen Opfer, biblische Geographie, die intertestamentare Zeit, oder politische Gruppen in biblischer Zeit auf dem Programm.
In den Predigten wurden unter anderem Abschnitte aus dem 2. Buch Mose, Matthäus, Philipper, 1. Thessalonicher und 1. Johannes ausgelegt. Mitte des Jahres begann Dieter außerdem mit einem Projekt des Adaptierens von Predigten von John MacArthur aus der Grace Community Church in LA. Dessen Predigten wurden unlängst in verschiedene Sprachen übersetzt, da es ein Anliegen von „Grace To You“[5] ist, diese Predigten auch in anderen Ländern zu verbreiten, um die Menschen allerorts mit den wertvollen Auslegungspredigten des amerikanischen Pastors zu erreichen. Nun wurde für den deutschsprachigen Raum also Dieter angesprochen. Der Prozess des Adaptierens sieht in etwa so aus, dass Cary und Dieter eine Predigtserie von John MacArthur auswählen, die ihnen für die Bibelgemeinde Berlin zu der gegebenen Zeit als angemessen erscheint. Dieter studiert dann selbst den Predigttext, ehe ihm die professionell übersetzte Predigt vorgelegt wird. Diese prüft er zunächst auf theologische Richtigkeit, passt sie daraufhin auf seine deutsche Zuhörerschaft an und ersetzt persönliche Aspekte von John MacArthur mit seinen eigenen – kurz er übernimmt zwar die Predigt, prüft sie aber und macht sie sich dann zu eigen, ehe er sie schließlich im Gottesdienst der BiGeBe predigt. Wenngleich dieser Prozess durchschnittlich auch zwei volle Arbeitstage pro Predigt beansprucht, kann Dieter durch die Adaption der Predigten doch etwas Zeit gewinnen. Zudem werden durch die bei Grace To You und auf der BiGeBe-Homepage publizierten Predigten nun noch mehr Zuhörer im deutschsprachigen Raum mit gesunder Lehre erreicht, was auch der Bibelgemeinde ein großes Anliegen ist.
Nach diesem kleinen Abstecher, wollen wir uns nun aber wieder dem Spätsommer 2008 zuwenden. Die Urlauber aus der Schweiz waren längst wieder nach Berlin zurückgekehrt und auch die Sommerteams aus den Vereinigten Staaten, die im Juli und August die BiGeBe unterstützten hatten, befanden sich mittlerweile wieder in ihren Heimatgemeinden. In diesem Jahr waren viele fleißige Helfer aus der Grace Community Church und erstmals auch aus der Silverbeach Community Church in Bellingham (Washington) gekommen, bei der es sich um Carys Heimatgemeinde handelte, die ihn auch nach Deutschland ausgesandt und während all der Jahre großzügig unterstützt hatte. Ermutigt durch die Berliner, die bereits in Folge von Traktataktionen die Gemeinde besucht hatten und vor allem durch jene, die zum Glauben gekommen waren und sich der Gemeinde angeschlossen hatten, sollten in diesem Jahr auch bisher nicht erschlossene Gebiete mit dem mittlerweile blau designten Handzettel der BiGeBe erreicht werden. Zudem sollten auch die Menschen in Wartenberg und der näheren Umgebung nicht vergessen, dass die Bibelgemeinde noch lebte und weiterhin um ihre Seelen besorgt war. Ungefähr 46.000 Traktate fanden so in diesem Sommer den Weg in die Briefkästen Ostberlins.
Bis nach Brandenburg kamen die Traktate zwar noch nicht – dafür aber lebendige Zeugen in Form von Familie H. und nun auch Philipp, Maike, Markus und Verena. Im September machten sie eine neue Mitarbeiterin des Esra-Trainings auf die Bibelgemeinde aufmerksam: Kathrin S. Sie war gerade erst am Köriser See angekommen, um dort Mentorin der Frauen im neuen Esra-Jahrgang zu sein. Eigentlich war sie eine gelernte Krankenschwester aus der Schwäbischen Alb, zwischen Stuttgart und Ulm. 2007/2008 hatte sie allerdings das Vorrecht, einige Monate im amerikanischen Lafayette, Indiana, in biblischer Seelsorge geschult zu werden. Dieses war einer der Gründe, warum Matt sie fragte, ob sie die Esranerinnen betreuen und anleiten wollte. Das Esra-Training kannte sie bereits selbst sehr gut, gehörte doch auch sie zu den Teilnehmerinnen des ersten Jahrgangs in Dahmen, 2003/2004. Die 24-jährige erzählt: „Ich kam zum Esra-Training, weil ich schon ganz lange Kontakt zu WDL in Starnberg hatte und auf einer Freizeit schon früh davon gehört habe, dass ein solches Projekt starten sollte. Hinzu kam, dass ich schon immer gerne auf eine Bibelschule gegangen wäre. Aber keine drei Jahre – eher ein Jahr und mit einem Schwerpunkt auf Jüngerschaft, Mentoring, an die Hand genommen werden. Dies alles erfüllte das Esra-Training und begann auch noch genau in dem Jahr, wo meine Schule zu Ende ging: Das war perfekt. Und dann kam ich dahin und es war das beste Jahr meines Lebens!“
Die Esraner und Esranerinnen sollten sich während der Jüngerschaftsschule für eine Gemeinde in der Umgebung entscheiden, wo sie dann fest hingehen und sich nach Möglichkeit auch einbringen konnten. Natürlich war der kleine Ort in Mecklenburg-Vorpommern viel zu weit weg, um regelmäßig nach Berlin zu kommen, wie schon Matt und Petra erzählten. Dennoch war Kathrin schon 2004 das erste Mal in einem Gottesdienst der BiGeBe: „Während des Jahres hatte ich viel Kontakt zu Familie H. und habe von ihnen auch von der Bibelgemeinde in Berlin gehört. Ich wollte gerne einmal mitkommen, was sich im Frühjahr dann erfüllte. An viele Leute kann ich mich nicht mehr erinnern. Aber ich fand es gut, dass man bei der Predigt ein kleines Handout bekommen hat und mir hat auch gefallen, was für eine Auswahl an guter Lehre ich auf dem Büchertisch liegen sah.“ Nach dem unter anderem für ihr Verständnis von Gemeinde und biblischer Ältestenschaft prägenden Esra-Jahr, verbrachte Kathrin die nächsten vier Jahre teils in ihrer schwäbischen Heimat, teils in den USA. Während dieser Zeit war sie mit Petra H. in Kontakt geblieben – schließlich war es aber ihr Mann Matt, der Kathrin eines Tages am anderen Ende der Leitung erwartete und die junge Frau erfolgreich für die Mentorenaufgabe des Jüngerschaftstrainings warb.
„Als ich dann an den Köriser See kam, war ganz klar, dass die BiGeBe in die engere Auswahl der Gemeinden kam, von denen ich mich einer anschließen wollte. Eigentlich wollte ich auch viele andere Gemeinden kennen lernen und gut prüfen, wo ich hingehe. Aber dies war dann aufgrund meines vollzeitlichen Dienstes und der weiten Entfernung nach Berlin nicht so einfach möglich und außerdem wollte ich nicht so lange ohne Gemeinde sein. Also kam ich schon recht bald regelmäßig zur Bibelgemeinde“, erzählt Kathrin von ihrem Weg zur BiGeBe. Die Entscheidungen von Sommers, Markus, Verena und nun auch Kathrin waren auch für Familie H. ein Grund zur Dankbarkeit, wie Matt bekundet: „Ich freue mich sehr, dass viele von unseren Mitarbeitern sich entschieden haben, in die Bibelgemeinde zu kommen.“
Für Kathrin bestätigte sich die Gemeindewahl in der Folgezeit: „Am Anfang sagte ich mir bloß: ‚Die Lehre ist gut – da komme ich wieder.’ Und dann später sah ich auch mehr und mehr die gute Gemeinschaft: Vor allem begeisterten mich die Gebetsstunden, zu denen fast die ganze Gemeinde zusammenkommt und für die Anliegen der ganzen Gemeinde betet. Auch ich selbst erfuhr die Gemeinschaft, als mich schon Ende September Kathrin Seilz zu ihrer Hochzeit einlud und Bea mich kurze Zeit später fragte, ob ich mir vorstellen könnte bei der Feier mitzuhelfen.“
Ja, die erste große Hochzeitsfeier in der Bibelgemeinde warf ihren Schatten voraus. Dieter und Kristjana arbeiteten den Ehevorbereitungskurs mit Martin S. und Kathrin S. gründlich durch und ermutigten sie auch, zu heiraten und die Verlobungszeit nicht zu lange dauern zu lassen. Dieter erklärt: „Wir haben schon eine gewisse Reife als wichtig gesehen, aber auch gesagt, dass sie genauso gemeinsam lernen und wachsen können – zu heiraten ist besser als zu brennen. Wir haben ihnen aber auch deutlich gesagt: ‚Eure Ehe ist zum Scheitern verurteilt, wenn ihr nicht im Gemeindeumfeld seid… genauso natürlich unsere!’“
Doch nicht nur die Ehe musste gut vorbereitet werden, auch Trauung und anschließende Feier wollten organisiert werden. Dafür war vor allem Kathrins Trauzeugin Bea zuständig. Warum? Ganz einfach: sie kam aus der Schweiz… „Da ich noch keine deutschen Hochzeiten kannte, habe ich Martin und Kathrin einfach gesagt, wie es in der Schweiz gemacht wird – und in der Schweiz organisieren vor allem die Trauzeugen“, erzählt die für diese Aufgabe prädestinierte Bea. Bei aller Mühe, wurde sie aber auch durch die Unterstützung der Geschwister ermutigt: „Wir haben viel gemacht, aber es haben auch ganz viele geholfen. Für uns war das toll zu sehen, wie jeder angepackt und seine Aufgaben umgesetzt hat.“ Pascal pflichtet ihr bei: „Ja, das war super. Es war das erste Mal, dass wir so etwas in der Gemeinde gemacht haben, aber man konnte sich auf alle verlassen!“
Trauung und Feier fanden in den Räumlichkeiten an der Wustrower Straße statt, die die russlanddeutschen Geschwister der Bibelgemeinde auch für solche Veranstaltungen gerne zur Verfügung stellten. In der Zwischenzeit gab es einen kleinen Ausflug mit der Hochzeitsgesellschaft an den Weißensee, damit die Gäste reden und spazieren könnten und Hochzeitsfotograf Alex ein paar Bilder vom Brautpaar schießen konnte, während in der Bibelgemeinde von den Helfern fleißig umgebaut, dekoriert und das Abendessen vorbereitet wurde. Dieser Ablauf mit Ausflug bewährte sich auch für folgende Hochzeiten in der BiGeBe.
Als Gäste waren Martins und Kathrins Verwandtschaft sowie die gesamte Gemeinde dabei. Die meisten kannten das junge Ehepaar nun seit mehreren Jahren und hatten auch einiges von ihrer beachtlichen Entwicklung mitgekriegt. Wie schön es in Anbetracht ihrer Vergangenheit war, zu sehen, dass die beiden nun auf eine Ehe nach Gottes Willen zugingen. Natürlich können Ehevorbereitungskurs und Gemeinschaft in der Gemeinde niemals garantieren, dass diese Beziehung gelingt und zum Segen für die beiden und ihre Umfelder wird. Was aber Grund zur Zuversicht gibt, ist die Entwicklung der vergangenen Jahre und die Einstellung und Lernbereitschaft der Gegenwart.
Glücklich über den unvergesslichen Tag und vor allem über das, was er mit sich brachte, sagt Martin heute: „Das allerschönste war, dass wir am Ende nachhause gehen durften und Keiner hat etwas gesagt. In der Verlobungszeit hat mich am meisten genervt, dass das nicht ging – jetzt aber waren wir zu zweit und das ist doch schön, wenn man nicht mehr alleine ist.“
Wie lange Martin und Kathrin, die seither von ihren BiGeBe-Geschwistern liebevoll S. genannt werden, wirklich alleine sein würden, oder wann sich ein dritter S. im Nest breit machen würde, war zu diesem Zeitpunkt noch unklar. Zwei andere Frauen konnten aber auf den Hochzeitsfotos ihre dicken Bäuche längst nicht mehr verbergen: Lois G. erwartete ihr elftes Kind und Bea ihr drittes. Während es bei Familie G. schon im November soweit war und mit Joel auch dem sechsten Sohn ein „Capital J“[6] zugedacht wurde, erwartete man Beas Niederkunft erst für den kommenden März. Vorzeitige Wehen versetzten aber schon viele Wochen vorher die Geschwister in helle Aufregung und brachten sie dazu, verstärkt für die junge Mutter und ihr drittes Kind zu beten. Der Herr erhörte jene Gebete, und als das Kind Ende Januar im Mutterleib bereits voll entwickelt war, waren alle erleichtert. Am Freitag, wenige Tage später, saß dann plötzlich Dieter statt Pascal im Treffpunkt, um stellvertretend das vierte Kapitel der Sprüche zu unterrichten – der Schweizer wollte schließlich mit dabei sein, als er in dieser Nacht zum dritten Mal Vater wurde. Seiner Linie blieb er auch diesmal treu: Auch das dritte Kind war ein Sohn und erhielt den Namen Dan-Josia. Einige Eltern in der Bibelgemeinde schienen sich die Geschlechter tatsächlich aufgeteilt zu haben: Während Familie G. eine gesunde Mischung und Famiie H. bei ihren drei Jungs immerhin ein Mädchen hatten, hatten sich Familie B. und Familie H. offenbar für Frauenhaushalte entschieden, während Familie G. und Familie W. ihre Aufgabe eher darin sahen, auch für einen Nachwuchs an Predigern zu sorgen.
Pascal selbst diente bereits als ein solcher in der Bibelgemeinde und investierte nun viel in seine Vorbereitung, der Gemeinde bald auch als Ältester vorzustehen. Neben ihm waren in den letzten Jahren auch einige andere junge Männer hinzugekommen, die aber vor allem was die Reife anbetrifft noch einige Jahre vor sich hatten, bevor sie auch für Leitungsaufgaben der Gemeinde in Frage kommen könnten. Dennoch erinnert sich der Leser wahrscheinlich noch an die Worte von Dieter, als dieser im Sinne eines Paulus darauf hinwies, dass die Leitung nicht einem Gemeindeguru obliegen sollte, sondern einer Mehrzahl von biblischen Ältesten, die in Sachen Charakter und Lehrfähigkeit den Kriterien entsprechen, die in 1. Timotheus 3 und Titus 1 genannt werden. Wie es ein Anliegen ist, dass ein jeder Bibelgemeindler in seinem Charakter dem seines Herrn mehr und mehr ähnlich wird, so sollten auch diese Männer sich erst einmal bewähren und auf ihre Begabung in Leitungs- und Lehrdiensten geprüft werden, wie Paulus und Jakobus mahnen: „Die Hände lege niemand schnell auf, und habe nicht teil an fremden Sünden! Bewahre dich selbst rein!“[7] „Werdet nicht viele Lehrer, meine Brüder, da ihr wisst, dass wir ein schwereres Urteil empfangen werden! Denn wir alle straucheln oft.“[8]
Auf der anderen Seite zeigt Paulus Timotheus an anderer Stelle auf, dass der Staffelstab auch weiter gereicht werden muss: „Du nun, mein Kind, sei stark in der Gnade, die in Christus Jesus ist; und was du von mir in Gegenwart vieler Zeugen gehört hast, das vertraue treuen Menschen an, die tüchtig sein werden, auch andere zu lehren!“[9] Allein in diesen Versen sehen wir, wie das Wort Gottes über vier Generationen seit Jesus Christus, der selbst zu Paulus gesprochen hat, weitergegeben wurde. Und damit sollte es nicht enden, sondern vielmehr nach demselben Prinzip immer wieder treuen Männern anvertraut werden. Wie einst Israel die „Aussprüche Gottes“ anvertraut wurden[10], so nun den Verkündigern der Gemeinde. John MacArthur sagte dazu in einer Predigt: „Ich sage es noch einmal, ich habe es immer wieder in dieser Serie gesagt: Die vorrangige Funktion eines Mannes Gottes ist es, das Wort rein zu halten und es in Seiner Reinheit an die nächste Generation weiter zu reichen; darum geht es… Das ist auch der Kern des Grundes für ein Predigerseminar. Wir haben hier mit dem Master’s Seminary keine Ausbildungsstätte aus einer Laune heraus, zum Spaß, oder weil es einfach eine schöne Idee ist: Wir glauben vielmehr, dass Gott uns beauftragt hat, die Wahrheit an die nächste Generation weiter zu geben und gottesfürchtige Leiter zuzurüsten. Wenn die Gemeinde schwach ist, ist sie es, weil ihre Leiter schwach sind – wenn sie stark sein will, muss sie starke Leiter haben. Wo werden wir solche starken Leiter herbekommen? Wir müssen sie aufbauen. Wir können diese Aufgabe nicht irgendjemand anderem überlassen, ich kann sie nicht irgendjemand anderem überlassen, ich muss alles dafür tun, was in meiner Macht steht!“
Dieser Verantwortung sehen sich auch die Ältesten der Bibelgemeinde Berlin verpflichtet, um weiterhin ihr Anliegen zu verfolgen, in diesem gottlosen Bezirk, dieser gottlosen Stadt, diesem gottlosen Land, dieser gottlosen Welt das groß zu machen, was wirklich wahr und verlässlich ist: Das Wort des ewigen Gottes!
[1] Vgl. 2. Timotheus 3,1-5
[2] Vgl. Matthäus 5,13-16
[3] Bibelgemeinde Berlin Jüngerschaftsschule
[4] Anmerkung: das sind jene Vorträge, die für die Ehefrauen der Studenten am Master’s Seminary angeboten werden
[5] Rundfunksendung von John MacArthur, die in einem Großteil der Welt übertragen wird, um durch seine Schriftauslegung vielen Menschen zum Segen zu sein; ursprünglich begann „Grace To You“ als ein kleiner Dienst in der Grace Community Church, der die Predigten des Gemeindehirten auf Kassetten aufzeichnete, damit auch abwesende Gemeindeglieder sie hören könnten.
[6] Englisch für „großer Anfangsbuchstabe J“
[7] 1. Timotheus 5,22
[8] Jakobus 3,1-2a
[9] 2. Timotheus 2,1-2
[10] Römer 3,2
E s tönen Klagen, kommen Fragen, doch mit Gott können wir es wagen
Das Jahr 2009 startete für die Geschwister der Bibelgemeinde mit einer Hiobsbotschaft, die einschlug wie eine Bombe: Familie Green würde die bundesdeutsche Hauptstadt und mit ihr die BiGeBe schon bald gen Amerika verlassen.
So plötzlich wie diese Nachricht auch kam – die meisten hatten schon seit vielen Jahren immer wieder um den Verbleib der so lieb gewonnenen Familie gebangt und gebetet. Nach kurzer Zeit in Deutschland haben Cary und Lois bereits die Entscheidung getroffen, ihre Kinder aus der Schule zu nehmen – obwohl in Deutschland Schulpflicht besteht. Gründe dafür hatten sie schon allein deswegen, weil Lois in den Vereinigten Staaten extra dazu ausgebildet wurde, ihre Kinder zuhause zu unterrichten – dort ist dies erlaubt, wovon auch viele Eltern Gebrauch machen. Hinzu kam, dass die Greens schon schnell feststellten, welch gottlosen Einflüssen ihre Kinder in der Schule ausgesetzt sind und wie schwer es ist, diesem bei so vielen Kindern entgegenzuwirken. Schließlich wäre es rein praktisch kaum denkbar gewesen, dafür zu sorgen, dass all ihre Kinder Tag für Tag zur Schule und wieder nachhause kommen – zu unterschiedlichen Zeiten versteht sich, ganz zu schweigen von Nachmittagsveranstaltungen, Ausflügen, Elternabenden, und so weiter. Ihr Missionsland schien nicht für größere Familien ausgelegt zu sein…
Dennoch wären sie natürlich auch nicht bereit, wegen persönlicher Erschwernisse, gegen den Willen der Regierung zu verstoßen – schließlich gebietet die Bibel Kindern Gottes, sich unter die Regierung unterzuordnen, ist sie doch „Gottes Dienerin, [uns] zum Guten“[1]. So entschloss sich das amerikanische Ehepaar, auf die Aufrufe, ihre Kinder zur Schule zu schicken, mit Briefen und Gesprächen zu begegnen, in denen sie erbaten, ihre Kinder zuhause unterrichten zu dürfen. Preis dem Herrn, dass Er ihnen diese Gnade in Seiner Souveränität viele Jahre gewährte, sodass sie trotz Homeschooling still geduldet wurden.
Dieter erinnert sich, dass sie bei allem Hoffen und Bangen einen Abschied über kurz oder lang aber erwarteten: „Für mich war es eher eine Frage der Zeit, wann die Greens nach Amerika zurückgegangen wären. Wir hätten sie gerne noch etwas länger gehabt, aber Gottes Plan sah ihr Gehen für diesen Zeitpunkt vor.“ „Dieser Zeitpunkt“ war am 8. Januar 2009 gekommen, wie Cary berichtet: „Ich wurde zu einem Treffen mit dem Berliner Senat geladen, wo eine Frau mir sehr bestimmt sagte, dass in den vergangenen Jahren Fehler gemacht worden sind, aber dass die Gesetze kein Homeschooling erlauben würden. Dann sagte sie: ‚Herr Green, sie haben nun drei Möglichkeiten. Erstens, sie schicken ihre Kinder unverzüglich in die Schule. Zweitens sie klagen, aber das hätte keine Aussicht auf Erfolg und würde sehr ärgerlich für sie werden. Oder drittens, sie verlassen in den nächsten Monaten das Land.’“
Was die erste Möglichkeit betraf, erschien es den Greens aus den oben genannten Gründen unmöglich, ihre Kinder alle in die Schule zu schicken. Die zweite Möglichkeit kam ebenso wenig in Frage: Schließlich wollten sie keine Lanze für das Homeschooling brechen, wie Dieter erklärt: „Wir sehen uns nicht als Pioniere, die für Homeschooling kämpfen.“ Auch Cary hatte dies nie im Sinn, wie Pascal bestätigt: „Für Cary war es eine Gewissensfrage, seine Kinder, nach allem was er wusste, nicht in die Schule zu schicken. Aber er hat das nie von der Kanzel gepredigt, geschweige denn anderen aufgetragen.“ So blieb nur noch drittens, das Land zu verlassen. Als Cary der Gemeinde die Entscheidung mitteilte, viel es ihm sichtlich schwer: „Wir lieben den Dienst und euch so sehr. Es tut uns weh, dass wir gehen müssen. Aber bedenkt, dass Gott dahinter steht. Es gibt kein menschliches Versagen, was seine Pläne behindern kann – Gott hat alles unter Kontrolle.“ Während schon viele Tränen über die Wangen seiner Geschwister liefen, ermutigte er sie: „Lasst uns uns freuen, in allen Dingen, lasst uns beten und lasst uns dankbar sein. In allem!“ Diesem Wunsch versuchten die Bibelgemeindler schließlich auch nachzukommen: „Wir haben Greens geliebt und hätten sie so gerne behalten; es war für uns alle ein Schock“, erzählt Pascal, fährt dann aber fort, „aber auf der anderen Seite hat der Großteil der Gemeinde es als Führung Gottes akzeptiert und die meisten konnten Greens Entscheidung gut verstehen. Das ist sehr wichtig, dass die Gemeinde bei so etwas dahinter steht.“
Pascal selbst war schließlich auch einer der Gründe, der dafür sorgte, dass die BiGeBeler sehen konnten, dass Carys Weggang tragbar wäre: Schließlich bereitete er sich auf das Ältestenamt vor, in welches er im September desselben Jahres eingesetzt werden sollte. Trotz ihrem Abschied am 7. April, blieb Cary bis dahin im Amt, um Dieter zumindest aus der Ferne als Mitältester zur Verfügung zu stehen, um Entscheidungen mit zu treffen und Lasten mit zu tragen. Cary sagte auch: „Wir wären nicht gegangen, wenn die Gemeinde das nicht verkraften könnte. So wissen wir aber, dass die Gemeinde bei Dieter und bald auch Pascal in guten Händen ist. Und außerdem müssen jetzt eben neue Leute in die Lücken springen.“ Dieter bestätigt seinen langjährigen Freund und Bruder in Christus: „Wir waren uns wirklich einig, dass er gehen konnte.
Bis zum Abschied im April blieben nun aber noch ungefähr zweieinhalb Monate, um die Arbeit in der Gemeinde auf andere Schultern zu verteilen und den großen Umzug vorzubereiten. Obwohl die Gemeinde schon zahlreiche Umzüge erlebt hatte, bei denen viele fleißig angepackt hatten, lernten die Geschwister nun erst richtig kennen, welche Dimensionen ein Umzug wirklich haben kann: Mit seinen größeren Söhnen verpackte Cary, der über Erfahrungen als Möbelpacker verfügte, allerlei Schränke, Tische, Regale, Betten, und so weiter. Lois packte und registrierte die mehreren hundert Kisten von Anziehsachen und Schulmaterial über Carys Bibliothek bis hin zu Küchengeräten und Weihnachtsdeko. Schließlich wurde alles von zahlreichen Helfern in einen riesigen Container gepackt und auf die lange Reise nach Washington geschickt, wo Cary zunächst mit seiner Familie hingehen wollte, ehe sie entscheiden würden, wie es mit ihnen weitergehen sollte.
Obschon viele in der Bibelgemeinde an den Vorbereitungen für den Umzug beteiligt waren und andere sich schon um würdige Abschiedsgeschenke für die so hoch geschätzte Familie bemühten, ging natürlich auch das übrige Gemeindeleben weiter: Dieter lehrte weiter über das letzte Kapitel des ersten Thessalonicherbriefes, Pascal war beim ersten Johannesbrief mittlerweile im vierten Kapitel angelangt und Cary legte die Bedeutung der Zehn Gebote aus. Freitags hatte Pascals Jahresprojekt begonnen, die 31 Kapitel der Sprüche zu unterrichten und mittwochs ging er mit der Gemeinde durch den Kurs „Training im Christentum“. Sonntagmorgens durfte unter anderem erstmals Paul die Gemeinde belehren: Er gebrauchte sein großes Wissen über verschiedene Sekten und klärte die Geschwister über Geschichte, Lehrmeinungen und Schriften der Zeugen Jehovas sowie der Mormonen auf, die auch in Berlin sehr präsent sind und gerade für Junggläubigen eine potentielle Gefahr darstellen.
Drei von jenen, die jung im Glauben waren, entschieden sich übrigens Anfang des Jahres dafür, sich auf ihren Glauben an den Sohn Gottes taufen zu lassen: Das waren zum einen Walter und seine Tochter Nadja, sowie Boudreau G., den sein Vater noch vor ihrer Abreise, am 15. Februar, im Taufbecken der Evangeliumschristengemeinde in Hellersdorf taufen durfte. Zu den Täuflingen zählten auch zwei weitere Berliner, die seit mehreren Monaten treu in die Gemeinde kamen und voller Hingabe von Jesus Christus sprachen, den sie als Herrn bezeugten. Kurze Zeit nach der Taufe blieben sie allerdings der Gemeinde fern und zeigten sich nicht mehr gesprächsbereit, sodass hier davon abgesehen wird, ihre Namen zu nennen. Mögen sie an anderem Ort ihr Leben in den Dienst des Herrn stellen!
Stattdessen sah man aber seit Januar zwei andere Gesichter regelmäßig in der Bibelgemeinde, von denen mindestens eines schon vielen bekannt war: Die Rede ist von Sam J. und seiner Frau Miri. Im Dezember 2008 hatten beide den Schwarzwald verlassen, wo Sam – wir erinnern uns – Theologie studiert hatte. Verantwortlich war dafür mal wieder Matt, der fleißig Ausschau nach Unterstützung für das Esra-Training am Köriser See hielt. „Da kamen wir dann ab Januar hin, um etwas zu helfen. Allerdings planten wir, im April nach Amerika zu gehen, wo ich in der Faith Baptist Church in Lafayette, Indiana als Praktikant dienen und den in den Gemeindealltag integrierten Masterstudiengang in biblischer Seelsorge machen wollte“, erzählt Sam von den Zukunftsplänen des jungen Ehepaars. Was die Gemeindewahl für diese Übergangszeit anbetrifft, mussten sie nicht lange überlegen: „Es war für uns klar, dass wir in die Bibelgemeinde kommen würden, weil wir diese Gemeinde schon kannten und es uns so den Einstieg sehr erleichterte.“ In den folgenden Wochen und Monaten bemühten sich die beiden aber vergeblich um ein Visum für die Vereinigten Staaten. So „wurde es schließlich August – und uns war klar, dass wir nicht gehen konnten“, fasst Sam zusammen, was in den nächsten Monaten passierte und wie es ihre Pläne umschmiss. Bedauerte man in der Bibelgemeinde auf der einen Seite ernsthaft, dass Sam seinen Wunsch nicht realisieren konnte, so gab doch andererseits der ein oder andere scherzhaft zu: „Nun haben wir erfolgreich dagegen gebetet, dass ihr uns wieder verlasst.“ Gerade in anbetracht des Weggangs von Greens waren die beiden J.s für die BiGeBe von großem Wert. Nach Abschluss des Esra-Jahrgangs im September verließen Sam und Miri also wieder WDL am Köriser See – aber nicht Richtung Lafayette, sondern nach Berlin-Hohenschönhausen: Im Oktober zogen sie ganz in die Nähe von Familie G., Familie S., Daniel, Thomas, Juliane, Maria und Ursula. Auch zu Langes, Familie H. und Paul war es nicht sehr weit. In diesem Kontext bekommt das Ziel „die Bibel in jedes Haus“ eine ganz neue Bedeutung…
Nach diesem Ausblick auf das Jahr 2009 der J.s wollen wir uns aber nun wieder der Gemeindegeschichte Anfang des Jahres zuwenden. Neben allen traurigen Gedanken an den Weggang der Greens, gab es auch Grund zur Freude: Zum einen war da die Verlobung von Markus und Verena am 13. März, die gleichzeitig Vorbote einer weiteren Hochzeit zweier BiGeBeler war.
Zum anderen hatte ein Paar derweil seine Verlobungszeit schon fast hinter sich, ehe sie sich am 3. April das „Ja-Wort“ gaben. Mario und Katrin J., von denen hier die Rede ist, müssen aber erst noch richtig vorgestellt werden: Mario ist gelernter Bankkaufmann, war 2005/2006 Teilnehmer des Esra-Trainings und verbrachte die Zeit danach in Wismar an der Ostsee, wo er auch vor dem Jüngerschaftsjahr schon gelebt und sich in einem Gemeindegründungsprojekt eingebracht hatte. Auch Katrin absolvierte das Esra-Training – allerdings erst in diesem Jahr (2008/2009) – und lernte auf diese Weise auch die BiGeBe kennen, da diese zu den Gemeinden zählte, denen sich die Esraner während des Jüngerschaftsjahres anschließen konnten. Die 29-jährige, die mit Michelle (10 Jahre) und Lara (6) bereits zwei Kinder mit in die Ehe brachte, hatte 2006 von ihren Nachbarn das Evangelium gehört und Buße getan. In ihrer Heimatstadt Dresden besuchte sie eine Gemeinde und profitierte besonders von einer „engen Zweierschaft mit der Frau des Ältesten, die mir die biblischen Grundlagen vermittelte. Die ganze Welt und das ganze Leben veränderte sich schlagartig“, erzählt Katrin von Gottes Wirken in ihrem Leben.
Das Esra-Training sorgte für weitere Veränderungen im Leben der jungen Frau. Zudem bereitete sie sich mit Mario auf ihr gemeinsames Leben vor. Während Katrin nach der Hochzeit noch einige Monate bei WDL vor sich hatte, suchte Mario sich bereits eine Arbeit in der Nähe ihres neuen Wohnortes in Vehlefanz, im Nordwesten von Berlin. Obwohl sie von dort ein ganzes Stück bis Wartenberg zu fahren hatten, blieben sie bei ihrer schon im Januar getroffenen Entscheidung für die BiGeBe und bereicherten seitdem die Gemeinde.
Zwei Tage nach ihrer Hochzeit war es dann an der Zeit, Abschied von Greens zu nehmen. Die letzten Tage verbrachten sie als ganze Familie bereits bei WDL, weil sie ihr Haus in der Eichenstraße schon zum 31. März gekündigt und geräumt hatten. So wurde schließlich auch die Abschiedsfeier am Sonntag darauf am Köriser See abgehalten. Neben den Geschwistern aus der Gemeinde kamen auch viele andere Freunde von Greens, um ihnen noch einmal für ihren großen Dienst in den letzten Jahren zu danken. Obwohl vielen eher nach Weinen zumute war, war es doch auch eine Freude, an diesem Tag zu hören und darüber nachzudenken, was diese Familie so vielen Menschen Gutes getan hatte. Am 7. April hob schließlich der Flieger nach Washington ab, wo die 13-köpfige Familie sicher landete und nach einigen Wochen des Verarbeitens und Prüfens bereit war, eine neue Aufgabe anzunehmen, die der Herr ihnen geben wollte…
Von dieser wird vielleicht einmal in der Chronik der „Everett Bible Church“ zu lesen sein. Die Geschichte der Bibelgemeinde Berlin geht indes schon jetzt weiter – und zwar mit einem neuen Gemeindepraktikanten. Es wurde bereits davon gesprochen, dass der Weggang von Greens einige große Lücken in der Gemeindearbeit hinterlassen würde. Vieles davon traf den verbliebenen Ältesten der Bibelgemeinde, der darum ganz besonders auf den Einsatz seiner Geschwister angewiesen war. Zudem hatte der Herr auch auf anderen Wegen längst vorgesorgt: Anfang April war der Zivildienst von Thomas zu Ende gegangen – bis zum Beginn seines Studiums im Oktober waren es aber noch sechs Monate. Cary selbst hatte ihm schon im Herbst 2008 empfohlen, die Zeit für ein Gemeindepraktikum zu nutzen und war damit auf offene Ohren gestoßen – auch wenn zu diesem Zeitpunkt nur der Herr wusste, wie hilfreich dieser Rat noch sein würde.
Neben einigen organisatorischen Aufgaben und praktischen Hilfsdiensten, wurde Thomas z.B. mit der Erstellung eines Ordners beauftragt, der den Sommerteams aus den Vereinigten Staaten einen Überblick über Berlin, seine Bewohner und die Bibelgemeinde geben sollte. Auch führte er in dieser Zeit einige Interviews und erste Schreibarbeiten durch, die die Grundlage für dieses Buch bilden. Hinzu kam das Vorrecht, via DVD die Inhalte eines Theologie-Semesters des Master’s Seminary zu studieren, was auch seinem Bruder Daniel einige Monate später ermöglicht wurde. Ein großer Teil des Dienstes bestand allerdings in der Treffpunktarbeit, wo Thomas von April bis September viele Nachmittage zubrachte.
Während dieser Zeit, im Mai 2009 kam auch Norbert Huber[2] in den Treffpunkt 180. Im Januar dieses Jahres war er von Augsburg nach Berlin gekommen, um dort einen Neuanfang zu machen, nachdem er auf einige schwierige Jahre zurückblickte – einschließlich der Trennung von seiner Frau, die sich von ihm scheiden ließ und so auch dafür sorgte, dass er seine vier Kinder nur noch seltener sehen konnte. Norbert hatte über die Homepage der KfG Gemeinden gesucht und sich auch die eine oder andere angeschaut. „Auch die Seite der Bibelgemeinde habe ich mir durchgelesen und schon einiges gesehen, was ich unterstützen konnte. Aber man kann das Herz einer Gemeinde natürlich nicht so über das Internet ausmachen – dafür muss man schon ein paar Mal dort gewesen sein“, erklärt der 43-jährige in seinem original bayrischen Akzent. Genau das tat er dann auch in den folgenden Wochen und kam schon bald regelmäßig zur Gemeinde, „weil ich glaube, dass ich die Gemeinde jetzt besser kennen gelernt habe. Ich sehe gute und Schattenseiten und weiß auch, dass die Gemeinde im Aufbau ist und sich vieles erst in den nächsten Jahren zeigen wird. Dennoch wollte ich gerne fest Mitglied werden und stellte den Antrag darauf. Daraufhin bin ich schon erstmal richtig durchgecheckt worden, aber das ist ja auch gut so.“
Einen Monat nach Norbert schloss sich auch Maximilian (Max) B. der Berliner Bibelgemeinde an. Durch das Internet hat der der junge Mann aus Frankfurt an der Oder Gott und sein Wort kennen gelernt, wie er nachfolgend kurz erläutert: „Irgendwie hab ich mich allgemein fürs Christentum interessiert und im Internet einiges gelesen. Da bin ich dann auch mal auf eine christliche Seite gekommen, in der in Kurzform das Evangelium erklärt wurde und wo mir mit einem Mal bewusst wurde, dass ich die Hölle verdient habe, aber dass Jesus stellvertretend für mich bezahlt hat. Das war 2005. Im Nachhinein sehe ich, wie wenig ich eigentlich wirklich verstanden habe, aber so ist das ja fast immer… Ich bin dann, als ich zum Studium nach Berlin kam, in eine Gemeinde gegangen und wurde da sehr liebevoll aufgenommen und habe eine tolle Zeit gehabt.“ Ebenfalls über das Internet hörte Max unter anderem Predigten von Paul Washer, von dem er auch erfuhr, dass er Calvinist sei, womit Max zunächst nichts anfangen konnte. Das wollte er aber schnellstens ändern, wie er berichtet: „ich [habe] mich recht intensiv mit dem Thema beschäftigt, bis ich dann irgendwann eingesehen habe, dass die Bibel tatsächlich lehrt, dass Gott derjenige ist, der über die Errettung bestimmt – und nicht der Mensch. Das hat eigentlich mein ganzes Weltbild noch mal zerstört, was aber sehr gesund war. Durch diese Thematik habe ich auch erstmals wirklich verstanden wie man mit der Bibel richtig umgeht und auch was eigentlich das ganze Geheimnis im christlichen Leben ist: Nämlich, dass man allein aus unverdienter und unveränderlicher Gnade lebt, indem man sich immer wieder an das Evangelium erinnert und darüber nachdenkt.“
Leider stieß Max mit seinen neu gewonnenen Einsichten aber eher auf Ablehnung: „Die meisten, mit denen ich über den Calvinismus geredet habe, waren nicht so begeistert. Hinzu kommt, dass ich immer mehr gemerkt habe, wie wenig Wert überhaupt auf Theologie gelegt wird. Irgendwie nahm die Qualität der Predigten auch immer mehr ab und teilweise konnten Leute auf der Kanzel Sachen sagen, die nicht mehr vertretbar waren – nur hat das niemanden wirklich gestört. Als ich dann gemerkt habe, dass ich mich eigentlich fast nur noch ärgere, wenn ich in den Gottesdienst gehe, habe ich mich nach Alternativen umgeschaut.“ Im Internet – wie könnte es anders sein – stieß Max über die Social Community „StudiVZ“ auf Daniel und damit auch auf die Bibelgemeinde. „Da hat mich dann überzeugt, dass man hier an die 5 Punkte des Calvinismus glaubt und in den Predigten die Bibel wirklich auslegt.“
Nachdem nun also auch Max im Juni zur BiGeBe gestoßen war, kam der Sommer – und dieser begann mit einer freudigen Nachricht aus Nordamerika: Cary und sein Zwillingsbruder Chris begannen eine neue Gemeindegründungsarbeit in Everett, Washington, die „Everett Bible Church“. In Gottes Vorsehung war sogar die Bibelgemeinde in Person von Maria live dabei, als der erste Gottesdienst im großen Garten von Chris Green stattfand: Bei ihrem Sommerurlaub in den Vereinigten Staaten wurde ihr das Vorrecht zuteil, Greens in ihrem neuen Zuhause zu besuchen und ihr neues Dienstfeld kennen zu lernen. Schon wenige Wochen später sollten auch Dieter und Kristjana folgen, die Unterstützer und Freunde in Kanada und den USA besuchten: Mit eine Unterstützerin und ihrer jüngsten Tochter Laura, die erst nach der Missionsarbeit im Yukon der Familie geboren wurde, unternahmen sie die große Reise, auf der sie dann auch bei Greens vorbeischauten. Kurz vor der Abreise hatte Dieter aber noch die große Freude, in der Bibelgemeinde zwei junge Menschen zu taufen, die schon länger mit dem Herrn gingen: Philipp S. und Verena M.. Diese Taufe am 11. Juli 2009 war zudem die erste im schönen Köriser See, bei Wort des Lebens – nachdem bisher immer das Wasser im Malchower See oder das Taufbecken in Hellersdorf genutzt worden war.
Während Borchmanns dann drei Wochen in Nordamerika unterwegs waren, empfingen die übrigen Bibelgemeindler ein Team von eben dort: Die Grace Community Church schickte wieder einige Geschwister zur Gemeindegründungsarbeit in Berlin. In diesem Jahr sah das Programm aber etwas anders aus – es wurden nicht so viele Traktate verteilt, dafür aber verstärkt praktische Hilfeleistungen, zum Beispiel bei Wort des Lebens, erbracht. Der Höhepunkt ihres Einsatzes war aber zweifelsohne das Treffpunktfest am 1. August: Unter anderem gab es landestypische Leckereien, im Stile der Herkunftsorte einzelner Bibelgemeindler und natürlich des Besuches aus Amerika, der für die Hot Dogs sorgte. Diese konnten Besucher übrigens gratis bekommen, wenn sie an einem Quiz auf Englisch teilnahmen, mit denen Leute aus dem Team und der BiGeBe durch den Warnitzer Bogen zogen. Das Ziel war es, die Menschen in der Umgebung auf den Treffpunkt und sein Anliegen aufmerksam zu machen, neue Kontakte zu knüpfen und Gespräche über 180°-Wendungen zu führen. Kathrin S. erinnert sich gerne an dieses Fest zurück: „Das Treffpunktfest war toll! Am lustigsten war es, als Dan-Josia geschminkt wurde – und Erna… es war ganz schön voll hier, viele unbekannte Leute, Kinder, Luftballons, Musik,…“
Nicht als Ergebnis des Treffpunktfestes, aber dennoch nur drei Wochen später, durften die BiGeBeler Carola S. mit ihrem 9-jährigen Sohn Eric zum ersten Mal in der Gemeinde begrüßen – dabei wollte sie eigentlich gar nicht so richtig: „Ich war auf der Suche nach einer Gemeinde in der Wohngegend und mit Kindern und stieß auf die Homepage der Evangeliumschristengemeinde Wartenberg. Sie schrieben auf ihrer Seite auch von einem Gottesdienst in deutscher Sprache um 10 Uhr 30, zu dem ich dann eines Sonntags mal hingehen wollte. Erst stand ich noch etwas zögerlich am Eingang, aber dann saß Eric schon auf der Schaukel und sah die anderen Kinder – jetzt konnte auch ich nicht mehr weg und ging dann eben doch hinein.“
Allerdings fühlte Carola sich zunächst auch drinnen nicht wohler, wie sie zu erzählen fortfährt: „Ich habe gedacht ich bin hier fehl am Platz, weil ich nicht so sein kann wie sie. Ich hatte das Gefühl, dass alle so heilig sind und ich nicht so heilig sein kann… Aber dann kamen welche auf mich zu und redeten mich mit ‚Du’ an – das verwirrte mich erstmal, weil wir uns ja in meiner alten Gemeinde immer mit ‚Sie’ ansprachen.“ In den nächsten Wochen ging sie dann auch wieder in die Gottesdienste jener „alten Gemeinde“, nahm aber gleichzeitig an den 128-Abenden in der BiGeBe teil, bei denen seit einigen Monaten immer die Sonntagspredigt vertieft wurde: Viele Geschwister konnten Fragen loswerden, die ihnen im Gottesdienst gekommen waren und den ausgelegten Text so besser verstehen und persönliche Anwendungen daraus ziehen. Carola bemerkte bei diesen Gebetsstunden und Predigtnachgesprächen, dass in der Bibelgemeinde anders mit Gottes Wort umgegangen wurde, als sie es kannte: „Bei uns hieß es immer: ‚Was sagt dir der Text?’ Hier in der Bibelgemeinde lernte ich, dass das Reininterpretieren ist. Wir beschäftigten uns in der Predigtvertiefung unter anderem mit Titus 2; diese Abende halfen mir, mich dafür zu entscheiden, aus der Bibel für mein Leben zu lernen und dazu in die Bibelgemeinde zu kommen.“ Seitdem war Carola nicht mehr nur mittwochs, sondern auch sonntags in der Gemeinde zu sehen – „und“, wie sie schmunzelnd anmerkt, „auf Beas Drängen bald auch dienstags beim Mutter-Kind-Kreis.“
Ihr Herzenswunsch, Gottes Wort kennen und verstehen zu lernen, ist erstaunlich und führt einmal mehr zum Lobpreis Gottes über Seine verändernde Macht im Leben sündiger Menschen – insbesondere wenn man bedenkt, wo Carola herkommt. In einem ungläubigen Elternhaus in Berlin-Tempelhof aufgewachsen, lebte sie lange ohne Gott: „Ein Jahr vor meiner Konfirmation hatte ich Christenlehre in einer Gemeinde in unserer Wohngegend. In dieser Zeit empfand ich eine Liebe, die ich noch nie erlebt habe. Die Sehnsucht nach dieser Liebe blieb in mir: Ich suchte sie bei meinen Eltern, aber fand sie dort nicht; auch in partnerschaftlichen Beziehungen suchte ich danach, aber die Sünde war stärker und ich wurde enttäuscht und enttäuschte auch selbst. In der Zwischenzeit bekam ich zwei Kinder, die ich auch nicht im christlichen Glauben erzog.“ Nach der Trennung von ihrem letzten Partner, flüchtete Carola sich in die Esoterik, da das Mystische sie faszinierte. Doch gerade auf diesem Weg wollte der Herr in ihr Leben eingreifen: „Irgendwann hatte ich eigentlich ‚Esoterik’ im Internet in die Suchmaschine eingegeben, aber auf der ersten Seite stand dann direkt ein Link zu einer Website, wo Gläubige berichteten, wie sie von der Lichtarbeit und Esoterik ausgestiegen und zum Glauben an Jesus Christus gekommen sind… Zuerst sagte ich mir, dass das alles Humbug sei und ich es eh nicht glaube – aber als ich dann später noch mal auf diese Seite kam, habe ich es verstanden und geweint und mich an den Webmaster gewendet.“
Dieser meldete sich dann auch und lud sie zu einer Gemeinde ein, wo Carola zunächst einige Themenabende besuchte und dann auch regelmäßig die Gottesdienste besuchte. „Als mir die Augen geöffnet wurden, habe ich nur gedacht: ‚Ich muss jetzt sterben’: ich erkannte meine Sünden, die Worte durchdrangen mein Herz. Kurz danach bekannte ich meine Sünden und bat Jesus in mein Leben.“ Und nun, ein Jahr später, am 23. August 2009, landete Carola in der Bibelgemeinde, unweit von ihrer Wohnung im Neubaugebiet Zingster Straße, westlich vom S-Bahnhof Wartenberg und dem gleichnamigen Neubaugebiet.
Carola wusste nicht mehr genau, an welchem Sonntag sie das erste Mal in der Bibelgemeinde war, aber sie erinnerte sich noch, dass an diesem Tag Thomas nach vorne ging und seine Freundschaft mit Kathrin St. bekannt gab. Während sie als Neuling damit sowieso noch nicht so viel anfangen konnte, war es auch für den einen oder anderen Bibelgemeindler eine Überraschung. Auf der anderen Seite wurde ja auch schon davon berichtet, wie die biblische Lehre über Ehe und Familie und das gelebte Vorbild der Geschwister als Ehepaare, Väter und Mütter auch Unverheiratete ermutigte, sich mit diesen Institutionen Gottes auseinanderzusetzen. Während Thomas und Kathrin sich schließlich am 5. Dezember verlobten und sich seitdem gezielt auf die Ehe vorbereiteten, waren Klaus und Nadja schon ein Stück weiter: Sie lernten sich bereits seit mehreren Monaten kennen, ehe sie sich am 9. September verlobten…
… vier Tage nachdem Daniel und Juliane in der Bibelgemeinde getraut wurden. Zu diesem Tag war neben der Verwandtschaft und den Geschwistern aus der Gemeinde auch hoher Besuch aus Amerika eingeflogen: Cary und Lois kamen mit ihrem jüngsten Sohn Joel nach Berlin. Dies war schon lange geplant, da die beiden Daniel und Juliane durch viele persönliche Gespräche gut kannten und auch einen großen Teil des Ehevorbereitungskurses mit ihnen gemacht hatten. Als Cary die Trauung vornahm, erläuterte er noch mal etwas scherzhaft, wie es überhaupt so weit kommen konnte: „Als wir Daniel und Juliane kennen gelernt haben, haben Dieter und ich und auch viele andere Leute, unabhängig voneinander gedacht, dass sie eigentlich perfekt füreinander sind! Dann haben wir Daniel die Ehe ein bisschen schmackhaft gemacht, indem wir von unseren Beziehungen schwärmten: wie viel Freude eine Ehe ist und wie viel unsere Frauen uns bedeuten. Ehrlich gesagt glaube ich persönlich, dass er absolut keine Chance gehabt hat – wenn man mit zwei sehr glücklich verheirateten Männern eng in einer Gemeindegründung zusammenarbeitet!“
Nun wurden also auch Daniel und Juliane durch Gottes Gnade zu so einem Ehepaar, an dem andere sehen konnten, was für eine wunderbare Zweisamkeit zwischen Mann und Frau Gott geschaffen hatte. Daniel selbst gibt Zeugnis davon, dass die Belehrung der Ältesten dabei einen maßgeblichen Anteil hatte: „Die Ehevorbereitung ist das eigentliche Fundament dieser guten Beziehung, wie wir sie jetzt genießen dürfen.“
Aber Greens waren nicht nur zur Hochzeit gekommen: Auch war es an der Zeit, dass die Bibelgemeinde einen neuen Ältesten bekommen sollte. Pascals intensive Vorbereitung auf diesen Dienst, von der bereits einiges geschrieben wurde, war für die Geschwister der Gemeinde sehr wichtig: „Das Pascal sich vorbereiten musste war doch logisch. Wenn jemand die Gemeinde leiten will, muss er neben seinen charakterlichen Qualifikationen auch sonst gut zubereitet sein“, spielt Alex auf die verschiedenen Aufgaben an, die Pascal zu erfüllen hatte. Schwerpunkte dabei waren die drei genannten Bereiche Bibelkunde, Theologie und praktische Theologie, die dann auch in einer dreistündigen Prüfung mit Dieter und Cary, sowie einer exemplarischen Befragung vor der Gemeinde getestet wurden. Von diesen Ereignissen erzählt Pascal selbst: „Es war schon eine echte Prüfung, aber es wurde nicht benotet sondern ging vor allem um eine Bestätigung, dass dieser Mann fähig ist, Gemeinde zu leiten. Man hat ja den Mann schon so weit gebracht, dass er es schaffen wird – weil wenn er überhaupt für die Prüfung ausersehen wird, dann weiß man, dass er sich da gut drauf vorbereitet.“ So war es dann auch bei dem dreifachen Vater aus der Schweiz, der schließlich im großen Festgottesdienst am 13. September in der Gemeinde unter Handauflegung von Cary und Dieter als Ältester eingesetzt wurde. Dieter erklärt, warum diese Ordination zu einem großen Ereignis wurde: „Wir wollen dem Ältestendienst eine bestimmte Würde zukommen lassen, den Platz, den die Schrift ihm gibt. Dieses Amt ist sowichtig – da muss man den Ältestenanwärter unbedingt genau kennen und gründlich prüfen!“
Seine erste Amtshandlung durfte der neue Hirte der Bibelgemeinde auch sogleich ausführen, denn an diesem Tag gab es neben der Einsetzung von Pascal auch die Aussendung von Cary zu feiern, der nun sein Ältestenamt niederlegte und von der BiGeBe zu seinem neuen Dienst in Washington ausgesandt wurde. Mit großem Dank für seinen hingegebenen Einsatz legten Dieter und Pascal ihm nun die Hände auf und beteten für ihn, seine Familie und ihre Arbeit in der Gemeinde Christi in Everett.
… und sie taten gut daran – schließlich wussten die Ältesten selbst am besten, wie nötig das Gebet für Gemeindearbeit ist!
Viel Zeit war vergangen, seit Christian A., Dieter B. und Cary G. mit dem Gemeindebau in Berlin begannen – und es waren keine leichten Jahre: Wir lasen von Verlust und Frust, Leiden und Abscheiden, Enttäuschungen und Trennungen. Wie mal jemand sagte: „Die Gemeinde ist kein Museum für Heilige, sondern ein Krankenhaus für Sünder“, so erkannten auch die Geschwister der Bibelgemeinde des Öfteren, wie wahr diese Worte sind. Wenngleich unser Herr schon bald all jene Krankenhäuser schließen wird, weil Er uns nicht nur zur Heiligung beruft, sondern sie auch in uns zur Vollkommenheit bringt, so sind wir doch heute noch nicht an diesem Punkt angekommen. Gottes Wille ist unsere Heiligung – das steht außer Frage. Aber wir tun gut daran, uns auch immer wieder vor Augen zu führen, dass wir dieses Ziel zu Lebzeiten nicht erreichen können. Nicht für uns, nicht für unseren Ehepartner, nicht für unsere Kinder, nicht für unsere Gemeinde.
Manches Mal sind wir vielleicht versucht, uns schon auf einer anderen Stufe zu wähnen und uns der Sünde des Stolzes schuldig zu machen. Preis dem Herrn für Sein Wirken in der Geschichte der Christenheit, preis dem Herrn für Sein Wirken in den Gemeinden heute, preis dem Herrn für Sein Wirken in der Bibelgemeinde in den vergangenen acht Jahren! Aber mögen wir auf der Hut sein, nie zu denken „Preis Calvin, Preis MacArthur, Preis Borchmann“! Wie schnell sagen wir mit dem Pharisäer „Gott, ich danke dir, dass ich nicht bin wie die Übrigen der Menschen“[3] und sollten doch vielmehr – über unser tägliches Versagen beschämt – ausrufen: „Gott sei mir, dem Sünder, gnädig!“[4]
Wenn wir auf der anderen Seite an unsere sündige Natur, unsere Schwachheit und unseren Widersacher denken, haben wir schnell den Eindruck, dass wir längst alles hinschmeißen müssten – als einzelner Gläubiger genauso wie als Gemeinde. Im Gegensatz dazu gibt uns die Bibel aber ein anderes Vorbild: Das Gebet zu demjenigen, der über allem hoch erhaben ist. Paulus gibt uns ein klares Zeugnis, wenn er seine Briefe mit Gebet beginnt und seinen Geschwistern verdeutlicht, dass sie mit beiden Füßen auf der Gnade Gottes stehen und gänzlich von ihrem Herrn abhängig sind. Auch Paulus selbst hielt es für nötig, die Gemeinden in Ephesus und Thessalonich am Ende seiner Briefe[5] eindringlich zu ermahnen, für ihn und seine Mitstreiter zu beten. Paulus vertraute eben nicht auf sein Wissen und seine Gaben, noch darauf, dass die von ihm gegründeten Gemeinden von selbst zu solchen würden, die der Berufung Christi würdig wandeln.
Was wohl in den nächsten acht Jahren mit der Bibelgemeinde Berlin passiert? Defizite gibt es schon heute genug und auch an Gefahren für eine Gemeinde mangelt es gewiss nicht. Dass der Gott aller Gnade sich dennoch durch den Dienst der BiGeBeler verherrlicht, ist mein – und hoffentlich auch dein – inniges Gebet…
… und meine Hoffnung, wenn ich am Ende dieser Geschichte an die wunderbaren Worte denke, mit denen einst auch Judas seinen Brief abschloss: „Dem aber, der euch ohne Straucheln zu bewahren und vor seine Herrlichkeit tadellos mit Jubel hinzustellen vermag, dem alleinigen Gott, unserem Retter durch Jesus Christus, unseren Herrn, sei Herrlichkeit, Majestät, Gewalt und Macht vor aller Zeit und jetzt und in alle Ewigkeiten! Amen.“[6]
[1] Vgl. Römer 13,4a
[2] Anm.: Name wurde vom Autor geändert
[3] Lukas 18,11b
[4] Lukas 18,13b
[5] Vgl. Epheser und 1. Thessalonicher
[6] Judas 24.25